Burgfrieden gegen IS-Krieger

USA/Russland Eine Entkrampfung im Verhältnis zwischen Moskau und Washington könnte der Syrien-Diplomatie zugute kommen und die Rückkehr in einen Verhandlungsmodus befördern
Ausgabe 33/2015
Der russische Außenminister Sergei Lavrov (links) mit seinem US-Kollegen Kerry
Der russische Außenminister Sergei Lavrov (links) mit seinem US-Kollegen Kerry

Foto: Pablo Martinez Monsivais/AFP/Getty Images

Plötzlich haben konzertierte Aktionen Konjunktur. Erst ziehen die USA und Russland beim Atomkonsens mit dem Iran an einem Strang. Dann halten sie weiter daran fest, als der Sicherheitsrat einmütig eine Syrien-Resolution verabschiedet, um den Einsatz von Giftgas im syrischen Bürgerkrieg aufzuklären und zu ahnden. Oft sind in einem Augenblick auch alle kommenden schon enthalten. Führt also das UN-Votum zu einer in Maßen gemeinsamen Diplomatie der Befriedung Syriens?

Immerhin sind Amerikaner und Russen weiterhin Schirmherren der Genfer Syrien-Konferenz. Würde die als Institut des Ausgleichs reaktiviert, gäbe es dafür bessere Vorzeichen als beim letzten Versuch Anfang 2014. Als jene Verhandlungsrunde begann, bestanden die USA darauf, dass schon angereiste und von UN-Syrien-Vermittler Lakhdar Brahimi geladene Gesandte aus dem Iran suspendiert wurden. Ein solcher Vorgang ließe sich diesmal getrost ausschließen. Die Lust am drakonischen Affront haben Washington und Teheran – hoffentlich – hinter sich. Wozu wäre sie gut?

Die Schlacht um Syrien passiert das fünfte Jahr. Sie zermahlt ein Land zu Asche und seine Menschen gleich mit. Allein die Kombattanten scheinen weit davon entfernt, zermürbt, entnervt und demoralisiert aufgeben zu müssen. Terraingewinn verbucht der Islamische Staat (IS), Gebietsverlust die Assad-Armee, einen Landkorridor im Norden hält die kurdische Autonomiefront mit ihrer Staatshoffnung. Es gibt in diesem Spiel der Kräfte so viele Unwägbarkeiten wie berechenbare Umstände. Zu Letzteren gehört von religiösem Fanatismus geprägter Vernichtungswahn des IS, der genozidale Züge trägt und Syriens bisher staatstragende alawitische Minderheit im Überlebenskampf zusammenschweißt – bis auf Weiteres vereint um Baschar al-Assad. Daneben bleibt der Wille Russlands und des Iran bestehen, die Einflusssphäre Syrien nicht auf- und abzugeben an sunnitische Zeloten wie deren saudische Schutzmacht. Genau hier kommen die USA ins Spiel. Ein Kriegsende, bei dem der Dschihad triumphiert, taugt als Worst-Case-Szenario. Es würde bedeuten, dass die Anti-Terror-Koalition unter amerikanischer Führung einen solchen Ausgang nicht verhindern konnte. Nach den nicht eben glanzvollen Abgängen aus dem Irak wie aus Afghanistan wäre das ein Schock – vernietet mit der Botschaft, gegen hemmungslose Gotteskrieger eher wehrlos als wehrhaft zu sein. Weil man zu wenig riskiert und das Opfer scheut, das die anderen als göttliches Geschenk anbeten?

Solange eine US-Regierung aus guten Gründen keine Bodentruppen entsenden will, um den IS zu bekämpfen wie einst die Armee Saddam Husseins, bleibt früher oder später nur ein Ausweg: ein Anti-IS-Burgfrie-den aller syrischen Konfliktparteien bis hin zur Regierung in Damaskus. Natürlich gibt es niemanden, der das den Assad-Gegnern (inklusive der Kurden) nahebringen, geschweige denn oktroyieren kann. Und doch müsste ein amerikanisch-russisches Tandem damit nicht zwangsläufig scheitern. Dies käme in Tritt, wäre Maximalismus obsolet. Moskau dürfte den syrischen Staatschef ebenso wenig als alternativlos verteidigen wie Washington dessen unbedingten Abgang fordern. Lässt sich der IS militärisch nicht besiegen, kann es politisch versucht werden. Etwa durch eine glaubwürdige Übergangsregierung in Damaskus, die dem Land wieder eine Perspektive gibt, weil sie alle einschließt, die das wollen.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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