Soll die Erosion der EU vorangetrieben oder aufgehalten werden? Wird in Washington diese Frage abgewogen – und davon darf man ausgehen –, ist sie durch eine gerade gefällte Entscheidung klar beantwortet. Die von der Regierung Obama für 2017 avisierte Stationierung einer US-Panzerbrigade mit 4.200 Soldaten in Osteuropa schadet dem inneren Zusammenhalt der Staatenunion. Sie wird weder einer politischen Selbstbestimmung der EU noch einem entkrampften Umgang mit Russland zuträglich sein. Amerika bedient stark auf sich selbst bedachte EU-Mitglieder wie die baltischen Staaten, Polen und Tschechien mit Militärpräsenz. Die geben vor – in unterschiedlichem Maße, versteht sich –, von Russland bedroht zu sein.
Der Erzfeind im Osten wird uns eines Tages überrennen, beteuert die rechtskonservative PiS-Regierung in Warschau. Freilich bleibt deren Mentor Jarosław Kaczyński bisher den Beweis dafür schuldig, dass im Kreml über den sichersten Weg zum kollektiven Suizid nachgedacht wird. Ein Angriff auf Polen würde in der NATO den Bündnis- und Verteidigungsfall auslösen, der einen Aggressor in schwere Bedrängnis brächte. Wer sollte das wollen in Moskau? Irrationale Obsessionen genießen derzeit in Warschau ein Heimrecht.
Tatsächlich zeugt die Panzerbrigade vom Willen der USA, eine eigene Russland-Politik zu verfolgen. Dazu bedarf es williger Alliierter in Osteuropa. Polen, Estland, Lettland und Litauen haben die Verlegung der US-Brigade umgehend begrüßt. Sich an den Schirmherrn USA anlehnen heißt, in der EU weiter ein Pendlerdasein nach dem Muster fristen zu können: Mit Brüssel in der Flüchtlingskrise kollidieren, mit Washington in der Russland-Abwehr harmonieren. Das suggeriert Souveränität. Regierungen in Warschau, Prag oder Bratislava haben sich diesem Eindruck bereits hingegeben, als Anfang 2003 der vom damaligen US-Präsidenten George Bush angestrebte Irak-Feldzug Europa spaltete. Zur „Koalition der Willigen“ zählten seinerzeit fast alle Staaten Osteuropas. Sie mögen von diesem Krieg nicht vollends überzeugt gewesen sein. Doch hielten sie Treue gegenüber den USA für angebrachter als das Bekenntnis zu den Kriegsverweigerern Deutschland und Frankreich. Statt der gemeinsamen gab es eine Sicherheitspolitik à la carte, und das oft warnend beschworene Europa à la carte war prompt über seine Gegensätze definiert.
Wer in Washington von europäischer Emanzipation im transatlantischen Verhältnis nichts hält, fördert solcherart Dissens. Der bemüht sich um eine Parallelität von EU und NATO, die stets dazu führt, dass sich amerikanische Dominanz – etwa in der Ukraine-Frage – Geltung verschafft. Der beschlossene Truppentransfer korrespondiert mit der von General Philip Breedlove, dem Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte in Europa, empfohlenen Strategie der Härte gegenüber Russland.
So werden keine Einladungen zum NATO-Russland-Rat ausgesprochen, den der deutsche Außenminister gern reanimiert sähe. Stattdessen wird die NATO-Russland-Akte von 1997 unterlaufen, die es der westlichen Allianz verbietet, „substanzielle Kampftruppen dauerhaft zu stationieren“. Auch wenn die US-Brigade wechselnde Standorte haben soll, beeinflusst sie die strategische Balance zwischen der NATO und Russland, dessen Gegenmaßnahmen gewiss Anlass bieten, im Westen über die wachsende Bedrohung aus dem Osten zu klagen. Ein klassischer Fall für sich selbst erfüllende Prophezeiungen.
Kommentare 10
ein den leser-verstand beleidigender beitrag!
-eine us-pz.-brigade ist nichts als eine symbolische handlung, vergleichbar den im ehemaligen west-berlin stationierten west-alliierten truppen.
-die baltischen staaten geben vor ..bedroht zu sein...
-im kreml weiß man, daß der nato-verteidigungsfall nicht durch einen atom-schlag eingeleitet wird.
-in schwere bedrängnis käme ein aggressor höchstens, nachdem er vollendete tatsachen geschaffen hat(siehe aktuelle lage).
-sind irrationale obsessionen ..auf warschau beschränkt?
ja, wenn man glauben machen will, daß im kreml die vernünftigste friedfertigkeit aus den fenstern platzt.
und der ein-äugige dieses auch noch zuklappt.
„Divide et impera“ (Teile und Herrsche) war schon immer eine amerikanische Strategie, die mit viel Erfolg in der ganzen Welt – und besonders nach dem 2. Weltkrieg angewendet wurde.
Ich denke – zu den hier erwähnten osteuropäischen Ländern sollte man die Ukraine hinzuzählen, auch wenn diese derzeitig kein NATO-Mitglied ist – wohl aber auf dem besten Wege.
Was mir im Artikel zu kurz kommt ist die Frage, warum die USA diese Strategie in Europa verfolgt.
Ich kann nur spekulieren – aber ich sehe 2 Gründe die die USA dazu bewegen könnten:
Zum einen ist ein gespaltenes Europa sowohl politisch als auch wirtschaftlich schwächer und so leichter beherrschbar.
Zum anderen führt die stärkere Konzentration von militärischer Hochtechnologie und von Erstschlagskapazitäten an die Konfliktgrenze zu einer Reduktion der Vorwarnzeit auf nahezu Null. Somit ist die Auslösung eines „Verteidigungsfalls“ aus Versehen wesentlich wahrscheinlicher.
Ein Schlag der „Russen“ würde sich in erster Linie auf diese Kräfte konzentrieren müssen. Selbst wenn eine Deeskalation nach wenigen Stunden gelingt dürfte wohl Europa sehr viel stärker verwüstet worden sein als das Territorium der USA. So denken Militärs..
Tschechien würde ist aus der Auflistung der aktuellen osteuropäischen US-Vasallen strikt herausnehmen. Zwar ist es richtig, dass sich die Tschechen nach 1990 positiver als andere auf das Demokratie-Pathos der Regierungen Bush sen. und Clinton bezogen haben. NATO-Hardliner oder gar rechtsautoritär wie die Balten oder Polen waren die Tschechen jedoch nie. Im Gegenteil: Wenn einer der Ex-RGB-Staaten über eine gefestigte Demokratie verfügt, dann die Tschechische Republik.
Ansonsten ist die Zielrichtung des Beitrags nur zu unterstützen. Allerdings habe ich den Eindruck, dass die EU zum Sich-Zerlegen mittlerweile die Hilfe der Amis nicht mehr braucht.
noch nie war eine weltmacht so beherrschend.
west-europäische militär-macht ohne f und u.k. ist eine nullität, grenzen zu schützen: schier un-möglich.
Mehr Präsenz von Militär an der Grenze fremder Staaten bedeutet immer mehr Spannung. Russland wird man später wieder das Brechen von Recht & Gesetz vorwerfen, dabei hat man selbst mit der Verletzung der NATO-Russland-Akte Recht gebrochen.
Das Interessante ist eigentlich,dass mit dieser - wie schon von anderen Bloggern angemerkt - Symbolpolitik Angebote zur Wiederannäherung an Russland einhergehen.
Z. B. Steinmeier für Rückkehr Russlands in die G-8-Gruppe - Hier aus der Zeit übernommen
Als Grundvoraussetzung für eine Rückkehr nannte Steinmeier, dass Russland zu einer "politischen Lösung" des Ukraine-Konflikts beitrage. Zudem müsste die "konstruktive Rolle" des Landes bei den Friedensbemühungen in Syrien von Dauer sein.
Und auch eine Tagung des NATO-Russland-Rates ist geplant, schreibt die Welt.
http://www.welt.de/politik/ausland/article154159802/Russland-will-den-Dialog-nach-eigenen-Regeln.html
Da ist viel Bewegung, wie es scheint.
Hi Ellysia, du spricht mir aus der Seele. Ich raffe es nicht, das es nur so wenigen auffällt, dass die Nato sich immer weiter im Otsen verbreitet, obwohl sie es damals verneint hatten.
Es ist eine sehr ungute Entwicklung Richtung Krieg und die angekündigte Revitalisierung des NATO-Russlandrats halte ich eher für Kosmetik. Wie wird sich unsere Regierung verhalten?
Wolfgang Jung hat einen Artikel übersetzt und verweist auf Basispapiere des Pentagons. Hier können wir Näheres erfahren.
Unternehmen Barbarossa 2: Die baltische Eröffnung
Von Christopher Black
New Eastern Outlook, 29.02.16
( http://journal-neo.org/2016/02/29/operation-barbarossa-2-the-baltic-gambit/ )Am Freitag, dem 26. Februar 2016, nur einen Tag vor Beginn der eingeschränkten Waffenruhe in Syrien, veröffentlichte der Atlantic Council, der die NATO dominierendeThinktank (s. https://de.wikipedia.org/wiki/Atlantic_Council ), einen Report über die Bereitschaft des NATO-Bündnisses, einen Krieg gegen Russland zu führen und ihn zu gewin-nen. Im Mittelpunkt dieses Reports stehen die baltischen Staaten. Der Report mit den Titel "Alliance at Risk" (Das Bündnis in Gefahr, aufzurufen unter http://www.atlanticcoun-cil.org/images/publications/Alliance_at_Risk.pdf ) hatden Untertitel "Strengthening European Defence in an Age of Turbulence and Competition" (Verstärkung derVerteidigungsfähigkeit Europas in einer Zeit der Turbu-lenzen und des Wettstreits)...
http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP04016_230316.pdf
Bei den Nachdenkseiten gab es Ende März zum Thema eine Recherche von Sonja Karas, ehemals Mitglied im Landesvorstand von Bündnis 90/die Grünen in Brandenburg, aktuell Kandidatin zum Vorsitz der GRünen ...
http://www.nachdenkseiten.de/?p=32627
Das "Spiel" geht weiter! “Von Nine Eleven zur Sprengung Europas?” https://wipokuli.wordpress.com/2015/09/30/von-nine-eleven-zur-sprengung-europas/
Andreas Schlüter
Soziologe
Berlin