Was gibt´s? What´s going on? ¿Qué pasa?

Roundup 31. März 2021 Ein Überblick über Ereignisse in der deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Welt vom 26. März 2021. Interessantes, Empörendes oder Themen, die sonst zu kurz kommen.

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An dieser Stelle soll es in Zukunft (hoffentlich) täglich Updates aus dem deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Raum geben. Für Deutschland werde ich mich überwiegend auf außenpolitische Themen fokussieren, bei allen anderen Ländern beschäftige ich mich mit Themen, die ich für wichtig halte, über die ich bereits viel weiß oder die ich schlicht und ergreifend für interessant halte. Detaillierte Ausführungen findet ihr auf meiner Autorenseite des Freitag. Falls sich jemand dafür interessiert, diesen Roundup als Art Newsletter zu erhalten, kann er*sie mir gerne auf Twitter (@luke_tropic) eine Nachricht mit seiner*ihrer Mail-Adresse schreiben.

Deutschland

Juhu, auch deutsche Geheimdienste können Russiagate. Russische Hacker*innen haben europäische Politiker*innen im Visier und verbreiten Desinformation und Propaganda, so das Bundesamt für Verfassungsschutz und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. Auch die deutschen Wahlen sollen Ziel der vom russischen Geheimdienst ausgehenden Operationen sein. Garniert ist der Bericht deutscher Geheimdienste, die einen Neonazi nicht einmal dann erkennen würden, wenn das Horst-Wessel-Lied sein Handyklingelton wäre, mit Einschränkungen wie „könnte“, „sollen“, „soll“, „davon ausgehen“, „vermutet“, „mutmaßlich“, „würden“, „hätten“ und „allem Anschein nach“. Auch ein Hinweis auf den amerikanischen Bericht zu ausländischen Aktivitäten im US-Wahlkampf darf natürlich nicht fehlen. Was fehlen darf, ist die entscheidende Passage:

Eingebetteter Medieninhalt

Außenminister Heiko Maas fordert in einem Gastbeitrag für die Welt Gerechtigkeit für die Opfer des Syrien-Krieges und eine lückenlose Aufarbeitung der Verbrechen des syrischen Regimes. Das einzig Beachtenswerte am Artikel des SPD-Politikers sind seine Verweise auf die Berichte der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OVCW). Laut Außenminister lieferten diese unwiderlegbare Beweise für die Schuld der syrischen Regierung an Angriffen mit Chemiewaffen. Dass die OVCW gerade in einen handfesten Skandal verwickelt ist, in dessen Zuge herauskam, dass Mitarbeiter*innen, die vor Ort die Giftgasangriffe untersuchten, von der Leitung der Behörde zensiert wurden, scheint Heiko Maas nicht bekannt zu sein oder für nicht von Bedeutung zu halten. Was die übrigen Vorwürfe des deutschen Außenministers betrifft, so könnten diese eher ernst genommen werden, würde er sie konsequent und unabhängig vom „Bündnisstatus“ des betroffenen Landes aussprechen. Ziya Pir, ehemaliger Parlamentsabgeordneter der HDP, zeigt in diesem Artikel für Telepolis auf, dass Maas dies nicht tut, sobald es um die Türkei geht.

Der Transatlantikkoordinator (warum gibt es dieses Amt?) der Bundesregierung, Peter Beyer (CDU), fordert einen Aufschub für die Nord Stream 2 Pipeline. Diese gefährde den Neustart der transatlantischen Beziehungen, so Beyer. Indirekt weist er so der Bundesregierung, der er selbst angehört, die Schuld an der (angeblichen) Entfremdung während der Amtszeit von Donald Trump zu, hatte dieser doch vehementer als jeder andere einen Abbruch des Projekts gefordert – eine Aufforderung, der sich die Bundesregierung stets widersetzt hatte. Würde die Pipeline fertig gebaut und in Betrieb genommen, so fürchtet der CDU-Politiker einen Abbruch der Beziehungen zu den USA (hä?). Das Argument seiner eigenen Regierung, eine wirtschaftliche Isolierung, zusätzlich zur zunehmenden diplomatischen Isolierung, Russlands wäre weder im deutschen noch im europäischen Interesse, lässt Beyer nicht gelten.

Vereinigte Staaten

In den vergangenen Tagen habe ich an dieser Stelle immer wieder die Frage aufgeworfen, was denn genau die Unterschiede zwischen Biden/Harris/Blinken und ihren Vorgängermodellen Trump/Pence/Pompeo seien. Einen Unterschied liefert nun der neue Menschenrechtsbericht des US-Außenministerium, zu dem Anthony Blinken Stellung bezog. Der Außenminister sprach davon, dass auch „sein Land nicht fehlerfrei sei“. Gemeint hat er damit „die Auseinandersetzung mit tiefgreifenden Ungerechtigkeiten, einschließlich dem strukturellen Rassismus“, die eine Demokratie im Gegensatz zu einer Autokratie „nicht unter den Teppich“ kehren würde. Einer republikanischen Regierung wäre ein solcher Satz wohl kaum über die Lippen gegangen, allerdings handelt es sich auch hierbei um einen rein rhetorischen Unterschied. Nicht nur „linke Spinner*innen“ bestreiten mittlerweile, dass die USA überhaupt noch eine Demokratie sind, sondern auch der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter (Demokraten). (Carter sprach von einer „Oligarchie mit unbegrenzter politischer Korruption“, und das schon im Sommer 2015, also mitten während der zweiten Amtszeit Barack Obamas.) Interessant ist außerdem, dass die Außenpolitik der USA (völkerrechtswidrige Kriege, außergerichtliche Ermordungen, Aushungern von anderen Staaten via Sanktionen, Überwachung der gesamten Welt) vom dafür zuständigen Minister mit keinem Wort erwähnt wird. Ansonsten folgte die übliche Litanei über Staaten wie Russland, Syrien und Venezuela sowie Kritik an Verbündeten wie Saudi-Arabien oder Ägypten. Dass die Kritik an Verbündeten nicht mehr als ein reines Lippenbekenntnis darstellt zeigte sich in der Reaktion der Biden-Regierung auf einen US-Geheimdienstbericht, der den saudi-arabischen Kronprinzen bin Salman des Mordes an Jamaal Kashoggi beschuldigte. Konsequenzen gab es dafür keine. Last but not least widersprach Blinken direkt Analyst*innen aus dem eigenen Haus, als er China des Völkermordes an den Uiguren bezichtigte. (Sind das dann eigentlich auch Fake News?) Passend hierzu auch, dass die USA weiterhin die von Donald Trump und Konsort*innen in die Welt gesetzte Mutmaßung, das Coronavirus sei aus einem chinesischen Labor entwichen, als mögliche Theorie für den Ursprung der Pandemie anerkennen.

England

Die Tagesschau wundert sich, warum in Großbritannien niemand mehr über den Brexit spricht. Zwar wird in der Analyse der Korrespondentin Annette Dittert erwähnt, dass Johnson mit seinem Wahlkampfslogan „Get Brexit done“ mehr oder weniger versprochen hatte, das vielen Brit*innen leidige Thema ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen, im restliche Text drückt Dittert aber immer wieder ihre Verwunderung und ihr Entsetzen darüber aus, warum das so ist. Die Idee, dass der Brexit eher Symptom als Ursache einer tiefergehenden Krise ist, kommt ihr nicht in den Sinn, genauso wenig wie der Gedanke, dass es abseits der Titelseiten des Guardians größere Alltagssorgen als den Brexit gibt. Irritierend ist, dass Frau Dittert einer der größten Verbrecher*innen der postkolonialen Geschichte Großbritanniens, Margaret Thatcher, zugesteht, immerhin einen Plan gehabt zu haben. (Thatcher liefert sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit Tony Blair.) Dieser Plan führte zu vielen der Verwerfungen, die letztendlich im Brexit mündeten. Die Verwirrung löst sich dann allerdings auf, wenn man sich die Berichterstattung von Annette Dittert zu Jeremy Corbyn wieder ins Gedächtnis ruft, der angetreten war, die katastrophalen Folgen der vorherrschenden Politik der letzten 40 Jahre wieder rückgängig zu machen. Aber dieser antisemitische, antieuropäische (was ist das eigentlich genau?) und populistische linke Spinner war für sie dann letztendlich noch schlimmer als Cameron, May und Johnson.

Neuseeland

Jessica Ardern ist spätestens seit ihrer Reaktion auf das Massaker in einer Moschee im Jahr 2019 weltweit bekannt und geschätzt. Der Guardian berichtet nun, dass die Regierung von Premierministerin Ardern plant, den Mindestlohn sowie den Spitzensteuersatz des Landes anzuheben, um so die relativ hohe Ungleichheit im Pazifikstaat zu bekämpfen. Ergänzt wird dies durch den Hinweis der Regierung, man wolle so den Arbeiter*innen, die während der Pandemie in besonderer Weise gefährdet waren, unter die Arme greifen. Auf eine vergleichbare Initiative wartet man in Deutschland vergeblich, sind doch Mindestlohn- und Spitzensteuersatzerhöhungen für deutscher Arbeitgeber*innen ein blutrotes Tuch und erste Anzeichen für das Abrutschen eines Landes in eine kommunistische Schreckensherrschaft.

Honduras

Die gestern in Richtung USA aufgebrochenen Flüchtlinge konnten größtenteils die guatemaltekische Grenze nicht überqueren. Grund für die verstärkten Grenzkontrollen ist die Coronapandemie. Um von Honduras nach Guatemala zu gelangen, müssen die Migrant*innen einen negativen Corona-Test vorweisen, wozu viele der überwiegend armen Flüchtlinge nicht in der Lage sind.

Präsident Juan Orlando Hernández wurde in dessen offiziell der Komplizenschaft am Drogenschmuggel seines dafür verurteilten Bruders und ehemaligen Abgeordneten Tony Hernández bezichtigt. Dies gab die Staatsanwaltschaft des südlichen Bezirks von New York am Dienstag bekannt. Präsident Hernández, der die Vorwürfe abstreitet, wird beschuldigt, seinen Bruder geschützt zu haben. Die Verhandlungen zwischen Honduras und Washington über eine Kooperation in der Flüchtlingsfrage dürften dadurch nicht gerade erleichtert werden. Pikantes Detail: ohne den von den USA unterstützten Putsch gegen Manuel Zelaya im Jahr 2009 wäre Hernández wohl niemals Präsident geworden.

Venezuela

Die Gefechte im kolumbianisch-venezolanischen Grenzgebiet dauern weiter an. Vladimir Padrino, seines Zeichens venezolanischer Verteidigungsminister, beschuldigte die kolumbianische Regierung, die paramilitärischen Kämpfer*innen materiell zu unterstützen. Die Kombatant*innen würden zudem Minen einsetzen, die das Leben venezolanischer Zivilist*innen gefährden würden.

Unter dessen gab Präsident Nicolás Maduro bekannt, dass insgesamt zwölf Abkommen mit Russland in den Bereichen Gesundheit, Energie, Bildung, Lebensmittel und Sicherheit geschlossen wurden. Das von den USA und ihren Verbündeten zunehmend international isolierte südamerikanische Land wendet sich seit geraumer Zeit immer häufiger an Russland und China, um überlebendwichtige Güter zu erhalten, die der bolivarischen Republik auf Grund westlicher Sanktionen sonst verwehrt bleiben würden. Während Venezuela den russischen Impfstoff Sputnik V bereits kostenlos erhält, nimmt das Land nun auch an Testphase für ein zweites russisches Vakzin teil. Zusätzlich gab Außenminister Jorge Arreaza via Twitter bekannt, auch aus China Impfstoffen sowie weiteres medizinisches Equipment wie Tests, Masken und medizinische Schutzkleidung erhalten zu haben. Die Lieferung vom gestrigen Dienstag sei bereits Lieferung Nummer 12 aus der aufstrebenden asiatischen Weltmacht an das krisengeschüttelte Venezuela. Befürchtungen zahlreicher Expert*innen, Russland und China würden auf dem südamerikanischen Kontinent mehr und mehr Einfluss gewinnen, sind also nicht unbegründet, haben ihren Ursprung jedoch größtenteils in den Folgen der westlichen Politik gegenüber lateinamerikanischen Staaten wie Venezuela, aber auch Cuba, Nicaragua, Mexiko, Bolivien, Ecuador und Argentinien.

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