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Roundup 23. April 2021 Ein Überblick über Ereignisse in der deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Welt vom 23. April 2021. Interessantes, Empörendes oder Themen, die sonst zu kurz kommen.

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An dieser Stelle soll es in Zukunft (hoffentlich) täglich Updates aus dem deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Raum geben. Für Deutschland werde ich mich überwiegend auf außenpolitische Themen fokussieren, bei allen anderen Ländern beschäftige ich mich mit Themen, die ich für wichtig halte, über die ich bereits viel weiß oder die ich schlicht und ergreifend für interessant halte. Detaillierte Ausführungen findet ihr auf meiner Autorenseite des Freitag. Falls sich jemand dafür interessiert, diesen Roundup als Art Newsletter zu erhalten, kann er*sie mir gerne auf Twitter (@luke_tropic) eine Nachricht mit seiner*ihrer Mail-Adresse schreiben.

Deutschland

Bundesverteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer sieht die Ziele des Afghanistan-Einsatzes als erreicht an, da „Al-Kaida […] über 20 Jahre ganz sicherlich nicht in dem Maß operiert [hat], wie als es zu 9/11 gekommen ist.“ Mit dieser Grafik hier wurde die ehemalige Hoffnungsträgerin der CDU hingegen wohl nicht konfrontiert.

Es mag ja sogar stimmen, dass Al-Kaida nicht mehr so operationsfähig ist wie noch 2001 – obwohl gerade AQAP (Al-Qaida in the Arabian Peninsula) sicherlich deutlich aktiver ist als vor 20 Jahren. Allerdings hat die Anzahl der Terroranschläge sowie die daraus resultierenden Opfer seit Beginn des von George W. Bush verkündeten Krieges gegen den Terrorismus deutlich zugenommen.

Wenn das deutsche Außenministerium von Heiko Maas mal etwas Vernünftiges tut, wie beispielsweise einer Resolution vor der UN zuzustimmen, in der die israelische Regierung als Besatzungsmacht und hauptverantwortlich für die humanitäre Katastrophe im Gazastreifen dargestellt wird, wird sie dafür sofort von Oppositionspolitikern wie dem FDPler Müller-Rosentritt kritisiert. Müller-Rosentritt wirft der Regierung vor, Konsens „auf Kosten des einzig jüdischen Staates“ suchen zu wollen. Von dort ist es zum Vorwurf des Antisemitismus, dem sich der deutsche UN-Botschafter Heusgen von Seiten des Simon Wiesenthal bereits ausgesetzt sah, nicht mehr weit. Und all dies nur, weil eine mörderische Politik mal kritisiert wurde…

Vereinigte Staaten

Einer der größten Kritikpunkte an der Politik von Ex-Präsident Trump war dessen nicht-existenter Kampf gegen die Klimakatastrophe, welcher sich neben in erster Linie rhetorischen („Der Klimawandel ist eine Erfindung der Chinesen.“) und symbolischen (Ausstieg aus dem nichtverpflichtenden Klimaabkommen von Paris) Akten unter anderem in der Genehmigung neuer Ölpipelines und dem Abbau von staatlichen Regulationen zeigte. Mit dem Amtsantritt Joe Bidens und dessen ersten Klimagipfel wurden deshalb viele Hoffnungen verknüpft, die der angeblich so progressive Präsident dann auch umgehend zerschlug. So ist eine Reduktion der Treibhausgase um 50% bis 2030 vorgesehen, allerdings in Bezug auf den höheren Stand aus dem Jahr 2005 anstelle des Jahres 1990. Biden forderte zudem die 20 wichtigsten Industrienationen auf, ebenfalls mit den USA mitzuziehen, machten diese doch lediglich 15% der weltweiten Emissionen aus. Bewusst weggelassen wird bei dieser Argumentation, die auch in bürgerlich-liberalen Kreisen Deutschlands gerne verwendet wird, die historische Klimaschuld des globalen Nordens. Länder wie die USA, Großbritannien oder auch Deutschland haben historisch betrachtet mehr Treibhausgase freigesetzt als Länder wie Brasilien, Südafrika, Pakistan oder auch China. Zudem darf die Frage gestellt werden, warum die USA, die rund 4,3% der Weltbevölkerung ausmachen, für 15% der weltweiten Emissionen verantwortlich sind. Zum Vergleich: China ist für rund 28% verantwortlich, allerdings sind auch circa 18% der Weltbevölkerung Chines*innen. Wie Biden seine Ziele erreichen will, ist auch nicht bekannt. Seine Regierung scheiterte schon bei dem Versuch einer Mindestlohnerhöhung am Widerstand aus den eigenen Reihen, für die sie – so viel muss der Fairness halber gesagt werden – allerdings auch nicht wirklich entschieden eintrat. Eine Reduktion der Treibhausgase, wie sie Washington vorschwebt, wird Maßnahmen erfordern, die für einen Großteil der Demokraten genauso inakzeptabel sind wie für Republikaner. Auch die Tatsache, dass das Militärbudget erneut steigen wird, lässt Bidens Ankündigungen wie die Blendgranaten, die sie wahrscheinlich sind, erscheinen: wäre die US-Armee ein Land, würde sie an Rang 55 der Klimasünder stehen. Was die Regierung Biden tun müsste, um der Katastrophe angemessen zu begegnen, wird in diesem Kommentar der New York Times dargestellt. Im Zuge des Klimagipfels veröffentlichte die Tagesschau diesen bemerkenswert ehrlichen Kommentar, in dem Werner Eckert vom SWR einfach mal so feststellt, dass „der Klimaschutz als Markt von Morgen […] die wahre Triebfeder des internationalen Klimaschutzes“ ist. Auf Deutsch: die Märkte entscheiden darüber, ob es einen bewohnbaren Planeten gibt, oder eben nicht. Herrn Eckert zu Folge sind Staaten lediglich dazu nütze, den Märkten genug Vertrauen zu geben, auf dass diese das Richtige tun. Meine Frage, warum ich mich denn dann überhaupt noch mit so etwas wie Politik befassen soll, wird allerdings leider nicht beantwortet.

Warum man den Worten von US-Präsidenten niemals Glauben schenken sollte, zeigt dieser Bericht der Tagesschau. Darin wird berichtet, dass das US-Militär beabsichtige, zusätzliche Soldat*innen nach Afghanistan zu entsenden, um dann den endgültigen Abzug aller Truppen abzusichern. Dieses als normal bezeichnete Vorgehen ähnelt dem Barack Obamas, der ebenfalls zusätzliche Truppen in Afghanistan und im Irak stationierte, obwohl er (angeblich) von Anfang an vorhatte, alle Soldat*innen aus den beiden völkerrechtswidrigen Kriegen nach Hause zu holen. Was daraus wurde wissen wir. General Kenneth McKenzie lieferte zudem auch gleich die Entschuldigung, die wir ab dem 11. September 2021 zu hören bekommen werden, warum immer noch US-Truppen vor Ort sind: kein Vertrauen in die afghanischen Sicherheitskräfte – warum wurden die nochmal die letzten 20 Jahre von westlichen Truppen ausgebildet? – und Schutz der amerikanischen Botschaft. Selbst wenn die Vereinigten Staaten jedoch alle Truppen abziehen sollten, bedeutet dies nicht das Ende aller US-amerikanischer Militäroperationen in Afghanistan. Das Investigativportal The Grayzone weist darauf hin, dass das Pentagon sich das Recht vorbehält, auch weiterhin mit Spezialeinheiten, Drohnenangriffen und Luftschlägen in Afghanistan einzugreifen. Ebenfalls nicht in die Abzugspläne miteinbezogen werden sogenannten military contractors, also Söldner*innen, die im Auftrag der US-Regierung weiterhin in Afghanistan operieren. Diese Söldnerfirmen stellen mittlerweile mehr Truppen als das Militär selbst, so waren im Januar diesen Jahres über 18 000 Söldner*innen im Vergleich zu etwa 6000 offiziellen Soldat*innen dort stationiert. Auch von der CIA trainierte und finanzierte Todesschwadronen dürften weiterhin in dem rohstoffreichen Land ihr Unwesen treiben. Ein interessantes Interview mit einem Afghanistan-Veteranen findet sich hier.

Das Märchen von den sogenannten Bernie Bros schaffte es sogar bis in die deutsche Presse. Es besagt, dass Anhänger*innen des ehemaligen Anwärters auf die Präsidentschaftskandidatur in erster Linie weiße Männer mit einem gewissen Maß an ökonomischer Sicherheit seien, die ihren Tag damit verbringen würden, rassistische und sexistische Angriffe auf Kandidat*innen wie Hillary Clinton, Kamala Harris oder Cory Booker zu initiieren. Abgesehen von der Tatsache, dass Sanders die wohl diverseste Anhängerschaft aller demokratischen Kandidat*innen hinter sich vereinen konnte, war die Behauptung schon allein deswegen Schwachsinn, da jede*r Kandidat*in vor allem online Unterstützer*innen hinter sich wusste, die die jeweiligen Kontrahent*innen und deren Anhänger*innen auf sexistische, rassistische oder homophobe Weise attackierten. Ausgenommen in der Berichterstattung über virtuelle Gewalt waren hingegen die Fans der rechten Demokratin Kamala Harris, bekannt als KHive. Deren Attacken wurden nicht nur medial heruntergespielt beziehungsweise verteidigt, sondern auch von einer Bot-Farm der demokratischen Partei gepusht (ja, nicht nur die Russen nutzen Bots). Zu den Attacken gehörten wiederholt antisemitische Äußerungen und Todeswünsche gegen Bernie Sanders.

Wer sich für die Ausschreitungen im Kapitol vom 6. Januar 2021 interessiert, dem sei dieser Artikel des preisgekrönten Journalisten Glenn Greenwald ans Herz gelegt.

England

Das Abgeordnetenhaus hat in einem Beschluss festgestellt, dass China einen Völkermord an den Uiguren begehen würde. In einem Bericht des BBC werden Abgeordnete mit bereits widerlegten Anschuldigungen an die chinesische Regierung zitiert, die größtenteils aus der Feder des deutschen Pseudowissenschaftlers und Fundamentalisten Adrian Zenz stammen und bereits widerlegt wurden. Konsequenzen für die Politik der britischen Regierung soll die Abstimmung hingegen nicht haben, eine Verbesserung der Beziehungen zwischen China und Großbritannien sowie eine Deeskalation der Spannungen zwischen China und dem Westen sind allerdings auch nicht zu erwarten.

Australien

Auch die australische Regierung hat kein Interesse an einem gesunden Verhältnis zu China, anders lässt sich der jüngste Schritt der australischen Regierung, Verträge über eine wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und dem australischen Bundesstaat Victoria aufzukündigen, nicht interpretieren. Laut Außenministerin Payne seien diese Verträge nicht im Einklang mit der australischen Außenpolitik und würden die Beziehungen zu anderen Ländern gefährden.

Neuseeland

Im Gegensatz zu ihrem australischen Nachbarn scheint die neuseeländische Regierung wenig Lust auf einen Handelskrieg mit China zu haben. Dies machte die neue Außenministerin Mahuta auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit ihrer australischen Amtskollegin Payne deutlich. Bedeutsam ist dieser Schritt der Regierung von Premierministerin Jessica Ardern, dass Neuseeland so aus dem durch die Snowden Enthüllungen weltweit bekannt gewordene 5-Eye-Bündnis mit den USA, Kanada, Großbritannien und Australien ausschert. Das Bündnis dient in erster Linie der besseren Koordination von Spionage- und Abhöraktionen der jeweiligen nationalen Geheimdienste und ist deshalb laut Ardern nicht besonders geeignet dafür, gemeinsame Statements zu einem geopolitischen Rivalen abzugeben.

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