Am Ticketschalter

Bundeswehr Ursula von der Leyen bietet der OSZE-Beobachter-Mission in der Ostukraine militärische Flankierung an. Das Ganze liefe auf NATO-Präsenz in einer Kampfzone hinaus
Ausgabe 41/2014
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen

Foto: Jens-Ulrich Koch / AFP / Getty Images

Was prädestiniert Deutschland und Frankreich, eine OSZE-Mission an der Waffenstillstandslinie in der Ostukraine militärisch zu eskortieren, wie das Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen anregt? Beide Staaten fallen seit Ausbruch der Ukraine-Krise nicht durch Neutralität auf. Die aber braucht es, um von allen Konfliktparteien respektiert zu werden. Und dazu zählen nicht nur die Regierungen in Kiew und Moskau.

Nur dem Anschein nach überparteilich agierten die Außenminister Laurent Fabius und Frank-Walter Steinmeier, als sie am 21. Februar in Kiew ein Übergangsabkommen zwischen Präsident Viktor Janukowytsch und der Opposition aushandelten. Es hatte keine 24 Stunden Bestand. Teile des Maidan wollten den Präsidentensitz stürmen, was den Hausherren in die Flucht trieb. Wer nun glaubte, die Schirmherren des gerade unterschriebenen Agreements fühlten sich überfahren, der irrte. Es gab keinen Protest. Nicht einmal verhaltene Kritik am putschartigen Machtwechsel. Das ließ den Verdacht keimen, Verhandlungen und Vertrag waren eine Finte. Als Empfehlung für ein Mandat im Donbass taugt das kaum. Wer gezeigt hat, im Ukraine-Konflikt Partei zu sein, kann schwerlich einer auf Überparteilichkeit bedachten OSZE zur Hand gehen. Handelt es sich auch noch um NATO-Länder, dann erst recht nicht. Es wird sich unter den 57 OSZE-Staaten doch das eine oder andere Mitglied finden, das dem Frieden in der Ukraine dienen kann, ohne derart vorbelastet zu sein wie Frankreich und Deutschland.

Natürlich sind von der Leyen diese Konditionen für einen möglichen 19. Auslandseinsatz der Bundeswehr bekannt. Sie werden nicht ignoriert, sondern bewusst ins Kalkül gezogen. Es geht um Militärpräsenz in der Ukraine, weil das den Bündnisambitionen der Poroschenko-Regierung entgegenkommt, die den Anspruch auf NATO-Mitgliedschaft geradezu als Naturrecht betrachtet. Der am 1. Oktober aus dem Amt geschiedene NATO-Generalsekretär Fogh Rasmussen sprach ständig von Verpflichtungen der Allianz gegenüber diesem Partner im Osten Europas.

In diesem strategischen Koordinatensystem ist unterwegs, wer eine OSZE-Mission in eine NATO-OSZE-Aktion überführen will. Sie gilt einer Region, die so schnell nicht befriedet sein wird. Folglich können aus Beobachtern Beteiligte, aus Kontrolleuren Kombattanten werden.

Auch wenn das in den deutschen Medien weitgehend ausgeblendet wird: In der Ostukraine steht nicht nur die ukrainische Armee. Es kämpfen dort Freiwilligenverbände wie das Bataillon Asow, das ausländische Freischärler wie ukrainische Nationalisten rekrutiert, die für Provokationen gut sind. Auch auf Seiten der Volksrepubliken Donezk und Lugansk sind Abenteurer in Uniform keine Ausnahme. Angriffe auf die OSZE und deren Begleitschutz sind jederzeit denkbar. Sie können eine Eskalationsdynamik auslösen, die von Waffenruhe nicht viel übrig lässt und zu Opfern unter den ausländischen Militärs führt.

Was dann? Haben sich Berlin, Paris und das westliche Bündnis in diesem Fall einen Beförderungsschein in die Ukraine ausgestellt? Und Frau von der Leyen darf sagen, ich saß am Ticketschalter und habe Deutschland in die Champions League der Weltpolitik geführt.

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