Bis dahin und nicht weiter

Krimkrise Bei der "Operation Krim" beharrt Russland auf – aus seiner Sicht – legitimen Interessen. Die USA drohen Moskau mit politischer Isolation, warten ansonsten aber ab
Pro-russische Demonstranten vor einer Lenin-Statue in Simferopol
Pro-russische Demonstranten vor einer Lenin-Statue in Simferopol

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Dass die USA und Kanada ihren Part bei der Vorbereitung des nächsten G 8-Treffens in Sotschi auf Eis legen, wird die Führung in Moskau nicht übermäßig beeindrucken. Präsident Putin scheint entschlossen, ein Zeichen zu setzen: Unter die Bilanz geostrategischer Verluste Russlands gehört ein Schlussstrich.

Was die Halbinsel Krim, nicht allein wegen der dort stationierten Schwarzmeer-Flotte, der geltenden Verträge über deren Status sowie der in diesem Raum lebenden russischen Mehrheit bedeutet, muss nicht weiter erklärt werden. Es geht natürlich um nationales Prestige, auch um Sicherheit für die Bevölkerung, aber ganz entscheidend um politische Handlungsfähigkeit, die für Großmächte nun einmal mit ihrer wie auch immer gearteten Präsenz in Einflusssphären verbunden ist.

Die Vereinigten Staaten kämen nicht im Traum auf die Idee, nur einen Bruchteil ihres Stützpunkt- und Dislozierungs-Systems im Nahen und Mittleren Osten oder im Pazifik preiszugeben.

Wie zu erwarten ist Präsident Obama in seiner Reaktion auf die militärischen Ermächtigung Wladimir Putins durch den Russischen Föderationsrat hin und her gerissen zwischen der Pflicht zur Drohung und dem Respekt vor russischen Interessen.

Sollte es dabei bleiben, wird sich auch die NATO bestenfalls verbaler Kraftakte befleißigen. Es könnte sogar sein, dass die Allianz – oder wer auch immer im Westen – Kiew auffordert, ein verbindliches Statement abzugeben etwa des Inhalts – an den vertraglich verbürgten Garantien für die russische Flottenbasis werden nicht gerüttelt, sofern Moskau der Ukraine den Erhalt ihrer territorialen Integrität zusichert.

IWF will erst prüfen

Das für den ukrainischen Übergangspräsidenten Turtschynow derzeit eindeutigste Signal kommt daher nicht aus dem Brüsseler NATO-Hauptquartier, sondern aus Washington – vom Internationalen Währungsfonds IWF und dessen Direktorin Christine Lagarde. Bevor sie Kredite freigibt, sollen Evaluierer in der Ukraine den tatsächlichen Finanz- und vor allem Reformbedarf erkunden, lässt sie wissen. Das sieht nach der ukrainischen Variante des Musters Krisentroika im Euro-Raum aus. Kiew wird signalisiert, ihr müsst euch zu außerordentlich unpopulären Maßnahmen durchringen, um an Geld zu kommen und eure Schulden zu bezahlen. Welche Konsequenzen das haben wird, wenn schon seit Monaten die Pensionen nicht mehr in voller Höhe ausgezahlt werden und der Preis für die private wie industrielle Energieversorgung extrem subventioniert ist, liegt auf der Hand.

Gezielte Herausforderung

Eben deshalb kommt die Krim-Krise den radikalen Nationalisten aus dem Maidan-Lager als Kraftprobe mit Russland gelegen. Wer erst einmal die territoriale Unversehrtheit verteidigen muss, kann die ökonomische Misere in den Hintergrund drängen. Dieses Ansinnen spiegelte schon die sofort nach dem Machtwechsel vom 22. Februar getroffene Entscheidung einer Mehrheit im Parlament (Rada), Russisch als zweite Amtssprache in der vorwiegend von russischer Bevölkerung bewohnten Ost- und Südukraine abzuschaffen. Der Antrag zu diesem Rada-Beschluss kam von Oleh Tjahnybok, dem Führer der ultrarechten, antisemitischen und antipolnischen Swoboda-Partei. Viele Beobachter werten das inzwischen als ungeschickte oder unnötige Provokation. Eine gezielte Herausforderung war es auf jeden Fall. Sie spielte mit dem Kalkül, durch die angeheizte Konfrontation mit Russland den Westen zum Handeln zu zwingen. Der Slogan, "die Ukraine ist Europa" impliziert schließlich, dann verteidigt uns bitte schön auch wie Europa.

In der Westukraine wurden in den vergangenen Tagen nicht allein Lenin-Denkmäler und Gedenkorte für die Gefallenen des Zweiten Weltkrieges geschleift, sondern auch Statuen des russischen Generals Kutusow vom Sockel gestoßen. Der hatte Napoleons Interventionsheer in der Schlacht bei Borodino im Spätsommer 1812 einen Pyrrhussieg beschert. Bald darauf sollte Bonaparte unter großen Verlusten zum Rückzug aus Russland gezwungen sein. Ausgerechnet die Erinnerung an Kutusow tilgen zu wollen, empört Russland zu recht, zeigt aber auch, wie fanatisch und unversöhnlich derzeit in der Ukraine agiert wird.

Wenn die Kiewer Übergangsadministration dem zusieht, wird sie in Moskau den Eindruck festigen helfen, dies sei gewollt, auch um Russland zu demütigen – dann wird sich die Lage auf der Krim nicht entspannen. Es gibt die Beispiele Südossetien, Abchasien und Transnistrien, wo Russland seit Jahren abtrünnigen Regionen als Schutzmacht zur Verfügung steht.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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