Abschied vom Frieden

Isarels Wahl Wenn das Weiße Haus eine Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern wirklich will, ist es egal, ob künftig Livni oder Netanyahu regieren

Den Rechtsruck in Israel gab es bereits vor dieser Knessetwahl, deshalb blieb Benjamin Netanyahu mit seiner Likud-Partei der große Durchmarsch verwehrt, deshalb kam auch Avigdor Lieberman mit seiner Partei Jisra'el Beitenu nicht auf die prophezeiten 20, sondern nur 15 Mandate. Zipi Livni aber konnte für ihre Kadima-Partei die politische Ernte des militärischen Ausfallschritts nach Gaza einfahren. Warum sonst gab es nach den schlechten Umfragewerten vom November und Dezember gestern dieses passable Resultat?

Es ist einfach eine Verkennung der Tatsachen, wenn Zipi Livni als Politikerin geführt wird, die sich für eine Zwei-Staaten-Lösung und eine Unabhängigkeit der Palästinenser einsetzt. Livni hat dazu stets eine Voraussetzung zur Conditio sine qua none erklärt. Und die lautet: Die Hamas bleibt ausgeklammert. Wer dies zur Vorbedingung macht, wird nicht nur, der will scheitern. In völliger Ignoranz der innerpalästinensischen Realitäten verhandeln zu wollen, das hat mit Realpolitik nichts zu tun. Insofern unterscheiden sich Livni und Netanyahu wirklich nur in ihrer Rhetorik, nicht in der Programmatik. Der entscheidende Grund dafür, dass sich Netanyahu bei dieser Knessetwahl nicht als großer Triumphator durchsetzen konnte: Er redet zwar von einer "härteren Gangart" gegenüber den Palästinensern, aber Livni hat die härteste Gangart, die man sich vorstellen kann, schon praktiziert. Sie hat die Armee in den Krieg gegen die Palästinenser geschickt – noch keine zwei Monate ist das her.

Der Gaza-Krieg bot Anschauungsunterricht zuhauf, wie die physische Vernichtung bereits zu den Umgangsformen gehört, die israelische Politiker und Militärs für zumutbar halten. Worin sollte die Steigerung der Operation Gegossenes Blei bestehen? Dass es 5.000 Tote nach drei Wochen Beschuss und Bombardierung gibt – und nicht 1.400 wie jetzt?

Netanyahu kann selbstverständlich, sollte er der künftige Regierungschef sein, erneut eigenes Militär in den Gaza-Streifen schicken und zu einem solchen Terror ausholen, dass Hamas in die totale Kapitulation getrieben wird. Wie in diesem Fall die arabische Welt ringsherum reagiert, kann sich jeder mühelos vorstellen. Die Vorboten einer fortschreitenden Radikalisierung im Zeichen eines militanten Islam, die allzu US-hörigen Regimes in Ägypten oder Jordanien gefährlich werden kann, waren während des Gaza-Krieges im Januar zu besichtigen.

Die neue US-Regierung kann sich nun allerdings im Umgang in den arabischen Völkern nichts weniger wünschen als einen Tanz auf dem Vulkan. Will Barack Obama in Afghanistan die Taliban besiegen und mit dem Iran einen Modus vivendi zwischen Koexistenz und Konfrontation finden, will er darüber hinaus die inzwischen äußerst israelkritische Türkei nicht an die Abteilung "unsicherer Kantonist" verlieren, müsste er Netanyahu Zügel anlegen. Vielleicht fällt das einem Politiker, der nicht mehr beweisen muss, ein Hardliner zu sein, leichter als einer Zipi Livni, die sich allzu forscher Fernsteuerung aus Washington erwehren müsste, um nicht als Kapitulantin in Verruf zu geraten. Soviel jedenfalls scheint sicher: Wenn das Weiße Haus eine Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern wirklich will, ist es egal, ob Livni oder Netanyahu regieren. Dann wird selbst Avigdor Lieberman begreifen, was die Stunde geschlagen hat.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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