Die Arabische Liga denkt an eine Syrien-Mission, die sich nicht darin erschöpft, Beobachter zu entsenden, sondern Kombattanten zu trennen und Frieden zu stiften, sofern die UNO beteiligt wäre – ob durch Mandat des Sicherheitsrates oder nicht, lässt Generalsekretär Nabil al-Arabi offen. Doch dürfte eine Waffenruhe ohne militärischen Einsatz kaum durchsetzbar sein. Zumal die Regierung Assad bereits von einem Eingriff in die nationale Souveränität gewarnt hat, während der britische Außenminister Hague erklärt, er könne sich „keine westlichen Truppen in Syrien vorstellen“. Bliebe die Frage: Wer sollte Soldaten stellen? Die Nachbarstaaten Syriens kommen mit Sicherheit nicht in Betracht – sie sind bereits involviert, sei es durch politische Allianzen und Interessen, durch die Aufnahme von Flüchtlingen oder Basen für die Freie Syrische Armee.
Türkei – nie wieder mit Assad
Kein Land in der Region hat mit solchem Nachdruck und zu einem derart frühen Zeitpunkt (im August 2011) mit Damaskus wegen der Gewalteskalation gebrochen wie die Türkei. Einst betrachtete die Regierung von Premier Erdogan das Nachbarland, mit dem eine 900 Kilometer lange, gemeinsame Grenze besteht, als Vorzugsadresse im Nahen Osten. Handel mit Syrien sollte der Türkei das Tor zum arabischen Wirtschaftsraum aufstoßen. Inzwischen gilt der Schulterschluss mit der Anti-Assad-Front als Vehikel, dort Fuß zu fassen. Im türkischen Grenzgebiet liegen die Rekrutierungsbasen der Freien Syrischen Armee (FSA) sowie Flüchtlingscamps für Bürgerkriegsopfer aus Syrien. Wenn ein NATO-Staat mit der Arabischen Liga eine militärisch gerüstete Beobachter- oder Friedensmission in Marsch setzen sollte – dann die Türkei. Derzeit leidet das Image des Syrien-Befreiers freilich unter dem Verdacht, Mitglieder des türkischen Geheimdienstes MIT könnten mit Oberstleutnant Hussein Harmusch einen der FSA-Gründer an Damaskus ausgeliefert und ein Kopfgeld kassiert haben.
Irak – schiitische Verwandtschaft
Die schiitisch geprägte Regierung des Premiers Nuri al-Maliki achtet in der Arabischen Liga auf Abstand zur harten Syrien-Linie Katars wie Saudi-Arabiens und versucht zu vermitteln. Bisher ohne Erfolg. Auf jeden Fall wehrt sich Bagdad gegen eine Intervention von außen und hat sich im November 2011 Wirtschaftssanktionen der Liga gegen Syrien verweigert. Indirekt wird damit auch die iranische Position zum Syrien-Konflikt reflektiert. Mehr denn je bürgt das Verhältnis zwischen Damaskus und Teheran für eine strategische Partnerschaft, mit der sich die Islamische Republik einer Hegemonie der sunnitischen Golfmonarchien in der Arabischen Welt widersetzt. Ohne Syrien wäre Iran in der Konfrontation mit den USA, Israel und der EU auf sich allein gestellt. Von daher klingen Berichte glaubwürdig, wonach der Kommandeur der iranischen Revolutionsgarden, General Quassem Suleimani, in Damaskus den War Room zusammen mit Präsident Assad und dessen Bruder Maher bevölkert. Für Teheran ist jedoch nicht der Assad-Clan an sich, sondern ein Regime in Damaskus wünschenswert, das dem Perserstaat verbunden bleibt. Auch die (schiitische) irakische Führung dürfte ähnlich denken. Sollte Syrien als Alliierter des Iran ver-loren gehen, müsste man selbst mit einer noch innigeren Umarmung durch das benachbarte (schiitische) Mullah-Regime rechnen. Der sunnitische Widerstand im Irak dürfte dem nicht tatenlos zusehen.
Jordanien – Transit für al-Qaida
König Abdullah II.spricht dem Assad-Regime inzwischen jede Existenzberechtigung ab, stützt sich dabei auf die konfessionell recht homogene sunnitische Mehrheit im eigenen Land und erfüllt die Erwartungen der Golfmonarchien. Jordanien ist ökonomisch zu ausgelaugt, um deren Wirtschaftshilfe ausschlagen zu können. Die gibt es zwar seit den frühen siebziger Jahren, als Abdullahs Vater – der damalige König Hussein – mit einem Militärschlag („Schwarzer September“ 1970) die Präsenz der PLO-Basen in Amman beendete und Yassir Arafats Gefolgschaft zum Ausweichen nach Beirut zwang – doch kann Jordanien nun mit einer Aufnahme in den Golf-Kooperationsrat rechnen. König Abdullah nimmt in Kauf, dass sein Land zur Drehscheibe für Al-Qaida-Gruppen wird, die in Syrien einsickern und gegen die Assad-Armee kämpfen. Von einem radikalen Machtwechsel in Damaskus würde mit einiger Sicherheit die islamistische Opposition in Jordanien profitieren, der Abdullah Reformen versprach, aber bisher schuldig geblieben ist. Auch Jordanien winke dann ein „Arabischer Frühling“ nach ägyptischem Muster.
Israel – der gestundete Krieg
Solange die syrischen Golan- Höhen von den Israelis annektiert bleiben – und sie sind es seit 1981 – herrscht zwischen beiden Staaten der Status quo einer eingefrorenen Konfrontation. Es handelt sich um einen durch nichts zu kompensierenden Gebietsverlust, den Syrien seit nunmehr fast 45 Jahren, seit dem Sechs- Tage-Krieg von 1967, hinnehmen muss. Es fehlte Bashar al-Assad seit seinem Amtsantritt Mitte 2000 nicht an politischem Willen, wohl aber an militärischem Potenzial wie an internationalem Rückhalt, dies zu ändern. Mit den Israelis über eine Rückgabe verhandelt wurde zuletzt 2008 – in indirekten Gesprächen dank des Vermittlers Türkei, doch ohne Ergebnis. Bei einem Regime Change in Damaskus, der im Extremfall die Muslim-Brüder aus Hama und Homs an die Macht katapultiert, kann Israel nur darauf hoffen, dass Saudi-Arabien und Katar als Steigbügelhalter eines solchen Aufstiegs um einen mäßigenden Einfluss nicht verlegen sind.
Libanon – Allah liebt die Hisbollah
Die Zedern-Republik lebt seit jeher in einer Art Schicksalsgemeinschaft mit dem Nachbarn Syrien. Es galt in Damaskus jahrzehntelang als Innenpolitik, über das Engagement im Libanon zu entscheiden. Syrische Truppen intervenierten bereits in einer frühen Phase des libanesischen Bürgerkrieges (1975 – 1990), um der damals noch im Beiruter Exil ausharrenden PLO Yassir Arafats Handlungsspielraum zu nehmen, aber auch um den Mythos eines großsyrischen Staates zu bedienen, der einem Präsidenten wie Hafez al-Assad (dem Vater Bashars) am Herzen lag. Erst 2005 zogen sich die letzten syrischen Kontingente zurück, als nach dem tödlichen Attentat auf den libanesischen Premier Hariri das Verhältnis zwischen Beirut und Damaskus extrem gespannt war. Heute steht die schiitische Hisbollah, die im Libanon ein Machtpatt mit den christlichen und sunnitischen Parteien hält, zu Bashar al-Assad. Dessen Staat war stets eine Brücke zu dem mit der Hisbollah verbündeten Iran. Texte: Lutz Herden
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