Was gibt´s? What´s going on? ¿Qué pasa?

Roundup 1. April 2021 Ein Überblick über Ereignisse in der deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Welt vom 25. März 2021. Interessantes, Empörendes oder Themen, die sonst zu kurz kommen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

An dieser Stelle soll es in Zukunft (hoffentlich) täglich Updates aus dem deutsch-, englisch- und spanischsprachigen Raum geben. Für Deutschland werde ich mich überwiegend auf außenpolitische Themen fokussieren, bei allen anderen Ländern beschäftige ich mich mit Themen, die ich für wichtig halte, über die ich bereits viel weiß oder die ich schlicht und ergreifend für interessant halte. Detaillierte Ausführungen findet ihr auf meiner Autorenseite des Freitag. Falls sich jemand dafür interessiert, diesen Roundup als Art Newsletter zu erhalten, kann er*sie mir gerne auf Twitter (@luke_tropic) eine Nachricht mit seiner*ihrer Mail-Adresse schreiben.

Österreich

Frage: gibt es derzeit eine konservative Partei in Europa, die nicht mit einem Korruptionsskandal zu kämpfen hat? Falls die Antwort ja lautet, so kann die österreichische Regierungspartei ÖVP nicht gemeint sein. Laut an die Öffentlichkeit gelangten Chatprotokollen haben Mitglieder der Regierung von Bundeskanzler Sebastian Kurz sich gegenseitig lukrative Posten in Unternehmen mit staatlicher Beteiligung zugeschoben. Möglich wurde dies, da Thomas Schmid, der die Aufsichtsbehörde für Unternehmen mit staatlicher Beteiligung leitete, sich seine eigene Jobbeschreibung erstellen konnte. Eine Frage an die Kommentatorin der Süddeutschen Zeitung, die den Skandal sonst sehr gut inhaltlich analysiert und in einen größeren Zusammenhang setzt, bleibt dennoch bestehen: warum wird Kurz immer noch als „Jungstar“ bezeichnet? Warum wirkt der Kommentar so, als ob es irgendeinen Anlass gegeben hätte, von Kurz etwas anderes als ein frisches Gesicht für ein uraltes System zu erwarten? Und warum wird seine ursprüngliche Regierungskoalition mit der rechten FPÖ als überraschend dargestellt, wusste man um Kurz´ politische Ideologie und deren Überschneidungen mit der der FPÖ doch spätestens seit 2015 Bescheid?

Vereinigte Staaten

Der Sudan befindet sich nicht mehr auf der Liste von staatlichen Sponsoren des Terrorismus der USA, nachdem die sudanesische Regierung 335 Millionen US-Dollar Entschädigung für Terroranschläge auf US-Ziele, die al Qaida von sudanesischem Boden aus geplant hatte, gezahlt hat. Pikantes Detail: neben der Zahlung von Entschädigung war eine weitere Bedingung für die Streichung eine Normalisierung der Beziehungen mit Israel. Weiter vertreten auf der Liste sind Kuba, Nordkorea, der Iran und Syrien.

Seit circa drei Jahren werden von der US-Regierung, ihren Verbündeten und von prestigeträchtigen Medienvertreter*innen Anschuldigungen gegen die chinesische Regierung erhoben, diese würde die muslimische Minderheit der Uiguren in der für das Land ökonomisch extrem wichtigen Region Xinjiang unterdrücken – und das ist noch die harmloseste Anschuldigung. Deutlich präsenter sind seit kurzem Vorwürfe, die chinesische Regierung würde einen Völkermord begehen. Allen Ankläger*innen ist gemeinsam, dass sie zugeben, ihre Behauptungen nicht von unabhängiger Stelle verifizieren zu können. Ich will an dieser Stelle nicht behaupten, dies zu können, und bin persönlich derselben Meinung wie Lyle Goldstein, China-Experte und Wissenschaftler am US Naval War College, der von Repressionen gegen die Uiguren spricht, Bezichtigungen des Völkermordes aber für eine Beleidigung der Opfer von Genoziden und deren Angehörigen hält. Wovon ich hingegen überzeugt bin ist, dass die vielerorts zitierten Expert*innen und angeblich unabhängigen Menschenrechtsorganisationen bestenfalls an einer Schwächung Chinas interessiert sind, schlimmstenfalls allerdings als rechtsextreme religiöse Fanatiker*innen aus ideologischen Gründen Sachverhalte übertrieben bis falsch darstellen, um den Bauplan eines neuen Kalten Krieges mit zu entwerfen. Siehe China-Experte Nr. 1 Adrian Zenz. Dazu passend ist ein neuer Bericht von The Grayzone, in dem Autor Ajit Singh über die Verbindungen der Uyghur American Association (UAA) zu rechtsextremen Politiker*innen und Organisationen berichtet. Die Einstellungen von Politikern wie Ted Yoho oder Jerry Boykin zu China (schuld am Coronavirus, der aus einem chinesischen Labor stammt) und Muslimen (keine Moscheen in Amerika), mit denen sich Mitglieder der UAA verbrüdern, werfen Fragen über ihre wahren Motive auf. Der virulente Hass besagter Mitglieder auf China wurde in den vergangenen Tagen deutlich, als einige UAA-Mitglieder eine Demonstration gegen anti-asiatischen Rassismus mit einem Autokorso unterbrachen und dabei Slogans wie „Wipe out China!“ und „Fuck China“ skandierten. Die Tatsache, dass führende Mitglieder der UAA sowie ihres Ablegers, des Uyghur Human Rights Project, Waffentraining von ehemaligen US-Soldat*innen und -Söldner*innen erhalten, von Instituten wie dem von der Regan-Regierung gegründeten National Endowment for Democracy (NED) mitfinanziert werden und sich selbst als Freiheitskämpfer*innen bezeichnen, hat nicht nur mich an die Mujahideen aus den 1970er und 1980er Jahren erinnert:

Eingebetteter Medieninhalt

2014 veröffentlichte der preisgekrönte Journalist Jeremy Scahill sein Buch Dirty Wars und den dazugehörigen gleichnamigen Film, in welchen er beschrieb, wie die US-Regierungen unter den Präsidenten George W. Bush und Barack Obama weltweit Kriege führten – sowohl „offizielle“ Kriege wie die in Afghanistan und im Irak, als auch verdeckte Operationen, meist mit Hilfe von unbemannten Kampfdrohnen oder Spezialkommandos, wie zum Beispiel in Somalia oder im Jemen. Im New York Times Bestseller führt der Autor aus, auf welcher rechtlichen und politischen Grundlage die Einsätze basieren, welche Folgen sie für die Menschen in den betroffenen Ländern haben, und erzählt eindrücklich die Geschichte des US-amerikanischen Staatsbürgers Anwar al-Awlaki, der genauso wie sein 16-jähriger Sohn ohne Gerichtsverhandlung, geschweige denn Gerichtsurteil, während der Amtszeit von Präsident Obama per Drohne getötet wurde. (Kürzlich an die Öffentlichkeit gelangte jemenitische Dokumente legen nahe, dass al Awlaki 2001 auf Druck der CIA hin aus dem Gefängnis freigelassen wurde.) Weiterhin veröffentlichte Scahill auf der von ihm mitgegründeten Plattform The Intercept regelmäßig Berichte über das Drohnenprogramm von Präsident Obama, inklusive der Serie The Drone Papers, in denen der Drohnenkrieg, bei dem sich Obama zu Ankläger, Richter und Henker zugleich machte, ausführlich erläutert wird. Scahills Arbeit stützte sich zu nicht unerheblichen Teile auf Dokumente, die ihm von einem Whistleblower zugespielt wurden. Das US-Justizministerium unter Donald Trump und nun unter Obamas Ex-Vizepräsident Biden haben nun den ehemaligen Soldaten der Joint Operations Task Force, Daniel Hale, unter dem Espionage Act angeklagt. Er wird, ähnlich wie Edward Snwoden, Chelsea Manning oder John Kiriakou, des Geheimnisverrats bezichtigt. Obwohl Hale sich in einem von fünf Anklagepunkten schuldig bekannte, scheint die Anklage weiterhin darauf aus zu sein, Hale für möglichst lange ins Gefängnis zu sperren. Der Prozess, der unter Ausschuss der Öffentlichkeit vor dem Gericht in West Virginia geführt wird, vor dem sich auch Julian Assange im Falle einer Auslieferung an die Vereinigten Staaten rechtfertigen müsste, endet voraussichtlich im Juli diesen Jahres. Beobachter*innen zeigen sich indes enttäuscht, dass das Justizministerium von Joe Biden auch weiterhin die Politik seiner beiden Vorgänger im Bezug auf Pressefreiheit verfolgt.

Neuseeland

2017 machte Jessica Ardern Wahlkampf mit dem Versprechen, alles dafür zu tun, die mentale Gesundheitskrise des Landes zu bewältigen. Ein neuer Bericht mit Daten aus den Jahren 2018 und 2019 zeigt jedoch, dass sich die Krise eher verschlimmert als verbessert hat – trotz laut Expert*innen und Kritiker*innen guter Absichten der Regierung, die ein millionenschweres Programm zur effektiveren Behandlung psychisch Kranker aufgelegt hatte. Kritik gab es außerdem an der mehrmals nach hinten verschobener Veröffentlichung des Berichts, die vom zuständigen Ministerium mit der anhaltenden Coronapandemie begründet wurde. Wie sich die Maßnahmen zur Bekämpfung eben jener Pandemie auf die mentale Gesundheit der Neuseeländer*innen auswirkt ist noch unbekannt, allerdings gibt es keinen Grund anzunehmen, sie würde sich deswegen verbessern. Unter anderem die Selbstmordrate von Jugendlichen, welche die höchste aller Industriestaaten ist, und die Benachteiligung der indigenen Maori sind auffällige Hinweise auf den Ernst der Lage.

Venezuela

Eine Zusammenfassung des von Nicolás Maduro vorgeschlagenen Öl-gegen-Impfstoff-Geschäfts findet sich hier. Öl-gegen-Impfstoff hört sich sehr nach Öl-gegen-Lebensmittel an – als letzteres wurden Versuche der irakischen Regierung von Saddam Hussein in den 90er Jahren bezeichnet, als mehr als eine halbe Million irakischer Kinder aufgrund von US-Sanktionen starb. Ein Preis, der für Ex-Außenministerin Madeleine Albright (Demokraten) offenbar in Ordnung war.

Bolivien

Die Putschistin Añez sitzt hinter Gittern – und ihre Unterstützer*innen in den USA, Europa und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) laufen Sturm. Dieser Artikel liefert eine kurze Zusammenfassung der Geschehnisse. Interessant ist der vom Podcast Chapo Trap House aufgestellte Vergleich zwischen dem (erfolgreichen) Putsch in Bolivien und dem Angriff auf das US-Kapitol in Washington im Januar, der oftmals als Putschversuch bezeichnet wird. Diese erfolglosen Putschist*innen stehen nun alle vor Gericht. Während versucht wird zu verhindern, dass die oftmals finanziell schwachen Anhänger*innen von Ex-Präsident Trump ihre Verteidigung via Crowdfunding finanzieren, wird also die gerichtliche Verfolgung erfolgreicher Putschist*innen, die zwei Jahre lang die Macht in Bolivien übernommen hatten und dabei zahllose Menschen ermordeten, vonseiten der USA kritisiert und verurteilt. Wenn man antidemokratische Rechtsextreme, die mit Erfolg eine demokratische Regierung stürzten, nicht vor Gericht stellen darf, wofür brauchen wir – oder besser gesagt: die Bolivianer*innen – dann überhaupt einen Staat?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden