1990: Das letzte Mal

Zeitgeschichte Die Abschiedssaison der DDR-Fußballoberliga droht an manchem Spieltag in Gewalt und Chaos unterzugehen. Stadien werden zu Nahkampfarenen. Einen Toten gibt es auch
Exklusiv für Abonnent:innen | Ausgabe 39/2020

Zu meinem ersten Mal kam es mit zwölf. Ich durfte endlich auf die Tribüne, um die Oberligaspiele meines Vereins, des Halleschen Fußballklubs Chemie (HFC), in der höchsten DDR-Spielklasse zu erleben, und mich dem Ansturm der Eindrücke ausliefern. Im Kurt-Wabbel-Stadion gab es fast nur Stehplätze, auf denen es stets eng war, derb und deftig sowieso. Inbrunst und Hingabe der Fans kitzelten die Sinne, ihre verdorbene Sprache, die Schmähungen, die obszönen Sprüche, die niemanden störten. Wenn die Heimmannschaft zur Vereinshymne auflief, ging das magentief und war so herzzerreißend, dass man sich aufzulösen glaubte. Während des Spiels lief ein HFC-Verteidiger über den Platz, der beherrschte, was im DDR-Fußball eher selten