Das konservative Lager in den USA hat sich gefangen, vollends regeneriert und neu aufgestellt scheint es noch nicht. Ansonsten wäre es wohl kaum Dick Cheney, der den Angriff auf das Weiße Haus anführt. Es dürfte wenig zukunftsträchtig sein, wenn sich eine Galionsfigur der Ära Bush berufen fühlt, den Nachlassverwalter zu geben. Frei nach dem Motto: Es war nicht alles schlecht. Und falsch doch wohl auch nicht. Was sicherheitspolitisch geschehen musste nach dem 11. September 2001, darf die neue Administration nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. Also rechtfertigte Cheney mit seiner gestrigen Rede am American Enterprise Institute, wo die Fäden vieler rechter Think Tanks zusammenlaufen, auch die Folter, wie sie in Guantanmao und anderswo praktiziert wurde. „Ich stehe hinter den verschärften Verhörmethoden, sie waren legal, legitim und erfolgreich, kurzum ihre Anwendung war richtig.“ Damit wird den Vollstreckern des Waterboarding und anderer Gräuel Absolution erteilt.
Sollte Obama doch Gefallen an der Idee finden, eine strafrechtliche Verfolgung anzuordnen, weil es die US-Gesetze verlangen, käme er an Cheney als einem der politisch Verantwortlichen kaum vorbei. Und an einer innenpolitischen Zerreißrobe erst recht nicht.
Cheney registriert mit Genugtuung, dass der Kongress dem Weißen Haus finanzielle Mittel verweigert hat, die gebraucht werden, um Guantanamo zu schließen. Eine kleine Niederlage für Obama, die kaum Symbolkraft beanspruchen kann, aber erkennen lässt, dass sich der Widerstand gegen die Korrektur der Bush-Politik auf dem sensiblen Feld der Nationalen Sicherheit formiert.
Barack Obama wird dabei um so angreifbarer sein, je inkonsequenter er vorgeht. Schon mit dem Verzicht auf Bestrafung der Folterer und ihrer Auftraggeber hat er zu erkennen gegeben, wie groß der Druck ist, unter dem er steht. Es geht um nicht mehr und nicht weniger als den Umgang mit der inneren Sicherheit und den Werten, auf die sich die Amerikaner so viel zugute halten. Wer erweist sich vor diesem Hintergrund als der bessere Präsident? War es nicht doch George W. Bush? Wird es Barack Obama je sein? Cheney spricht diese Fragen nicht offen aus, aber er sorgt dafür, dass sie in der Luft liegen. Obama muss höllisch aufpassen, er kann seine Fragen, die er an das Land und die Gesellschaft hat, nicht so offen formulieren, wie es sein müsste: Wollen wir weiter die Menschenrechte missachten und eine Sicherheitsparanoia pflegen, wie das nach dem 11. September 2001 geschehen ist? Oder suchen wir wieder nach Augenmaß und Rationalität in unseren Sicherheitsdoktrinen? Respektieren wir die Menschenrechte nur, wenn wir Kuba, Nordkorea oder China madig machen?
Obamas Mehrheit für eine amerikanische „Perestroika“ war am 4. November 2008 nicht gewaltig. Sie muss mit jedem Tag neu erobert werden. Wenn Obama das tun will, indem er sich als einer präsentiert, der aus der Mitte der Gesellschaft kommt, sollte er nicht übersehen: Diese Mitte hat den Präsidenten George Bush nicht nur acht Jahre lang ertragen, sie hat ihn auch gewollt.
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