Riad, Tel Aviv, Jerusalem, Ramallah, Rom, Vatikan, Brüssel, Taormina – Donald Trump hat es sich nach diesem Trip verdient, ernst genommen zu werden wie der Pauker im Sinfonieorchester. Er räumt mit einer Welt auf, in der die bündnispolitische Norm noch etwas galt, und ersetzt sie durch einen Planeten der Zweckallianzen. Die bieten sich an, wenn das die nationalen Interessen nahelegen, und unterbleiben, wenn diese das verbieten. Donald Trump hat im Nahen Osten wie in Europa mit teils brüskierendem, teils theatralischem Starrsinn vorgeführt, wie nationaler Hochmut funktioniert und dabei den beabsichtigten innenpolitischen Effekt nie aus den Augen verloren.
Die deutsche Kanzlerin lässt sich daraufhin zu der Erkenntnis verleiten, dass die USA wohl kein verl&
dass die USA wohl kein verlässlicher Partner mehr seien. Wie nennt man das? Abschwören? Der Macht der Umstände Tribut zollen?Auf der KippeAusgerechnet die Trägerin der US-Freiheitsmedaille muss Götzen stürzen, die sie eben noch angebetet hat. Das rüttelt an außenpolitischen Grundfesten – oder besser: Geschäftsgrundlagen – der Bundesrepublik Deutschland. Um einen Vergleich zu wagen: Es ist so, als würde Merkel nach schwerem Zerwürfnis mit Emmanuel Macron der deutsch-französischen Partnerschaft die Verlässlichkeit, was ja ein Synonym für Berechenbarkeit ist, aufkündigen. Seit der amerikanischen Luftbrücke für die Westsektoren Berlins 1947/48 galt für den Westen Deutschlands die Bindung an die USA – die Schutzmacht und Bündnisobrigkeit – als genetischer Code eines westlichen Daseins. Das in Frage zu stellen, kommt nicht gleich einem Epochenbruch gleich, lässt aber auf eine krisenhafte Zuspitzung schließen, bei der ein Bündnissystem auf dem Kippe steht.Offenkundig war es eine illusionäre Erwartung, dass die USA unter Präsident Trump weiterhin der Partner sein werden, mit der Allianzen möglich sind, die sich auf gemeinsame Werte berufen und ähnliche oder identische Interessen meinen. Eine konfrontative Paranoia hat zumindest Teile der derzeitigen US-Administration ergriffen, wenn sie ihr America-First-Credo in eine Diplomatie übersetzt, die sich durchsetzt, statt kompromisslerisch zu sein. G7 sind obsoletEs war sträflicher Leichtsinn, darauf so schlecht vorbereitet zu sein, wie sich das beim NATO-Treffen in Brüssel und dem G7-Gipfel auf Sizilien gezeigt hat. Wenn Trump den europäischen NATO-Alliierten eine verhängnisvolle Aufrüstung diktiert, geloben sie Vollzug, weil sie befürchten müssen, dass ihnen sonst die ganze Allianz, besonders deren Russland-Politik, um die Ohren fliegt. Wenn die US-Delegation in Taormina in der Flüchtlingspolitik mauert, können die dort präsenten EU-Staaten dem nichts entgegensetzen, weil die EU auf diesem Feld selbst heillos zerstritten ist. Beim massiven Dissens in der Klimapolitik wird erkennbar, wie sehr sich das Format der G7 überlebt hat. Bestenfalls ein G20-Treffen hätte den USA plausibel machen können, wie sehr sie sich zu isolieren drohen. Denn Staaten wie China, Indien, Südafrika oder Brasilien stehen bisher vorbehaltlos zum Pariser Klimaabkommen, weil ihnen die eigenen Bedürfnisse, etwa eine fortgesetzte Bewohnbarkeit ihrer Megastädte, keine andere Wahl lassen.Mehr Phantom als RealitätWenn Angela Merkel nun plötzlich wie ein Versprechen der Rettung Europa aus der Versenkung holt, um den USA Paroli zu bieten oder gar mit Gegenmacht zu drohen, wirkt das eher demonstrativ und wenig aussichtsreich. Das vereinte Europa ist ein Phantom, keine Realität. Allein die osteuropäischen NATO-Staaten werden zweimal und länger überlegen, ob sie sich für eine Anti-Trump-Phalanx vereinnahmen lassen. Sie sind bei einem gespannten Verhältnis zu Russland auf Wohlwollen und Beistand der USA angewiesen. Sollten die auf einen anderen Umgang mit Moskau – und dafür spricht einiges – bedacht sein, wird das nicht ohne Folgen für die Aufmarschobsessionen an der Ostflanke der NATO wie die Russland-Sanktionen bleiben. Insofern scheint es angebracht, Donald Trump nicht als Merkel-Sympathisant in die Parade zu fahren, weil der sehr ungnädig reagieren könnte. Was sich mit den USA gerade abspielt, geht nicht allein auf die aktuelle US-Regierung zurück. Mit Donald Trump wird beschleunigt, zugespitzt, auch ausgekostet, was sich lange schon abzeichnet. In einer Welt so vieler parallel stattfindender, nicht mehr einzudämmender, kriegerisch ausgetragener Konflikte verlieren überlieferte Partnerschaften an Bedeutung. Sie werden durch Zweckallianzen ersetzt, die sich auf ein Ziel konzentrieren und temporärer Natur sind. Russland, der Iran und die Türkei versuchen sich gerade als Zweckalliierte des Syrien-Krieges. Enormer VorteilFür diese neue Unübersichtlichkeit ist Donald Trump ein durchaus adäquater Politikertyp, der nicht wenig von der politischen Kultur in den USA profitiert. Wenn er sich in Szene setzt, bedient er sie. Auf diese Weise kann Trump viele Misslichkeiten, die sich aus seiner Sicht für die Vereinigten Staaten im internationalen Ranking ergeben, auf die einfache Formel bringen: Die Staaten, die wir für Partner oder Verbündete halten, sind erst einmal unsere Konkurrenten, bei denen wir nicht zu viel tolerieren dürfen. Auch ohne Kriege sind wir stark genug, uns gegen sie durchzusetzen. Es handelt sich nur um Partner, die auf uns angewiesen sind – keine Gegner, die damit rechnen, es mit uns aufnehmen zu müssen. Das ist unser Vorteil. Und ihr könnt euch darauf verlassen, dass ich den maximal ausreize.