Andrij Melnyk teilt munter aus

Affront Stets um massiven Einfluss auf die deutsche Politik bemüht, hat sich der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk diesmal Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vorgeknöpft
Andrij Melnyk, ukrainischer Botschafter in Deutschland
Andrij Melnyk, ukrainischer Botschafter in Deutschland

Foto: Christian Spicker/Imago

Unbemerkt, aber wirksam ist die Bundesregierung um ein Ressort aufgestockt worden. Sie verfügt inzwischen über ein Propaganda-Ministerium, das der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk führt. Dessen Richtlinienkompetenz steht der des Bundeskanzlers in kaum etwas nach. Auch vom Dresscode her demonstriert Melnyk das Hineinfinden in diesen Job. Auftritte in der ARD werden im bayerischen Trachten-Jackett bestritten, das zur Zierde gereicht und wie angegossen sitzt.

Keine Gefangenen

Dabei hat dieser Mann längst jedes Maß verloren. Wegen des Verstoßes gegen diplomatische Regeln, wozu Zurückhaltung und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten des Gastlandes zählen, gehört er ermahnt, wenn nicht ausgewiesen. Stattdessen darf sich Melnyk eine Entgleisung nach der anderen leisten und dem Credo folgen: In meiner Rhetorik mache ich keine Gefangenen. Ich treibe vor mir her, wen ich will, und bleibe Euch nichts schuldig.

Als der Hallesche Politikwissenschaftler Johannes Varwick dazu aufforderte, bei aller Verurteilung Russlands auch über den Tag hinauszudenken, nannte ihn Melnyk ein „echtes Arschloch“. Dem Linken-Politiker Fabio de Masi beschied er „die rote Klappe“ zu halten, weil der sich erdreistet hatte, auf den nazistischen Hintergrund des in Mariupol stehenden Asow-Regiments hinzuweisen. Wenn Kanzler Olaf Scholz den Bezug von Erdgas aus Russland nicht unterbricht, rammt er damit „das Messer in den Rücken der Ukraine“, befindet Melnyk.

Dem Schokoladenhersteller von „Ritter Sport“ empfiehlt er sich als Werbetexter und dichtet dessen Slogan „Quadratisch, praktisch“ in „Quadratisch, praktisch, blutig“ um, weil das schwäbische Unternehmen weiter Schokolade nach Russland liefert. Man stelle sich vor, was Sergej Netschajew, Russlands Botschafter in Berlin, blühen würde, sollte er mit ähnlicher Dichtkunst deutsche Rüstungsfirmen behelligen wegen ihres Versandhandels Richtung Ukraine.

Schlinge um Schlinge

Es war nur eine Frage der Zeit, dass sich Melnyk auch den Bundespräsidenten vorknöpft, der doch direkt nach seiner Wiederwahl am 13. Februar von der „Schlinge“ gesprochen hatte, die Präsident Putin „um den Hals der Ukraine“ legt. Nun zieht Melnyk an seiner Schlinge, die er um den Hals von Frank-Walter Steinmeier wirft. In einem Zeitungsinterview vom Wochenende ist vom „heiligen Verhältnis“ zu Moskau die Rede, das Steinmeier pflege. Wörtlich heißt es: „Steinmeier hat seit Jahrzehnten ein Spinnennetz der Kontakte mit Russland geknüpft. Darin sind viele Leute verwickelt, die jetzt in der Ampel das Sagen haben.“ Direkt genannt werden der außenpolitische Berater im Kanzleramt, Jens Plötner, und Andreas Michaelis, Staatssekretär im Auswärtigen Amt.

Was müsste die Dienstherrin von Michaelis jetzt tun, wenn sie auf eine „regelbasierte“ Außenpolitik doch soviel Wert legt? In Artikel 41 des Wiener Übereinkommens vom 18. April 1961 über diplomatische Beziehungen heißt es über akkreditierte Diplomaten, sie seien „verpflichtet, Gesetze und andere Rechtsvorschriften des Empfangsstaats zu beachten. Sie sind ferner verpflichtet, sich nicht in dessen innere Angelegenheiten einzumischen“,

Sollte Annalena Baerbock Melnyk ins Auswärtige Amt einbestellen, würde sie sich einen von diesem Meinungsführer orchestrierten medialen Aufschrei einhandeln. Wer Souveränität in dieser Hinsicht einmal verspielt, hat sie eben auf lange Sicht verloren. Das kann in dieser Zeit soweit gehen, dass davon die Interessen des eigenen Landes bedroht sind, wenn es darum geht, sich nicht noch mehr in diesen Krieg hineinziehen zu lassen.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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