Alexis Tsipras sucht Bündnispartner und kann das im eigenen Lager nur mit begrenzter Aussicht auf Erfolg tun. Zwar zeigt sich die sozialdemokratische Demokratische Linke (Dimar) interessiert und möglicherweise zur Koalition bereit, doch reichen ihre 19 Mandate bei weitem nicht, um im Parlament zusammen mit SYRIZA auch nur in die Nähe einer Mehrheit zu kommen. Die Mission von Tsipras erschiene weniger hoffnungslos, würde er bei einem fast natürlichen Alliierten nicht auf Granit beißen. Doch für die Kommunistische Partei (KKE) käme es Verrat an ihren Wählern und sich selbst gleich, wollte sie einem Kabinett näher träten, das nicht alles tut, Griechenland aus der EU und der Eurozone zu hieven.
Die KKE bleibt sich treu
Dabei ist es nicht allein dieser gravierende programmatische Dissens, der KKE und SYRIZA voneinander scheidet. Auch die Zeit seit 1990 fällt als psychologischer Ballast ins Gewicht. Seinerzeit ließen Erosion und Absturz des Ostblocks die KKE nicht ungeschoren. Eine Fraktion der Erneuerer in der Partei hielt den Marxismus-Leninismus als ideologische Plattform für nicht länger zeitgemäß und kehrte der Partei den Rücken. In den achtziger Jahren hatte sich die KKE unter ihrem damaligen Generalsekretär Harilaos Florakis (im Amt 1972 bis 1989) nicht ins eurokommunistisches Fahrwasser der französischen, spanischen und italienischen Kommunisten begeben. Die Partei galt als Moskau-treu, später Gorbatschow-skeptisch, und betrachtete den Sozialismus unverdrossen als die allein erstrebenswerte Perspektive für Griechenland. Die KKE-Dissidenten hingegen, darunter Alexis Tsipras, suchten ihr Heil ab Juni 1992 in der „Koalition der Linken, der Bewegungen und der Ökologie“ – kurz Synaspismos, die Reformkommunisten, Sozialisten und Grüne vereinte. Ab 2007/2008 ging diese Koalition schließlich Schritt für Schritt im Bündnis SYRIZA auf. Nie gab es in diesen Jahren eine erklärte Feindschaft zur KKE oder aufgeheizte ideologische Rivalität, doch blieb stets eine unüberbrückbare politische Kluft: Die Kommunisten konnten und wollten sich nie dazu durchringen, mit ihrer Tradition zu brechen und dem Marxismus abschwören. Eine Frage der Ehre, des Selbstverständnisses und der Treue zur eigenen Geschichte.
Raus aus der EU
Immerhin ist die 1918 gegründet KKE die mit Abstand älteste Partei des Landes. Sie führte die Résistance der Patrioten während der deutschen Besatzung zwischen 1941 und 1944, brachte die größten Opfer und fühlte sich nach der Befreiung legitimiert, das Land zu regieren. Verhindert hat das ein blutiger Bürgerkrieg zwischen 1947 und 1949, in den sich Großbritannien und die USA ungerührt einmischten.
Im Augenblick spürt die KKE einen wachsenden Einflusses in der Gesellschaft. Ihr Ergebnis bei der Wahl am 6. Mai liegt mit 8,5 Prozent erkennbar, wenn auch nicht deutlich über dem Resultat von 2009, als die Partei auf 7,6 Prozent der Stimmen kam. Die beiden Parteiführerinnen, Generalsekretärin Aleka Papariga und die Journalistin Liana Kanelli, sind in der Arbeiterschaft, unter Studenten und linken Intellektuellen populär. Schon vor der Finanzmisere wandte sich die KKE gegen ein privatisiertes Bildungswesens und den Verzicht auf einen Staatssektor in der Wirtschaft. Bei einem Regierungseintritt müsste sie freilich über ihren Schatten springen. Die Führung der KKE ist davon überzeugt – und Generalsekretärin Papariga betont das bei jeder sich bietenden Gelegenheit –, die von der EU oktroyierte soziale Deklassierung der griechischen Bevölkerung lässt sich nur beenden, wenn das Land aus dem Währungsverbund austritt und mit der Drachme wieder zu wirtschaftlicher Souveränität zurückfindet. Dabei hätte der Staat eine Schlüsselstellung einzunehmen – nach Auffassung der KKE gibt es zu einer staatlichen Dominanz in der Wirtschaft keine vernünftige Alternative.
Die KKE folgt dem Credo: Es ist möglich, mit SYRIZA eine starke Opposition zu bilden. Es ist ausgeschlossen, mit SYRIZA in eine Regierung zu gehen, die sich der EU nicht kategorisch verweigert.
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