1945: Abbruch des Tempels

Zeitgeschichte Nach der Shoah sind die jüdischen Lebenswelten in deutschen Großstädten unwiederbringlich verloren – im Berliner Scheunenviertel ebenso wie am Grindel in Hamburg
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 05/2020

Wird das jüdische Neujahrsfest Rosch ha-Schana als Tag des Göttlichen Gerichts gefeiert, dann auch deshalb, weil zu diesem Anlass die Bücher offen vor Gott liegen, in denen das Vermächtnis eines jeden Menschen festgehalten ist. Isaac Bashevis Singer, 1978 erster in Jiddisch schreibender Nobelpreisträger für Literatur, hat das zu einer Prophezeiung inspiriert, die Trost spendet und Verheißung sein will. Gibt es im Himmel dieses Archiv, das menschliches Leiden aufbewahrt, werde es eines Tages für alle Seelen geöffnet sein. Wird man dann alle wiedersehen, die vergessen, weil verschwunden, die verloren, weil vernichtet sind?

Welches Geschenk würde uns zuteil, träfe das auf die einstigen Bewohner des Hamburger Grindels zu. Was hätten si