Traditionelle Promiskuität und Prostitution", so lautet der Grundtenor der südafrikanischen Presse, seien vorrangig verantwortlich für den "Massentod auf dem schwarzen Kontinent". Die Aussage bezieht sich nicht auf homosexuelle Promiskuität, sondern die des durchschnittlichen Schwarzafrikaners. Sie steht im Blickpunkt der afrikanischen Aids-Apokalypse, aber auch vieler Mythen: Doch scheint bei der Zahl von inzwischen 25,3 Millionen Infizierten Skepsis angebracht. Es häufen sich Indizien für völlig willkürliche Situationsanalysen und eine höchst beliebige Interpretation vorhandenen Zahlenmaterials.
Die meisten Aids-Diagnosen in Afrika schließen nachweislich keinen HIV-Test ein, sondern stützen sich auf eine WHO-Definition, die traditionell ermittelte Indikationen wie auffallenden Gewichtsverlust, chronischen Durchfall und anhaltendes Fieber zulässt. Die kürzlich in London veröffentlichte Studie eines in Ghana arbeitenden Arztes weist darauf hin, dass 227 Patienten eines Hospitals in Accra als Aids-Fälle eingestuft wurden, weil sie genau diese Symptome aufwiesen. Ein HIV-Test ergab dann allerdings, bei 133 der Betroffenen (59 Prozent) ließ sich keine Spur von HIV im Blut nachweisen.
Die gebräuchlichste Diagnose-Methode beruft sich im südlichen Afrika auf die "Bangui-Definition": Danach reicht es aus, zum Beispiel zehn Prozent seines durchschnittlichen Körpergewichts verloren zu haben, einen Monat unter Durchfall zu leiden und zu husten - was auch bei TBC auftreten kann -, um unter Aids-Verdacht zu stehen. Die gerade genannten Symptome können zum Teil auch bei Malaria, Typhus und Cholera auftreten, von denen viele Staaten Afrikas noch nicht befreit sind, obwohl für den Kontinent insgesamt die Zahlen für diese Armutskrankheiten in gleichem Maße rückläufig sind, wie die Quote der Aids-Fälle steigt.
"Die Angst vor Aids hat fast eine ebenso große Wirkung wie Aids selbst. Die Leute haben Angst, zum Arzt zu gehen, weil sie befürchten, dann als HIV-positiv diagnostiziert und zum Tode verurteilt zu sein, wenn sie deshalb aus ihren Familien verstoßen werden", meint ein Mediziner in der ugandischen Metropole Kampala und fügt hinzu: "Eine beliebte Geschichte bei uns ist die, dass ein Freund gerade vom Auto überfahren worden ist; und die Ärzte betrachten das automatisch als Aids-bezogenen Selbstmord."
Das Neue ist derzeit eine wachsende Rauschgiftabhängigkeit in der Altersgruppe der 20- bis 30-jährigen - der Konsum von verunreinigtem Heroin und Kokain. Hier ist ein Verbreitungsherd für Aids entstanden, der sich jeder Kontrolle entzieht, Gefahren für die Volksgesundheit extrem erhöht - und letztlich die WHO-Zahlen realistisch erscheinen lässt.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.