Abbas leidet für Obama

Großer Kotau Obwohl die israelischen Siedler wieder bauen, hat der Palästinenser-Präsident die Verhandlungen nicht abgebrochen. Er muss an seinen wichtigsten Lobbyisten denken

Welchen palästinensischen Staat will Mahmud Abbas, wenn er weiter verhandelt, während die israelischen Siedler wieder bauen an ihren Camps, Niederlassungen und Häusern. Nicht etwa an seinem Staat. Sondern an der Verhinderung desselben. Sie tun es zielstrebig, demonstrativ und unbeirrbarer als je zuvor. Und sie bauen mit dem Segen von Benjamin Netanjahu, der vermutlich nie ernsthaft daran dachte, dass Moratorium zu verlängern und dadurch seine Rechts-Rechtsaußen-Koalition zu verlieren. Wer will daran zweifeln, dass er Mahmud Abbas darüber unmissverständlich ins Bild setzte? Und das gleich zum Auftakt des erneuten Verhandlungsversuchs am 2. September in Washington?

Theoretisch steht dem Palästinenser-Präsidenten nur eine Reaktion zur Verfügung, um den Affront der Siedler zu parieren. Es muss sich an seinen Regierungssitz zurückziehen und abwarten, wie es Yassir Arafat nach dem gescheiterten Camp-David-Gipfel im Sommer 2000 tat. Abbas würde damit das Gesicht wahren – und seinen Schirmherren im Weißen Haus – nein, nicht verlieren – aber beschädigen. Wäre es mit dem Verhandeln schon wieder vorbei, hieße der Versager Barack Obama. Dass sich Israelis und Palästinenser an einem Tisch gegenübersitzen, ist sein Verdienst. Und es ist sein Projekt. Er wollte vor den Kongresswahlen am 2. November neben dem Teilabzug aus dem Irak seinen Wählern, von denen er viele zu verlieren oder nicht zu erreichen droht, einen Erfolg vorweisen. Keinen überragenden, aber immerhin: Die Israelis bleiben in der Siedlungsfrage unerbittlich, so dass die Palästinenser zu recht brüskiert, aber eben nicht zur Blockade entschlossen sind. Wem sonst ist das zu verdanken als der Geduld und Zielstrebigkeit des Präsidenten der Vereinigten Staaten?

Wenn Mahmud Abbas dem israelischen Premier nicht die kalte Schulter zeigt, dann mutmaßlich nur deshalb, weil er seinen einflussreichsten Lobbyisten nicht einbüßen will und darf. Ihn beseelt die kleine oder große, möglicherweise trügerische Hoffnung, Obama möge nicht übermäßig beschädigt und geschwächt die Kongresswahlen am 2. November überstehen. Nur dann könnten Netanjahu doch noch Konzessionen abgerungen werden, die einen Friedensplan und einen Staat ermöglichen, der mehr ist als ein Witz – sprich: ein palästinensisches Homeland von Israels Gnaden. Eine Garantie dafür gibt es freilich nicht. Verbürgt und sicher sind nur die derzeitigen politischen Kräfteverhältnisse in den USA, die Mahmud Abbas zu einer Selbstverleugnung zwingen, die genau genommen unzumutbar ist. Er macht sich nach dem Motto – wir verhandeln, um zu verhandeln, und nicht, um durch Verhandlungen etwas zu erreichen – extrem erpressbar. Er bleibt den Israelis ausgeliefert, bis die unter dem Druck Obamas in der Siedlungs-, Staats-, Grenz-, Jerusalem- und Flüchtlingsfrage nachgeben müssen. Ob der US-Präsident allerdings jemals einen solchen Druck aufbauen will, ist zu bezweifeln. Noch mehr, ob er das überhaupt kann.

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