Was gibt´s? What´s going on? ¿Qué pasa?

Roundup 28. April 2021 Ein Überblick über Ereignisse in der deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Welt vom 28. April 2021. Interessantes, Empörendes oder Themen, die sonst zu kurz kommen.

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An dieser Stelle soll es in Zukunft (hoffentlich) täglich Updates aus dem deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Raum geben. Für Deutschland werde ich mich überwiegend auf außenpolitische Themen fokussieren, bei allen anderen Ländern beschäftige ich mich mit Themen, die ich für wichtig halte, über die ich bereits viel weiß oder die ich schlicht und ergreifend für interessant halte. Detaillierte Ausführungen findet ihr auf meiner Autorenseite des Freitag. Falls sich jemand dafür interessiert, diesen Roundup als Art Newsletter zu erhalten, kann er*sie mir gerne auf Twitter (@luke_tropic) eine Nachricht mit seiner*ihrer Mail-Adresse schreiben.

Vereinigte Staaten – 100 Tage Schönmalerei

Egal ob Tagesschau, BBC, CNN oder die Frankfurter Rundschau, die westliche Medienlandschaft ist sich weitgehend einig: Joe Bidens erste 100 Tag als US-Präsident waren ein voller Erfolg, vielleicht sogar ähnlich revolutionär wie die seiner Vorgänger Franklin Delanor Roosevelt oder Lyndon B. Johnson. Den Journalist*innen gefällt in erster Linie der neue Tonfall, der bei Pressekonferenzen im Weißen Haus nun vorherrscht, überschwänglich gelobt wird auch, dass nun „weniger Lügen“ vom Präsidenten unters Volk gebracht werden. Was politische, greifbare Projekte der Regierung betrifft, so werden vor allem das Corona-Hilfspaket und der Infrastrukturplan gelobt, positiv erwähnt wird die Rückkehr der USA zum Pariser Klimaschutzabkommen sowie der freundlichere Tonfall Verbündeten gegenüber. Als Schwachpunkt Bidens wird dessen Umgang mit Flüchtlingen an der mexikanisch-US-amerikanischen Grenze genannt, CNN beklagt zudem den Abzug aus Afghanistan. Auffallend ist zudem, dass alle zitierten Medien unisono einen Kontrast zwischen der Reaktion Barack Obamas auf die Finanzkrise von 2007/08 und der Bidens auf die Corona-Krise feststellen und erstmals eingestehen, dass Obama Fehler in seiner Reaktion auf die Krise begangen hat. Bis vor kurzem war Kritik am einstigen Hoffnungsträger gerade in deutschen Medien eher selten aufzufinden, Lobhudeleien und wohlwollende Rezensionen seiner Bücher waren hingegen an der Tagesordnung.

Die Darstellung Bidens als progressiver Hoffnungsträger und geradezu revolutionärer Präsident hinkt beidbeinig, offenbart allerdings auch Einiges über die Ideologie der Berichtbestattenden. Das ständige Herumreiten auf dem ach so erfrischenden neuen Tonfall aus Washington bestätigt die Kritik des preisgekrönten US-amerikanischen Journalisten Glenn Greenwald, der hinter der Ablehnung von Präsident Trump stets ästhetische Motive vermutete, da sich die Politik des Republikaners substanziell kaum von der seiner Vorgänger unterschied. Erkennen kann man die politischen Kontinuitäten von Regan über Bush jr., Obama, Trump und nun Biden vor allem an der Außenpolitik des neuen Präsidenten, die gerade gegenüber dem Iran, Russland, China und Lateinamerika mindestens genauso aggressiv und menschenverachtend ist – und deswegen in den Lobeshymnen (fast) keine Erwähnung findet. Auch die Einwanderungspolitik Bidens ist bislang eine reine Fortführung der seiner beiden direkten Vorgänger, was sich unter anderem an den Bedingungen in den Flüchtlingslagern an der US-amerikanischen Grenze sowie der zunehmenden Militarisierung selbiger festmachen lässt, die von seinem Vorgänger angefangene Mauer soll zumindest geflickt, wenn auch nicht ganz fertiggestellt werden. Was das Image Bidens als radikaler Sozialpolitiker betrifft, so sei auf diesen Artikel des preisgekrönten Journalisten Matt Taibbi verwiesen, der darin eine geschickte Marketingkampagne des Weißen Hauses und nahestehenden Medienhäusern wie CNN, MSNBC oder der New York Times sieht. Ja, Bidens Corona-Hilfspaket ist umfangreicher und im weitesten Sinne progressiver als alles, was man von Barack Obama jemals sehen durfte, gleichzeitig wurde beispielsweise eine bundesweite Mindestlohnerhöhung ausgeschlossen und der Betrag der einmaligen Hilfszahlungen von 2000 auf 1400 Dollar gesenkt – ein direkter Bruch von Wahlkampfversprechen. Das viel gelobte Infrastrukturprojekt ist fürs Erste nicht mehr als eine Ankündigung der Regierung, da ein Verabschieden eines solchen Gesetzes selbst in einem demokratisch kontrollierten Parlament unwahrscheinlich ist. Die nun angekündigten Steuererhöhungen für Reiche und für Konzerne sind zwar prinzipiell zu begrüßen, allerdings machen sie nicht einmal die Steuersenkungen der Trump-Regierung vollständig rückgängig. Und was die Klimaschutzpläne Bidens betrifft, so wurde an dieser Stelle bereits darüber berichtet, dass diese nicht einmal einen Tropfen auf heißem Stein darstellen. Alles in allem ist Joe Biden, wie jeder seiner Vorgänger, ein typischer US-amerikanischer Präsident: außenpolitisch interventionslustig und menschenverachtend, innenpolitisch mit leicht sozialen Akzenten, die auf das Ausmaß der katastrophalen Zustände des Landes zurückzuführen sind, und im Tonfall konzilianter als Trump und angriffslustiger als Obama. Im Westen definitiv nichts Neues.

USA und Deutschland in Afghanistan

Nach dem angekündigten Abzug aller Truppen aus Afghanistan fürchten die USA offenbar um die Sicherheit ihres diplomatischen Personals vor Ort und verlegen nicht-essenzielle Mitarbeiter*innen in sicherere Gebiete, wie die Tagesschau berichtet. Deutsche Politiker*innen fürchten in erster Linie um die Sicherheit der afghanischen Ortskräfte. Linken-Abgeordnete Hänsel forderte eine schnelle Gruppenaufnahme der 301 verbleibenden Kräfte inklusive ihrer Familien. In der FAZ macht man sich derweil Gedanken über eine neue mögliche Flüchtlingsbewegung in Richtung Europa, sollte die islamistische Taliban wieder an die Macht kommen. Wer auf interessante oder gar kluge Gedanken gehofft hat, muss allerdings enttäuscht werden. Nikolas Busse, verantwortlicher Redakteur der FAZ für Außenpolitik fordert lediglich eine „Ausbildung afghanischer Kräfte in Deutschland, […] die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz […] [und] Entwicklungshilfe.“ Warum genau waren dann noch mal deutsche Soldat*innen über 20 Jahre lang in Afghanistan stationiert? Waren das nicht von Anfang an die Ziele des Einsatzes? Und wie kommt Herr Busse darauf, dass auf einmal etwas funktioniert, was in den letzten 20 Jahren ganz offensichtlich nicht geklappt hat?

Orientierungsschwierigkeiten bei US-Militär

Drei iranische Schnellboten sollen sich zu nah an Schiffe der US-Marine angenähert haben. Wenn das für Tagesschau und CNN eine ungeheuerliche Provokation des Schurkenstaates aus dem Nahen Osten ist, zeigt dies lediglich, dass die verantwortlichen Redakteur*innen im Geographieunterricht nicht aufgepasst haben. Der Zwischenfall ereignete sich im Persischen Golf, nicht vor der Küste Floridas. Interessant zudem auch, dass sogar die US-Küstenwache mit Schiffen vor Ort ist, angesichts der Tatsache, dass die von ihr zu bewachenden Küsten eigentlich auf der anderen Seite des Globus liegen.

Deutschland – wird endlich mal auf den Tisch gehauen?

Aus den Berichten von Tagesschau, Welt, taz und Spiegel über die anstehenden Konsultationen zwischen Mitgliedern der deutschen Regierung mit ihren chinesischen Pendants lässt sich zwischen den Zeilen die Hoffnung der Schreiber*innen herauslesen, dass die deutsche Seite doch nun endlich mal die Menschenrechtsverletzungen Chinas im direkten Gespräch anklagen würden. Stattdessen wollen Berlin und Peking lediglich unverbindlich über eine gemeinsame Bekämpfung von Coronavirus und Klimakatastrophe sowie einer engeren Kooperation beraten. Die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder sind wohl für die deutsche Regierung und Wirtschaft zu wichtig, als dass man dem US-amerikanischen und britischen Beispiel folgen wollen würde, die Peking des Völkermords an den Uiguren bezichtigen und Sanktionen verhängt haben. Dies könnte sich jedoch ändern, sollten Politiker*innen wie Norbert Röttgen nach den Bundestagswahlen im Herbst in irgendeiner Form an der Regierung beteiligt sein, setzt doch gerade eher auf ein deutliches Mehr an Konfrontation und sieht chinesische Machtgelüste in Form einer ausgefuchsten Soft Power Strategie hinter jedem Baum.

Australien – wie man den SIPRI Bericht nicht verstehen sollte

Die australische Regierung hat bekannt gegeben, ihre militärische Kooperation mit den USA zu verstärken und 580 Millionen Dollar in vier Militärbasen in Nordaustralien zu investieren, in den kommenden zehn Jahren sollen insgesamt 270 Milliarden Dollar in das australische Heer gesteckt werden. Erst gestern hatte das Friedensforschungsinstitut SIPI bekannt gegeben, dass auch im Pandemie-Jahr 2020 die Rüstungsausgaben weiter angestiegen sind. Gerade Australien hätte angesichts der verheerenden Verwüstungen, die die Klimakatastrophe bereits jetzt im Pazifikstaat angerichtet hat, eigentlich bessere Verwendungszwecke für knapp 3 Milliarden Dollar als das Anheizen eines Säbelrasselns mit Peking.

Deutschland – Anzeichen von außenpolitischer Vernunft bei der SPD

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wirft den Grünen Heuchelei in Bezug auf deren Ablehnung der Nord Stream 2 Pipeline vor, habe doch die schleswig-holsteinische Landesregierung unter Beteiligung des Ko-Vorsitzenden der Grünen Habeck Flüssiggasterminals für US-amerikanischen Fracking Gas genehmigt. Ein Abbruch des für Russland enorm wichtigen Projekts würde die ohnehin angespannten Beziehungen beider Staaten nicht gerade verbessern, so Mützenich weiter. Ersichtlich wird die Heuchelei bestimmter Kreise auch an der ausbleibenden Kritik an ähnlichen Pipelines aus Aserbaidschan. Unterstützung erhält Kanzlerkandidatin Baerbock hingegen für ihre Ankündigung, das 2%-Ziel der NATO für Rüstungsausgaben nicht erfüllen zu wollen. Würde Deutschland dies tun, müsste es rund 67 Milliarden Euro für das Militär ausgeben – mehr als der russische Erzfeind.

Deutschland – ist die BDS-Bewegung antisemitisch?

Die Antisemitismusbeauftragten von Bund und Ländern haben die internationale Kampagne „Boykott, Divestment und Sanktionen“, die sich gegen die Besatzung des Westjordanlands, der Golanhöhen und Ost-Jerusalems und die Behandlung der Palästinenser richtet, als „zentralen Akteur des antiisraelischen Antisemitismus“ bezeichnet. Der religionspolitische Sprecher der FDP, Benjamin Strasser, begrüßte die Stellungnahme. Wie sich Palästinenser*innen gegen die Besatzung durch die israelische Regierung wehren dürfen, wenn nicht über gewaltfreie Aktionen gegen wirtschaftliche Interessen Israels, erwähnen die Antisemitismusbeauftragten freilich nicht. Dabei hat sogar Human Rights Watch, eine der US-amerikanischen und israelischen Außenpolitik nahe stehende Organisation, die Politik Israels als „Apartheid-Politik“ bezeichnet.

Die USA und der Militärputsch in Myanmar

Eins vorneweg, mit der Lage in Myanmar habe ich mich nicht wirklich ausführlich befasst. Von dem, was man so mitbekommt, putschte das Militär im Februar gegen die gewählte Präsidentin Aung San Suu Kyi, die wesentlich an der Kampagne gegen die muslimische Minderheit gegen die Rohingya beteiligt war. Seitdem kommt es in Myanmar zu Protesten gegen die Militärdiktatur, bei der wohl regelmäßig Zivilist*innen ermordet werden. Allerdings stützen sich die Berichte westlicher Medien dem Portal The Grayzone zu Folge wohl (fast) ausschließlich auf die Nachrichtenseite Myanmar Now sowie die Assistance Association for Political Prisoners (AAPP), die beide von der Washington und London aus finanziert werden. Das Interesse Washingtons an der Lage in Myanmar sieht Autor Kit Klarenberg in der Beteiligung Myanmars an der „One Belt One Road“ Initiative Pekings. Eine genaue Einschätzung der Lage ist schwierig, allerdings wissen wir aus Beispielen im Kosovo, in Libyen und in Syrien, dass von den USA finanzierte, angeblich unabhängige, Medienhäuser vor Ort oftmals verzerrte Bilder liefern, die im Anschluss eine militärische Intervention rechtfertigen, welche von Demonstrant*innen in Myanmar bereits gefordert wird.

USA – wenn alle nach einer Pfeife tanzen müssen

Die Regierungen der Präsidenten Trump und Biden gehen gerichtlich gegen Geschäftsleute aus Nord-Korea, China und Venezuela vor, die im Auftrag der jeweiligen Regierungen Sanktionen der USA zu umgehen versuchten. Alex Saab aus Venezuela, Mun Chol Myong aus Nord-Korea und Meng Wanzhou wurden von US-Behörden unter anderem der Geldwäsche bezichtigt und auf ausländischem Boden festgehalten, obwohl alle drei nicht über die US-amerikanische Staatsbürgerschaft verfügen. Die drei Geschäftsleute versuchten Sanktionen der USA gegen ihre Heimatländer zu umgehen. Unklar ist, mit welchem Recht Washington es sich anmaßt, Menschen aus anderen Ländern vor Gericht zu bringen, weil sie US-amerikanische Gesetze nicht befolgen.

Bolivien – die Mühlen des Rechtsstaates

Putschpräsidentin Añez wurde offiziell angeklagt, unter anderem wegen des Aufrufes Demonstrationen zu unterdrücken und der widerrechtlichen Aneignung von öffentlichen Mandaten. Die fanatische Christ-Extremistin befindet sich seit März in Untersuchungshaft. Untersuchungen haben zudem ergeben, dass die Putschregierung Medienhäuser mit öffentlichen Geldern bestach, damit diese vorteilhaft über die Regierung berichteten und die Ex-Regierung des rechtmäßigen Präsidenten Morales schlecht redeten.

Kolumbien – Umfragen

Der linke Politiker Gustavo Petro führt ein Jahr vor den Präsidentschaftswahlen mit 38,3% alle Umfragen an. Die Kandidatin der Regierungspartei, Marta Ramírez, kommt lediglich auf 11,8, die Ablehnung gegen Präsident Duque beträgt mittlerweile stolze 63,2%.

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