Das letzte Mal erreichten Eskalationsszenarien einer US-Regierung im Frühjahr 2003 ein ultimatives Stadium. Präsident Bush hatte gegen den Irak derart aufmarschieren lassen und so viele willige Koalitionäre versammelt, dass es kein Aufhören mehr gab. Nachfolger Obama übernahm im Spätsommer 2012 das Muster nur zum Teil. Zwar bot er nach einem Chemiewaffenangriff bei Damaskus ebenfalls viel Schlagkraft gegen Syrien auf, veranstaltete dann aber einen Tanz auf der roten Linie, statt sie zu überschreiten. Erst sollte der US-Kongress mitentscheiden und mitverantworten. Dann erlöste ihn Russland mit dem Angebot, die Assad-Armee werde alle Chemiewaffendepots verifiziert aufgeben.
Donald Trump passt nicht in dieses Raster. Er legt gern Feuer, lässt es jedoch lieber glimmen als lodern. Das schließt im Fall Iran den aggressiven Coup nicht aus, sollte es Zwischenfälle geben – gesprengte Pipelines, Attacken auf US-Basen im Irak usw. –, die man Teheran anlasten kann. Der Konflikt ist zu komplex, die Skala der Akteure unübersichtlich genug, um inszenieren zu können, was gebraucht wird. Darin besteht das Risiko der Iran-Politik des US-Präsidenten. Er kann zur Geisel seiner selbst werden und so unter Handlungsdruck geraten, dass er sich entweder blamiert oder iranische Ziele angreifen lässt. Nicht weil er will, sondern zu müssen glaubt. Was ein solches Abenteuer an Wahnsinn heraufbeschwört, wird sich daran ermessen lassen, dass Israel nicht teilnimmt. Auch wenn Benjamin Netanjahu gewiss applaudiert, aber was die Sicherheit seines Landes über ein kalkulierbares Maß hinaus gefährdet, findet nicht statt. Dem israelischen Premier gebricht es an Trumps Rationalität des Autisten, der nie an Grenzen stößt, weil Expertise und Fantasie fehlen, diese zu kennen.
Deshalb auch seine jüngste Twitter-Parole: „Wenn Iran kämpfen will, wird das das offizielle Ende Irans sein.“ Das gleicht fast wörtlich der Drohung, wie sie Trump im September 2017 vor der UN-Vollversammlung gegen Nordkorea ausgestoßen hat. „Wenn die USA aber gezwungen würden, müssten sie Nordkorea zerstören.“ Inzwischen werden mit dem „kleinen Raketenmann“ Kim Yong-un „wunderschöne Briefe“ ausgetauscht. „Und dann haben wir uns verliebt. Okay? Nein, wirklich!“, so der US-Präsident kurz vor den Kongresswahlen im Herbst 2018. Könnte sich Präsident Rohani auf ähnliche Komplimente gefasst machen, würde er im Weißen Haus anrufen und um einen Termin nachsuchen? Und womöglich bekommen?
Trumps diplomatisches Portfolio kommt mit vier Komponenten aus: beleidigen, drohen, feilschen, schwadronieren. Bushs imperiale Egomanie wie Obamas moralisierende Ambivalenz sind ihm fremd. Er schätzt das Image des authentischen Marodeurs, den keine überflüssigen Ideologien in Geiselhaft nehmen und der auf Gegner bedacht ist, die morgen seine Gäste sein können. Besser Feinde als beste Freunde.
Es kann das gestutzte Niveau, auf dem sich die westliche Führungsmacht bewegt, nur beklagen, wer die USA noch dafür hält, sie mit Bündnistreue beschenkt und sich lächerlich macht. Warum gibt es nicht längst eine Koalition der willigen Vertragsstaaten des Atomabkommens gegen die USA? Weil das Trump gelegen käme und in seinem Urteil über entbehrliche Partner in Europa bestärken würde? Die Bannung eines weiteren Krieges im Nahen Osten sollte das wert sein.
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