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Roundup 13. April 2021 Ein Überblick über Ereignisse in der deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Welt vom 13. April 2021. Interessantes, Empörendes oder Themen, die sonst zu kurz kommen.

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An dieser Stelle soll es in Zukunft (hoffentlich) täglich Updates aus dem deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Raum geben. Für Deutschland werde ich mich überwiegend auf außenpolitische Themen fokussieren, bei allen anderen Ländern beschäftige ich mich mit Themen, die ich für wichtig halte, über die ich bereits viel weiß oder die ich schlicht und ergreifend für interessant halte. Detaillierte Ausführungen findet ihr auf meiner Autorenseite des Freitag. Falls sich jemand dafür interessiert, diesen Roundup als Art Newsletter zu erhalten, kann er*sie mir gerne auf Twitter (@luke_tropic) eine Nachricht mit seiner*ihrer Mail-Adresse schreiben.

Deutschland

US-Verteidigungsminister Lloyd Austin trifft heute in Berlin auf seine deutsche Amtskollegin Annegret Kramp-Karrenbauer. Laut ZDF soll es bei dem Treffen in erster Linie um den Truppenabzug aus Afghanistan und die Stärkung der transatlantischen Allianz angesichts der Ukraine-Krise gehen. Washington hatte einen Truppenabzug, den Donald Trump mit den Taliban hatte aushandeln lassen, vorerst auf Eis gelegt. Austin selbst hatte als ehemaliger General 2011 den Abzug von US-Truppen aus dem Irak kritisiert und sieht sich durch das Aufkommen des IS im Irak bestätigt. Folgt man der Logik des US-Generals und Chefvertreters der Waffenschmiede Raytheon müssten also Truppen bis ans Ende aller Zeiten in allen möglichen Ländern stationiert bleiben. Diskutiert werden wird auch über einen Verbleib von US-Soldaten in Deutschland (laut Süddeutscher Zeitung werden nicht wie von Donald Trump geplant Soldat*innen abgezogen, sondern 500 mehr in Deutschland stationiert) sowie über die häufig aus Washington an Berlin gerichteten Forderungen, Deutschland möge doch seinen Rüstungshaushalt erhöhen. Die US-amerikanische Kritik, die nun vom dritten Präsidenten in Folge geäußert wird, wirkt freilich mehr als nur lächerlich, planen doch allein die USA im Jahr 2022 753 Milliarden Dollar für ihr Militär ausgeben – mehr als die nächsten zwölf Staaten zusammen.

In einem Interview mit dem ZDF forderte der ehemalige Bundeaußenminister Sigmar Gabriel die USA auf, sich aus europäischen Energieprojekten wie der Nord-Stream 2 Pipeline herauszuhalten. Das Interview ist insgesamt recht lesenswert und weist viele der Vorwürfe an die deutsche Bundesregierung zurück. So kritisiert Gabriel, dem als Vorsitzender der Atlantik-Brücke mit Sicherheit kein Anti-Amerikanismus vorgeworfen werden kann und der als Mitglied der SPD linker Umtriebe völlig unverdächtig ist, die Haltung der polnischen Regierung, russisches Gas nur dann zu akzeptieren, wenn es durch Polen transportiert wird. Auch eine mögliche Abhängigkeit von Moskau verweist der ehemalige SPD-Chef ins Reich der Mythen.

Wer sich angesichts der immer wieder aufkommenden Vorwürfe des Völkermordes an den Uiguren für die Region Xinjiang interessiert, dem sei dieser Artikel des neuen Deutschland ans Herz gelegt.

Vereinigte Staaten

Die Regierung von Präsident Biden weicht derweil entscheidend von einem ihrer Wahlkampfversprechen, dem Ende des Drogenkrieges, ab. Wie die Plattform The Intercept berichtete plant das Weiße Haus, Mindeststrafen für Verkauf von Substanzen, die Fentanyl beinhalten, beizubehalten. Aktuell betragen die Strafen für den Verkauf derartiger Substanzen zwischen fünf und 40 Jahre und wurden erst von der Regierung von Donald Trump eingeführt. Joe Biden selbst gilt als einer der Architekten der mass incarceration, die vor allem Mitglieder ethnischer Minderheiten betrifft.

Die Washington Post berichtete derweil, dass die Biden-Regierung auf Kurs ist, noch weniger Flüchtlinge aufzunehmen jede Regierung der Neuzeit vor ihr. Passend dazu konnte Washington die Regierungen in Mexiko, Honduras und Guatemala „überzeugen“, ihre Grenzen weiter zu militarisieren, sodass weniger Migrant*innen die USA überhaupt erst erreichen.

Auch beim Thema Fake News scheint sich nicht viel getan zu haben. Klar, es wird nicht mehr vom Twitterkanal des Weißen Hauses aus behauptet, die Medien seien der Feind des Volkes. Stattdessen wird nun geschliffen argumentiert, eine saudi-arabische Blockade des Jemen existiere nicht. Ich würde mich an dieser Stelle der Forderung des Podcasters Felix Biederman anschließen, der hier fordert, Außenminister Blinken ins Gefängnis zu stecken.

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England

Kein Mensch und kein*e Politiker*in hat jemals immer bei allem Recht. Es gibt aber solche, bei denen man Jahre später innehält und sich denkt: „Mensch, hätte man damals nur auf ihn*sie gehört.“ Ein gutes Beispiel für einen derartigen Politiker ist der ehemalige Labour-Chef Jeremy Corbyn, der 2017 um Haaresbreite am Amt des Premierministers vorbeigeschrammte, nachdem er von seiner eigenen Partei und allen größeren britischen Medien sabotiert worden war. Im Wahlkampf 2019 hatte Corbyn behauptet, die konservativen Tories um Kandidat Boris Johnson würden das britischen Gesundheitssystem (NHS) privatisieren wollen und dies mit geleakten Dokumenten belegt. Daraufhin war ihm vorgeworfen worden, sich an einer (natürlich) russischen Desinformationskampagne zur Schwächung Großbritanniens und des Westens zu beteiligen. Nun hat Sir David King, der als Wissenschaftler in den Regierungen von Tony Blair, Gordon Brown, David Cameron und Theresa May mitarbeitete, die Vorwürfe des Ex-Chefs von Labour in einem Interview mit dem Guardian bestätigt. King warf der konservativen Regierung vor, unter dem Vorwand der Pandemie den NHS zu privatisieren. Er glaubt dabei nicht an einen Zufall, sondern viel mehr an einen Plan zur Durchsetzung der ideologischen Interessen der Tories. Auf eine Entschuldigung wird Corbyn jedoch wohl verzichten müssen, erwähnte der Guardian seinen Namen und die von ihm vorgebrachte Vorwürfe nicht einmal. Verwunderlich sollte dies jedoch nicht sein, war der Guardian doch DIE Zeitung, die abstruse Antisemitismus-Vorwürfe genüsslich unters Volk brachte und liberalen Remoanern eine Plattform für ihre Rufmordkampagne gegen den ehemaligen Labour-Chef bot.

Nordirland

Stephen Donnan-Dalzell sieht in seiner Kolumne für den Guardian das Versagen der nordirischen und britischen Politik als Ursache für die anhaltenden Krawalle in Belfast. Einer ganzen Generation sei nach Abschluss des Karfreitagabkommens 1998 Frieden und Wohlstand versprochen worden. Stattdessen hätte gerade die jüngere Generation, insbesondere die Arbeiter*innenklasse, nichts als vererbte Traumata und Perspektivlosigkeit erhalten. Spätestens seit Bekanntwerden der Brexit-Pläne von Ex-Premierministerin Theresa May sind Spannungen neu aufgekommen, die sich mit dem Ausbleiben von Konsequenzen für Politiker*innen von Sinn Féin nach dem Verstoß gegen Kontaktbeschränkungen beim Begräbnis des ehemaligen IRA-Kämpfers Bobby Storey entzündet haben. Die Melange aus Perspektivlosigkeit und Enttäuschung über das politische System ähnelt der Situation in Nordengland (das überwiegend für den Brexit gestimmt hatte) und den Staaten aus dem rust belt in den USA (die Trump 2016 zu seinem Wahlsieg verhalfen).

Mexiko

Es ist interessant, was in diesen Tagen bei der taz als Journalismus durchgeht. Wolf-Dieter Vogel, seines Zeichens taz-Korrespondent für Mexiko und Mittelamerika, wirft dem mexikanischen Präsidenten Andrés Manuel López Obrador (AMLO) in dieser Kolumne „einen zunehmend autoritären nationalistischen Diskurs“ und Hetze „gegen Medien und Menschenrechtsvertreter“ vor. Hintergrund ist die öffentliche Kritik AMLOs an Artículo 19, einer laut Selbstbeschreibung internationalen Organisation für Pressefreiheit. Die Verteidigung AMLOs gegen Berichte von Artículo 19 und seine öffentliche Kritik an einzelnen Journalist*innen („an den Pranger stellen“) sind für Vogel Grund genug, ihn indirekt des Mordes an Journalist*innen mitschuldig zu sprechen („Solche verbalen Attacken können […] lebensgefährlich sein.“) Vogel bezeichnet den linken Präsidenten als Vertreter einer „knallharten Austeritätspolitik“. Was er dabei vergisst zu erwähnen, ist dass AMLOs Partei mit 51%igen Zustimmungswerten mehr Unterstützung hinter sich vereinbaren kann als die drei nächsten Konkurrenten, die auf knapp 35% Zustimmung stoßen. Diese drei Parteien hatten Mexiko über Jahrzehnte hinweg regiert und das Land zu dem gemacht, was es heute ist. Zudem präsidiert AMLO mitnichten über einen rigiden Sparkurs, sondern vielmehr über eine dezidiert linke Politik.

  • Verstaatlichung des weitestgehend privatisierten Energiesektors
  • Allianz mit Bolivien um gegen Regime Change via der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) vorzugehen
  • Asyl für Evo Morales nach Putsch in Bolivien 2019
  • Asylangebot für den in London willkürlich inhaftierten und gefolterten australischen Journalisten Julian Assange
  • Legalisierung von Marihuana
  • Kampf gegen private Gefängnisunternehmen
  • 60%ige Erhöhung des Mindestlohns seit Amtsantritt 2018; reale Erhöhung, da Inflation nicht stärker angestiegen ist

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Abschließend noch zwei Punkte: Vogel gibt selbst zu, dass Artículo 19 unter anderem von USAID finanziert wird. USAID wiederum ist weithin bekannt als Tarnorganisation für die CIA, sogar die New York Times bezeichnete die angebliche Hilfsorganisation als Cover für den Geheimdienst. Geleitet wird USAID seit Amtsantritt von Joe Biden von Samantha Power, einer der treibenden Kräfte hinter dem Libyen-Krieg von 2011, der Unterstützung für Saudi-Arabien zu Beginn des mörderischen Krieges gegen den Jemen und enge Freundin eines der größten Massenmörder des 21. Jahrhunderts, Henry Kissinger. Vogel anerkannt auch, dass weitere NGOs oftmals vom Ausland finanziert werden. Kritik von AMLO an derartigen Netzwerken soll also der Beweis für einen zunehmend autoritären Kurs sein? Last but not least führt Vogel ins Feld, Repressionen gegen Kritiker*innen seien in Nicaragua, Venezuela und Ecuador auch oftmals mit der Begründung, sie würden aus dem Ausland finanziert, um die jeweiligen Regierungen zu stürzen, eingeführt worden. Das mag stimmen, auch wenn über das Ausmaß der Repressionen diskutiert werden kann, Fakt ist aber auch, dass diese NGOs und Menschenrechtsverbände IN DER TAT mit dem Ziel des Regime Change von den USA finanziert werden. In der Realität ist es für AMLO nämlich so: entweder er kritisiert Artículo 19 für das was es ist, nämlich ein schlecht getarntes Propagandainstrument der USA, mit der er letztlich gestürzt werden soll, oder er unterlässt es und wartet auf den mexikanischen Juan Guaidó, Guillermo Lasso oder mexikanische Kontras. Option c wäre natürlich, dass die USA es unterließen, einfach so Regierungen zu stürzen, allerdings würde in diesem Fall wirklich eher ein Kamel durch ein Nadelöhr gehen, als dass ein derart radikaler Bruch mit mehr als 2 Jahrhunderten amerikanischer Außenpolitik geschieht.

Ecuador

TeleSur hat derweil dankenswerter Weise ein Profil des neuen ecuadorianischen Präsidenten Guillermo Lasso erstellt.

  • Verlor bereits 2013 und 2017 gegen Rafael Correa und dessen Nachfolger Lenín Moreno (Moreno war ursprünglich als politischer Erbe des Correismo angetreten, ehe er seine alten Ideale verriet.)
  • Konservativer Ex-Banker (Ende der 90er Jahre kam es in Ecuador zu einem Kollaps des kompletten Finanzsystems)
  • Anführer des Anticorreismo
  • Vertreter marktliberaler/neoliberaler Wirtschaftspolitik
  • Besuch eines katholischen Gymnasiums, abgebrochenes Wirtschaftsstudium
  • 20 Jahre Präsident der Banco de Guayaquil, einer der führenden Banken Ecuadors
  • Ab Anfang der 90er Vorsitzender des Verbandes privater Banken Ecuadors
  • 1999 für einen Monat Wirtschaftsminister
  • Mitverantwortlich für Bankenkrise Ender der 90er, die die Emigration Tausender Ecaudorianer*innen und den Umstieg auf den Dollar zur Folge hatte
  • Gouverneur der Provinz Guayas
  • Enge Bindung an die erzkonservative katholische Sekte Opus Dei und gegen die Entkriminalisierung von Abtreibungen
  • Will den Internationalen Währungsfonds (IWF) und dessen Vereinbarungen mit Ecuador respektieren

Dass Lasso überhaupt die Wahlen gewinnen konnte, gilt als Überraschung. Neben der Enthaltung vieler indigener Stämme gab es noch drei externe Faktoren, die den Linken Arauz in einem schlechten Licht erscheinen ließen. Arauz wurde unterstellt – natürlich ohne jemals Beweise dafür zu präsentieren – dass sein Wahlkampf von der kolumbianischen Drogenguerilla mitfinanziert werden. Die USA verliehen zudem einen Preis für Korruptionsbekämpfung an die ecuadorianische Staatsanwältin Diana Salazar, die dieselben unbegründeten Anschuldigungen an Arauz´ politischen Ziehvater Rafael Correa untersuchen hatte lassen. (Wie war das nochmal mit der Einmischung in den Wahlkampf anderer Länder? Sicher, dass das nur die Russen machen?) Schließlich wurde auch die Wahlbehörde vor der Wahl mit politischen Verbündeten Lassos besetzt und nun von einem ehemaligen Funktionär des Wahlbetruges beschuldigt.

Peru

Bei den Stichwahlen am 6. Juni wird es zu einem Duell zwischen dem linken Pedro Castillo und der rechtsextremen Keiko Fujimori kommen. Castillo, der im März noch in Umfragen bei 3% gelegen hatte, konnte vor allem die armen Wahlbezirke für sich entscheiden – in zwei der ärmsten Bezirke erhielt er über 50% der Stimmen. Viele Peruaner*innen fühlen sich angesichts der politischen, ökonomischen und gesundheitlichen Krise im Stich gelassen. Das Land leidet mit am stärksten an der Corona-Pandemie, zusätzlich waren allein im Jahr 2018 drei Präsidenten wegen Korruption zurückgetreten. Castillo gilt als weit links und erlangte 2017 sein nationales Profil als Anführer eines Lehrer*innenstreiks. Abgesehen von den üblichen Warnungen vor einem „neuen Venezuela“ sticht vor allem eine Kritik an Castillo heraus, nämlich dass er kulturelle und soziale Themen wie Femizide oder die Gleichbehandlung der LGBQT+-Community in einer Gegend, in der diese häufig zu Morden und anderen Gewaltverbrechen führen, nicht priorisiert. Fujimori hingegen ist als Tochter des Ex-Diktators Fujimori selbst der Geldwäschen angeklagt und verspricht einen harten Kampf gegen Verbrechen und Korruption. Angesichts der Tatsache, dass ihr Vater unter anderem wegen des Einsatzes von Todesschwadronen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, sollten spätestens an dieser Stelle die Alarmglocken schrillen.

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Auch was Peru betrifft betreibt die taz wieder einmal das übliche „Beide Seiten sind gleichermaßen extrem und zu verurteilen-Spiel“. Castillo wird in eine Reihe mit Fujimori und de Soto gestellt, als ob Todesschwadronen und Mitgliedschaft bei Opus Dei in etwas das Gleiche sind wie die Verstaatlichung von Energieunternehmen und der Aufbau eines sozialistischen Staates. Die Wahl zwischen Pinochet und Allende ist für die taz anscheinend keine Wahl.

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