Das Unverblümte des Narren

Israel In der Westbank wird US-„Realpolitik“ gemacht
Ausgabe 47/2019
Wahlplakat für Benjamin Netanyahu in Israel. Der Schriftzug lautet: „Netanyahu, in einer anderen Liga“
Wahlplakat für Benjamin Netanyahu in Israel. Der Schriftzug lautet: „Netanyahu, in einer anderen Liga“

Foto: Jack Guez/AFP/Getty Images

Als Donald Trump Ende 2017 Jerusalem zur legitimen Hauptstadt Israels erklärte, hatte man mit Aufruhr, wenn nicht einem Aufstand brüskierter Palästinenser gerechnet. Es blieb beim Aufbegehren mit bald abflachender Erregungskurve. Wenn nun US-Außenminister Pompeo Israels notorischen Siedlungsreflex in der Westbank im Namen seiner Regierung für rechtskonform hält, passiert noch weniger. Sind die Palästinenser resignativer Apathie verfallen? Sicher auch das, doch sind die Wirkungen einer von den USA ausgehenden „Realpolitik“ gleichsam zu beachten. Sie besteht darin, dass Präsident Trump den permanenten Regelverstoß zur Regel erhebt, ohne dass sich daraus desaströse Szenarien ergeben. Vielmehr wird der Status quo zementiert, an dem auch – ohne dass Pompeo sein Rechtsverständnis offenbart – kaum zu rütteln wäre.

Die USA könnten unablässige Landnahme im Westjordanland hart rügen – ein israelischer Regierungschef, es muss nicht Netanjahu sein, bliebe dabei. Niemand würde ihn hindern. Die UNO nicht, die EU noch weniger, die USA schon gar nicht. Das Kräfteverhältnis in diesem Konflikt ist Partei genug, als dass seine stillen Teilhaber parteiischer sein müssten, als sie es ohnehin sind. Insofern scheint es ohne Belang, ob die Trump-Regierung mit ihren Entscheidungen diesen Konflikt nun weiter schürt. Lösen will (oder kann) sie ihn sowieso nicht. Um diesen Regelverstoß, der weltpolitische Verantwortung konterkariert, haben sich schon Trump-Vorgänger von Clinton bis Obama verdient gemacht. Sicher mit unterschiedlicher Methode, aber stets gleichem Ergebnis – dem Status quo.

Widmet man sich Trumps Außenpolitik der letzten Monate ausnahmsweise ohne Vorbehalt und Abscheu, wäre als Fazit denkbar: Ein mit Moral nicht unbedingt gesegneter Soziopath, der sich als enorme Begabung begreift, gibt durch sein Verhalten zu verstehen – der Kampf um Palästina ist zugunsten Israels entschieden, der um Syrien zugunsten Baschar al-Assads, der um Afghanistan wird entschieden sein, wenn die Taliban mitregieren. Und mit Kim Jong-un darf man sich ohne Vorbedingungen treffen, da es für den Frieden auf der koreanische Halbinsel von Vorteil ist. Anderswo schätzt man das Unverblümte des Narren doch auch, wenn es der Wahrheit zum Durchbruch verhilft.

Der digitale Freitag

Mit Lust am guten Argument

Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen.

Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zur Wochenzeitung Freitag. Dort arbeitete es von 1996-2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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