Wie auch immer man darüber urteilt – es besticht die unbeirrbare Konsequenz der russischen Syrien-Politik. Als im September 2015 militärisch auf der Seite von Präsident Assad eingegriffen wurde, war nicht absehbar, dass sich das Blatt schnell würde wenden lassen. Die Regierungsarmee schien ausgelaugt, als stehe sie mit dem Rücken zur Wand. Inzwischen hat sie sich – auch durch den Beistand des Iran – so weit gefangen, dass sie die entscheidenden Regionen des Landes wieder kontrolliert. Die Gegner sind zur Aufgabe oder zum Verhandeln gezwungen. Dies erst recht, seit der Islamische Staat und andere islamistische Verbände so viel Terrain verloren haben, dass es einem irreversiblen Verlust gleichkommt.
Staaten-Triumvirat
Wer sich aus dem Anti-Assad-Lager zur Diplomatie durchringt, muss zur Kenntnis nehmen, dass nun ein Staaten-Triumvirat Regie führt. Seit gut einem Jahr haben sich Russland, Iran und die Türkei zu einer pragmatischen Allianz zusammengefunden. In einer Zeit sich häufender regionaler Konflikte sind derartige Bündnisse eine adäquate Antwort. Diese bei Syrien weiterhin und nun erst recht geben zu können, war Ansinnen des Dreiergipfels zwischen den Präsidenten Putin, Rohani und Erdogan soeben in Sotschi. Abgehalten kurz nach dem Besuch von Baschar al-Assad an gleicher Stelle.
Wladimir Putin hat dazu mit Präsident Trump telefoniert und die Regierungen Israels, Saudi-Arabiens und Ägyptens informiert, die mit unterschiedlicher Intensität Gegnern Assads beistehen. Aus russischer Sicht sollten jetzt Weichen für eine Nachkriegsordnung in Syrien gestellt werden. Mutmaßlich genießt dabei weniger der Erhalt des Baath-Regimes in bisheriger Machtvollkommenheit als der Erhalt des syrischen Staates Priorität. Nur wenn der – angeschlagen, aber immerhin – überlebt, wird es einen Wiederaufbau nach den kolossalen Zerstörungen des nun bald sieben Jahre dauernden Bürgerkrieges geben. Alles andere läuft auf ein "libysches Desaster" hinaus.
Damit wäre einem Trend Einhalt geboten, der in Afrika wie im Nahen Osten das Phänomen des "Failed State" von der Anomalie zur Normalität befördert. Denn je weniger in diesen Weltgegenden Staaten in der Lage sind, ihrer klassischen Funktion gerecht zu werden, desto mehr gewinnen „nichtstaatliche Akteure“ an Gewicht. Seien es Widerstandsgruppen mit terroristischem Potenzial, separatistische Bewegung (man denke an die Tuareg und Kurden) sowie kriminelle Strukturen, die von einer sich ausbreitenden transnationalen Konfliktökonomie zehren. Die wimdet sich dem Schmuggel von Rohstoffen und Nahrungsmitteln ebenso wie dem Handel mit Tabakwaren oder Rauschmitteln.
Nach dem Sotschi-Treffen hob Putin folgerichtig hervor, dass dank der Bemühungen Irans, der Türkei und Russlands ein Zusammenbruch des syrischen Staates abgewendet wurde. Was nicht zuletzt im Interesse der USA und Europas liegt, hält man sich vor Augen, dass damit das Anschwellen von Flüchtlingsströmen ebenso vermieden wird wie die Ausbreitung terroristischer Milizen, denen das Scheitern von Staaten natürlich entgegenkommt. Dies gilt nicht nur für Syrien, ebenso für den Irak wie Afghanistan.
Belastbare Waffenruhe
Russland, Iran und die Türkei haben mit ihrer Syrien-Vermittlung übernommen, was die Vereinten Nationen versuchten, aber nicht zustande brachten. Dies war besonders darauf zurückzuführen, dass der 2011 ausgebrochene Bürgerkrieg durch externe Mächte stets von Neuem angeheizt worden ist. Da auch Russland, Iran und die Türkei zu den Krisenpaten gehörten, fühlen sie sich nun offenbar berufen, aber wohl auch verpflichtet, Garanten einer dauerhaften, weil belastbaren Waffenruhe zu sein.
Wenn das gelingt, hat sich Russland endgültig und eindrucksvoll als Großmacht mit mehr als nur regionalem Aktionsradius zurückgemeldet. Es hätte erreicht, was der Westen insgesamt nicht zu leisten vermochte. Jahrelang galt die Devise, dass es zum Sturz Assads keine Alternative gäbe. Dieses Begehren ist – von aller Fragwürdigkeit einmal abgesehen – vorerst unter anderem daran gescheitert, dass der westlichen die strategische Konsistenz der russischen Syrien-Politik gefehlt hat.
Für Präsident Putin wäre der politische Ertrag seines Engagements noch zu steigern, sollte Baschar al-Assad tatsächlich zu einem historischen Kompromiss bereit sein und einen Wandel in Syrien einleiten, der bereits vor dem Bürgerkrieg als Reform des Baath-Systems auf der Tagesordnung stand. Russland wird dafür die Schirmherrschaft übernehmen, mit Militär in Maßen präsent bleiben und nichts dem Selbstlauf überlassen. Das verheißt Risiko und Chance zugleich, waren sich Putin und Assad bei ihrem Treffen vor Tagen in Sotschi einig.
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