Der Bittgang der deutschen Kanzlerin galt nicht wie in verflossenen Zeiten dem reichen Onkel in Amerika. Die gerade um finanziellen Beistand ersuchte und gut betuchte „Wahl-Verwandtschaft“ residiert in Peking. Sie zeigt sich erbötig, wenn auch nicht spendabel. Zu verschenken haben Reiche bekanntlich nie etwas. Und gegeben haben die Chinesen auch schon. Möglicherweise nicht zu knapp. Es sind dem Vernehmen nach vorzugsweise griechische, irische, italienische und spanische Staatsanleihen, die wie tote Seelen in den Depots der chinesischen Staatsbank ruhen und ihr Rendite-Versprechen schuldig bleiben. Es gibt einigermaßen seriöse Spekulationen, nach denen die fernöstlichen Staatsinvestoren Schuldscheine aus der Eurozone im Wert von etwa 500 Milliarden Euro im Portfolio halten.
Ein trotz allem noch ausbaufähiges Volumen dürfte Angela Merkel bei ihren Treffen mit Präsident Hu Jintao und Premier Wen Jiabao zumindest angedeutet haben. Schließlich ist das Engagement bei den Amerikanern sehr viel größer – es stecken derzeit immerhin fast 1,2 Billionen aus den auf 3,2 Billionen Dollar geschätzten chinesischen Devisenreserven in amerikanischen Bonds.
Dass die Volksrepublik eine sicher nicht risikofreie, aber doch alles in allem verlässliche ökonomische Lebensversicherung bei der Führungsmacht des Westens abgeschlossen hat, ist keine Pointe der Weltgeschichte, sondern ein Zeichen für deren Fortgang. Natürlich muss man auch etwas tun für die Abnehmer der eigenen Ausfuhren in Nordamerika. Wer klamm ist, der kauft nichts oder wenig. Aber übernehmen in Europa mag sich China wohl kaum. Und uneigennützig zu sein, das können sich selbst die Chinesen nicht leisten.
Nicht übermäßig salonfähig
Natürlich erinnerte man sich bei Angela Merkels Verhandlungen in Peking einer kühnen Idee aus der EU-Kommission vom Herbst, die sich auch die Bundesregierung zu eigen machte. Der Vorstoß zielte darauf, erkennbare Buchungslücken der so genannten Europäischen Finanzmarktstabilisierungs-Fazilität EFSF zu schließen, indem die Finanzkraft eben dieser EFSF „gehebelt“ wurde. Mit anderen Worten: Die Bürgschaften und Kreditangebote des Euro-Rettungsfonds sollten durch Transfusionen aus chinesischen Devisenbeständen jene strategischen Höhen nehmen, zu denen sich Europa allein nicht aufraffen konnte – oder wollte. Das klang nicht nur ausgesprochen verlockend, sondern auch logisch. Man wollte Stabilität aus China exportieren, nicht nur Handys, Textilien, Spielzeug oder Hochtechnologie-Metalle wie Seltene Erden, sondern Sicherheit, Überlebens-Kapital! Zukunftsgewissheit für die Gemeinschaftswährung!
Die mutmaßlich "sozialistische" Marktwirtschaft als Retter des maroden Euro-Kapitalismus? Übersehen wird dabei freilich, dass diese Marktwirtschaft bisher in Europa nicht als übermäßig salonfähig gilt und mit dem Stigma des aggressiven Wettbewerbsverzerrers versehen ist, der es sich gefallen lassen muss, zuweilen mit Strafzöllen in Größenordnungen von 50 bis 60 Prozent belegt zu werden.
Sollten außer Billigschirmen des Labels Made in China auch teure Rettungsschirme gefragt sein, wird das chinesische Wirtschaftssystem als Partner der Weltökonomie voll anerkannt sein müssen. Dazu gehört das Recht, die eigene Währung als Handelskatalysator einzusetzen, sie gelegentlich auch abwerten zu dürfen, um Warenflüsse hierhin und dorthin zu beschleunigen. Weil die chinesische Regierung und Staatsbank dies so handhaben, sind – unter anderem – die Devisenreserven entstanden, die im Augenblick europäische Begierden wecken.
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