Es könnte der allerletzte Trumpf gewesen sein, den die EU-Finanzminister und die Europäische Zentralbank (EZB) gespielt haben. Wer das beschlossene Stützungspaket von 720 Milliarden Euro in seinen Ausmaßen erfasst, dem kann schwerlich verborgen bleiben, wie groß Angst und Panik gewesen sein müssen, ein Tsunami der Spekulation gegen den Euro könnte die Währungsunion innerhalb von Tagen überfluten. Und manches andere auch. Die 27-Staaten-Union könnte in Gänze Schaden nehmen, die Geldwertstabilität überhaupt, die Zahlungsfähigkeit von drei, fünf oder mehr EU-Staaten auf jeden Fall.
Neue Schulden der Geber
Bei einem freien Fall des Euro wären die hoch verschuldeten EU-Staaten in einen Sog geraten, der keine Refinanzierung ihrer Verbindlichkeiten mehr erlaubt hätte – zum Schaden des Eurokurses. Vorerst erscheinen die wie in einem finalen Rettungsakt mobilisierten Überlebens-Milliarden wie ein Schutzwall, der die Eurozone abschottet. Die absolute Fiktion, denn die Mechanismen der Finanzmärkte lassen sich nicht durch eine Art Rundumverteidigung abwehren. Die enormen Staatsschulden aller Euro-Länder bleiben ja bestehen, nur dass sie nun eine Deckung erhalten, für die sich höchste EU-Autoritäten verwendet haben: der Europäische Rat, der Rat der Finanzminister (Ecofin) und die EZB. Mehr geht nicht. Ein hoch riskantes Spiel, denn die 440 Milliarden Euro, die in Form von Garantien und Krediten von den Euro-Staaten selbst kommen – wie sollen die anders besorgt und verbürgt werden als durch neue Schulden der Geber selbst? Auch wenn ein Teil der Gelder nie abgerufen werden sollte, verfügbar sein müssen sie.
Was in der Nacht vom 9. zum 10. Mai in Brüssel beschlossen wurde, erinnert vom Prinzip her an die nationalen Rettungsschirme, die im Herbst 2008 nach dem Lehman-Brothers-Crash über die Banken gespannt wurde. Und ihnen vor allem eines verhießen: Wenn nötig, ist eine Verstaatlichung ihrer Verluste garantiert.
Sündenfall gegen den Eurosturz
Im Frühjahr 2010 freilich müssen statt Banken Staaten gerettet werden, die sich verausgabt haben, als sie der Finanzkrise durch ihr Steuer- und Haushaltprivileg zu begegnen suchten und damit die soziale Substanz und Leistungsfähigkeit ihrer Gesellschaften aufs Spiel setzten. Das wird in martialische Haushaltssanierungen münden (die Kehrseite des Krisenfonds) und der Geldwertstabilität im Euroraum nicht gut tun. Wie sonst lässt sich die Entscheidung deuten, die seit der turnusmäßigen Zinssitzung der EZB am 6. Mai in der Luft liegt?
Die Zentralbank ringt sich zum Abschied von ihrem bisherigen Reglement durch und kauft griechische Staatsanleihen, um sie der Spekulation zu entziehen. Nur lassen sich diese Schuldpapiere nicht einfach in einem EZB-Tresor einlagern. Sie müssen als Forderung der Gläubiger – Banken, Versicherer, Fonds – bedient werden. Ein Präzedenzfall sondergleichen. Die EZB kommt nicht nur für den Kapitalbedarf von Banken durch niedrig verzinste Kredite auf, sie bürgt oder zahlt für die Schulden von Staaten, die es auch deshalb gibt, weil Banken mit dem EZB-Geld zu den Gläubigern Griechenlands, Spaniens, Portugals und anderer EU-Staaten geworden sind. Ein teuflischer Kreislauf, der sich im Moment nicht aufhalten lässt. Die EZB versucht, den Markt zu beruhigen, und kann nicht sicher sein, ob das gelingt. Sie setzt den Sündenfall gegen den Eurosturz. Aber der Tsunami der Spekulation ist weiter unterwegs. Keiner weiß, ob die Dämme halten.
Kommentare 39
wir haben ja am Wochenende die Landtagswahl in NRW gehabt. Großes Palaver, gelebte Demokratie angeblich. Worüber die Bürger nicht abstimmen konnten, war, dass am Wochenende Deutschland von den europäischen Nachbarn gedrängt wurde, sich an einer Garantie über 500 Mrd € zu beteiligen. Unterm Strich treten Frankreich und Deutschland als Garantiemächte der übrigen euroländer auf. Die EZB muß jetzt –obwohl sie sich dagegen gewehrt hat- Staatsanleihen von angeschlagenen Ländern aufkaufen, auch Papiere die am Markt als Schrott angesehen werden. Hilfe wird solchen Ländern gewährt, wenn sie innenpolitisch ein Sparprogramm auflegen, d.h. sie bekommen nur Geld, wenn sie einen Teil ihrer nationalen Souveränität aufgeben. Diese Garantie wird flankiert von Aktionen der Zentralbanken der USA, Kanadas, Japans u.a. zur Unterstützung des Euro. Am Freitag wurde im Parlament in Deutschland die Griechenlandhilfe von 22Mrd beschlossen. Zwei Tage später müssen die europäischen Länder so eine Nacht-und-Nebel-Aktion starten, um ihre Währung vor Spekulanten zu schützen. Die Spekulanten sind sicher auch aus den englischsprachigen Ländern. Die können aber nur gegen den Euro spekulieren, weil der Euro falsch konstruiert wurde. Normal gilt: ein Land-eine Währung. Viele Länder – eine Währung heißt ein Land (hier Deutschland) erzielt im innereuropäischen Handel Überschüsse und die anderen entsprechend im Handel Defizite und gegen diese Defizitländer kann eben spekuliert werden.
Summa summarum: ein Professor für Finanzwissenschaft hat es diese Tage auf den Punkt gebracht: der heutige Staat ist eine Witzfigur, seine Politik wird getrieben von den Finanzmärkten.
Diese Krise ist noch lange nicht zu Ende. Meiner Meinung nach gibt es nur eine Möglichkeit, die Sache in den Griff zu bekommen:
die Wirtschaftspolitik der Euroländer muß einheitlich werden, d.h. die Euroländer müssen in diesem zentralen Politikfeld ihre nationale Souveränität aufgeben, so dass wir faktisch ein Land werden.
Die Metapher Tsunami von Herrn Herden ist passend. Die kapitalistische Ökonomie bewegt sich wie eine Naturgewalt.
Ja, es geht um keine Wirtschaftsregierung, aber einen EU-Koordinierungsrat, wie ihn Jacques Delors als EU-Kommissionspräsident einst vorschlagen hat.
Abseits all dieser jetzt diskutierten Maßnahmen und deren Folgen, sollten wir uns schon jetzt ernsthaft Gedanken machen, wie es mit diesem Europa, dieser verbindenden Idee weitergeht.
Damit ist mitnichten die politische, administrative Bühne gemeint, nein, wie wird das Europa von den Bürgern gesehen, bewertet und notfalls auch noch getragen?
Noch wirken sich die beschlossenen Maßnahmen nicht unmittelbar, spürbar aus, noch sind diese auf nationaler Ebene zu treffenden Maßnahmen - sprich Einschnitte - nicht bekannt, doch was dann?
Ein Blick zurück, ein Blick auf die Meinungsmacher dieses Landes und der sich daraus abzuleitenden, erzeugten Stimmung lassen nicht unbedingt GUTES erahnen.
An diesen "Notbeschlüssen" zeigen sich doch vor allem zwei Dinge:
1. Kurzfristig die katastrophalen Auswirkungen des Zögerns der Bundesregierung, die seit Februar den Spekulanten in die Hände spielte.
2. Längerfristig gesehen wird der Politik die Rechnung für die nicht erfolgte Finanzmarktregulierung präsentiert. Seit 2008 ist viel geredet und angekündigt worden, geschehen ist eigentlich nichts - außer der Sozialiserung von Verlusten.
Ohne eine scharfe Regulierung wird das Finanzsystem komplett zusammenbrechen. Viele Finanzprodukte müssen schlichtweg verboten werden. die Finanztransaktionssteuer muss eingeführt und die Bankgeschäfte entflochten werden. Banken sollten in Zukunft nur noch im Bereich der Spareinlagen, der Kreditvergabe sowie des Zahlungsverkehrs aktiv sein. Alle anderen Aktivitäten sollten an den Orten stattfinden, die schon vom Namen her das Risiko und die Unverantwortlichkeit verdeutlichen: Wettbüros.
Die EZB muß jetzt –obwohl sie sich dagegen gewehrt hat-
>>
Wieso hat sie sich dagegen gewehrt? Sie ist ausserdem unabhaengig.
Da haben Sie völlig recht, doch die Chance zu einer solchen Regulierung wurde verspielt, als die Finanzkrise ausbrach - im Herbst 2008.
Ohne eine scharfe Regulierung wird das Finanzsystem
>>
Wer soll denn was und wie regulieren? Welches Finanzsystem? Das globale, das europaeische oder das deutsche?
Wettbuero gefaellt, weil es an Naturalobligation erinnert. Und Uli Huber.
Man muss jeweils da agieren, wo man es am schnellsten und sinnvollsten kann. Eine Finanztransaktionssteuer ließe sich beispielsweise auf Europäischer Ebene bereits sinnvoll installieren. Und global müsste man sich eigentlich auf eine komplette Verstaatlichung der großen Banken einigen - letztlich sind die und ihre Spekulationskultur ja dafür verantwortlich, dass das globale Finanzsystem zum zweiten Mal binnen zwei Jahren vor dem Zusammenbruch stand. Und wer zahlt es? Die kleinen Steuerzahler in Europa, nicht nur in den "Geberländern".
Diese Unabhängigkeit steht durch den jetzigen Ankauf von Staatspaieren auf dem Spiel, weil das durchaus ein Fass ohne Boden sein kann.
Eines Tages..... werdet Ihr feststellen,
dass man Geld nicht essen kann,
hiess es früher.
Brunnenvergifter wurden früher geächtet/bestraft,
Brandstifter ebenso.
Geldvernichter werden mit neuem Stoff versorgt.
So bleibt das Zuschaun, welche Wärung überlebt.
@Lutz Herden, die Chanse zur politischen Regulierung des freien
Marktes wurde nicht 2008 verspielt, sondern der" freie Markt "lässt politische Regulierung wider dem Profit und der daraus resultierenden Spekulation,schon immer nicht zu (über Regulierungen entscheidet der Markt aber nicht die Politik ) Der EURO muß den Wettbewerb z.B.
gegen den Dollar verlieren, weil die Rettung zu Lasten der Sozialleistungen in vielen europäischen Ländern geht und da hat der Dollar durch geringere Sozialverpflichtungen z.B. in Amerika (siehe Gesundheitsreform ) einen klaren Wettbewerbsvorteil !
Richtig ?
Spekulanten-Bashing wird der Krise meines Erachtens nicht gerecht. Hand hoch, wer in diesem Forum griechische Anleihen mit 10 Jahren Laufzeit kaufen ohne gewaltigen Abschlag auf den Nennwert kaufen würde. Oder spanische, italienische, belgische? Dass man auf den Ausfall dieser Staaten wetten kann, ist nicht von entscheidender Bedeutung.
Selbst einen Teil der Kritik an den Ratingagenturen muss man überdenken, wenn man dem Link in folgendem Artikel folgt: tinyurl.com/2vjc8x8
Da wurde also schon 2007 von S publiziert, dass (im damals wirtschaftlich viel freundlicheren Umfeld) ohne massive Veränderung der Spielregeln innerhalb der nächsten 25 Jahre nahezu alle Industriestaaten Pleite gehen werden. Nur hat damals offenbar niemand darauf gehört. Auch ich hab den damals Artikel gar nicht wahrgenommen. Die Wirtschaftskrise hat diesen Prozess nun beschleunigt.
Solange in Europa solche Töne üblich bleiben, sehe ich tendentiell schwarz für ein Europa mit unterschiedlichen Währungen, Wirtschafts.-, Finanz.- und Sozialpolitiken.
Die britische Kurzsichtigkeit könnte, wenn die Euro-Brandmauer länger wirkt das Pfund als Angriffsziel wählen. Retten "wir" Euronationen dann UK? Angesichts der Töne fiele es wahrscheinlich nicht nur mir kleine Leuchte schwer, obwohl die Ratio sagt - logisch. Aber das ist nur ein Randaspekt.
Grundsätzlicher wäre zu Fragen ist Europa und seine Entwicklung in Zukunft zu trennen in ein Euro-Europa und ein Nicht-Euro-Europa?
Die Logik dieses Marktes wäre dann
"Zudem müssen Anleger sehr gut auf die Sozialpolitik der einzelnen Emittenten achten. Obamas Gesundheitsreform etwa dürfte die Chancen einer langfristigen Konsolidierung des amerikanischen Staatshaushaltes eher verringert haben, während eine Anhebung des Rentenalters in einem Staat die Chancen verbessert."
Arbeiten bis 100 oder rechtzeitig an einer preiswerten Krankheit sterben? Zynisch - ich weiß.
"Einige Staaten könnten erfolgreich konsolidieren, wenn sie ihre Rentenversprechungen nicht einhalten und die Relation der altersbezogenen Ausgaben auf dem Niveau von 2011 einfrören. Auch Deutschland könnte seine Verschuldung so bis 2040 auf das Niveau etwa des Jahres 2000 senken. Doch Japan, Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten würde selbst eine solch drakonische Politik nicht wirklich retten."
Die Denkschrift ist also eine gute Grundlage sich über neue Massnahmen am "Markt" Gedanken zu machen, damit er anders funktioniert. Die Illusion, die Staaten könnten jemals wieder schuldenfrei werden sollte man als solches dann nicht weiter verfolgen. Die Überlegung für eine neue Denkschrift wäre wie man Wachstum und soziale wie technische Entwicklung ohne Zinslast organisieren kann.
Das macht sie doch selbst. Aber ich habs jetzt einigermassen kapiert: es gibt nun gleichsam neben der EU eine "Zweckgesellschaft", fuer die Germany in Hoehe von 123 M. Euro haftet. Fuer die EU haften die Mitgliedstaaten ja nicht.
Ich will ja nicht "unken".
Aber ein Auseinanderbrechen der Währungsunion, bedeutet auch eine Destabilisierung der EU und wird Europa letztendlich in einen Krieg stürzen.
Das ist mir etwas zu monokausal argumentiert, weil das trotz allem geltende Prinzip der Sozialstaatlichkeit in einem Teil der EU-Staaten eben als historische Erfahrung nicht ohne weiteres über Bord geworfen werden kann. Es war bisher auch als Wettbewerbsvorteil gegenüber den Amerikanern von Relevanz, ob das so bleibt wird sich zeigen. Dass aber soziale Prinzipien nicht einfach entsorgt werden können, zeigt sich unter anderem daran, dass bis heute Hartz IV in Deutschland zwar hingenommen, aber eben doch nicht angenommen wird.
also die kredite die da aufgenommen und weitergereicht werden, sind für die betreffenden länder billiger als die eigenaufnahme von krediten. da spart man geld. und wir bekommen geld, wenn wir es denn auch zurückbekommen.
für garantien bekommt man einen zinssatz als gebühr. daran verdient man geld.
von daher ist es vollkommener blödsinn von merkel, aus diesen gründen die steuersenkung abzusagen. da wollte sie nun einfach mal ein machtwort sprechen um aus der defensive rauszukommen.
der angebliche tsunami, der da auf europa zurollte, war schlichtweg nicht existent und nun von der politik herbeigeredet um ihrer vorbeugenden aktion wirkung zu verleihen.
zugegebenermaßen, da wurden nun einige register gezogen, von denen ich den anleihenkauf der ezb z.b. erst unter dem neuen ezb-chef erwartet hätte. die dynamisierung war zum schluss zu groß... das programm hat seine kurzfristige wirkung nicht verfehlt.
nach dem rettungsprogramm der fed sind die börsen erst hoch und dann eingebrochen... ehe die megarally begann. die chinesen befinden sich bspw. seit jahresanfang in der trendwende und waren auch gestern im minus.heute ebenfalls ...
der knackpunkt ist, dass die EZB noch immer hat vermissen lassen, was die FED schon lange tut ... "wir werden alles tun was notwendig ist". der spruch fehlt einfach und der anleiheneinkauf ist auch mit sehr vielen fußnoten versehen. bloß nicht die geldmenge ausweiten .. d.h. es wird nebenmärkte geben die unter druck geraten.
ein ziemlich mieses konstrukt. da besteht die gefahr neuer bedenken .. bis jetzt hatten alle genug zeit sich das in ruhe anzuschauen... ab heut beginnt die realität.
unabhängig davon:
es gibt noch ein paar mehr maßnahmen, die da gefahren werden können und allein schon die dollar-swaps sind ein wichtiges element zur marktberuhigung. va ist das mehr eine rettung der schweiz, als des euros. ;P
mfg
mh
Diese 750 Milliarden (zum Vergleich: Das schweizer BIP liegt z. Z. bei gut 500 Milliarden) sind noch gar nichts: Von Oktober 2008 bis Mitte Juli 2009 hat die Europäische Union sagenhafte 2,9 Billionen Euro- oder 31,7 Prozent der Wirtschaftsleistung aller Mitgliedsstaaten- an staatlichen Garantien für die Banken bereitgestellt..!
mh: Rettung der Schweiz? Irgendwie... schon, ja. Unser "sicherer" Hafen bringt uns z. Z. nur sowieso nur Nachteile.
Es sind eben nicht alle Garantien gleich.
>>...weil das trotz allem geltende Prinzip der Sozialstaatlichkeit in einem Teil der EU-Staaten eben als historische Erfahrung nicht ohne weiteres über Bord geworfen werden kann.
Nicht an einem Stück über Bord geworfen, sondern langsam Stückchen für Stückchen. Hat das nicht längst begonnen, mit der Begründung: „Nicht mehr finanzierbar?”
Und in dem Zusammenhang frage ich mich: „Wer bezahlt denn die Zinsen?”
Letztlich sind die Steuerzahler der Zinsgeber. Der Zinsnehmer, letzlich der Anleger von privatem Geld, der wirds nicht richten.
Verordnete Sparprogramme mit weiterem „Gesundschrumpfen” der Binnenmärkte und weiteren Einkommensverlusten beschleunigen nicht nur die Insolvenz beitragsfinanzierter Sicherungssysteme, sie führen auch zwangsläufig zu Sparprogrammen in den Privathaushalten: Die Mehrwertsteuersumme sinkt. Man wird zweifellos versuchen, das mit weiteren Erhöhungen der Mehrwertsteuer aufzufangen, was aber weiteren Sparzwang für die Bürger bedeutet.
Immer weniger Menschen können Ersparnisse auflösen, um noch halbwegs einen „ökonomischen Standard" zu halten. Man sieht diese Entwicklung deutlich bei Hartz4: Das Geld ist weg, die Menschen sind da. Als Armutsrentner oder als Armutsarbeiter in Zeitarbeit. Die wachsende Zahl der Habenichtse wird die Zinslast nicht tragen können.
Was dann?
Man wird sehen, wie nach der NRW-Wahl die Maßnahmen zur Haushaltssanierung ausfallen, an eine Mehrwertsteuer-Erhöhung kann ich aber vorerst nicht glauben, das wäre binnenwirtschaftlicher Wahnsinn.
"das wäre binnenwirtschaftlicher Wahnsinn"
der in Griechenland als Voraussetzung verlangt wurde...
Eigentlich bleibt es doch gleich, wie ich Kaufkraft abschöpfe.
Als Beispiel sei noch einmal an Berlin-West erinnert. Hier wurde nach der Wiedervereinigung in Schritten die so genannte steuerfreie "Zitterprämie" (Berlin-Zulage) in Höhe von 8 % des Bruttogehaltes einfach abgeschafft, ohne diesen dadurch einhergehenden Kaufkraftverlust jemals auszugleichen. Nein, die Löhne sanken auch noch so und die Arbeitslosigkeit stieg immens. Die Folgen sind auch jetzt noch zu besichtigen.
Zieht man sich die Argumente der Westdeutschen für die Abschaffung dieser Zulage noch einmal zu Gemüte werden seltsame Denkmuster sichtbar.
Auch die Westberliner wurden als faule Kostgänger des Bundes diffamiert, glaubte man den Trommlern, gab es in Westberlin sogar "goldene Türklinken" usw.
Auch gegenüber den NBL treffen sie auf diese nicht ausrottbaren Vorurteile.
Jetzt bei den Griechen wieder und immer mit dem Hinweis, wenn wir diese Zahlungen einstellen, nicht tätigen, hätte der einzelne Westdeutsche sofort spürbar mehr in der Tasche.
Hier wird eine speziell westdeutsche (insbesondere in Sueddeutschland verbreitet) Denkweise sichtbar, die Unfähigkeit teilen zu wollen!
Man denke nur an den Schwachsinn, der noch droht, die typisch deutsche, grundgesetzlich verankerte "SCHULDENBREMSE"!
Genau so wollte auch Helmut Kohl verstanden werden. Ob er zur Zeit - abgesehen von seiner schweren Erkrankung - wirklich ruhig schlafen kann, wenn er das (Nicht)Agieren seiner Nachfolgerin beobachtet, bewertet.
An Krieg will ich nicht glauben, nur alte Gräben reissen mit Sicherheit wieder auf und unruhiger werden die Zeiten. Was wurde seit 1990 nicht alles verspielt, obwohl wir doch soviel gewonnen haben.
Glauben, hoffen und Freude dahin.
Ursache? Nun, der Kapitalismus kann offensichtlich ohne Feind, Krieg und Krisen nicht existieren, was letztendlich nicht dem Wohle des Volkes dient, aber auch nicht den Wohlstand ewig mehrt.
Die Bremse ist doch sehr praktisch. Wir sind eben nicht die DDR.
Diese Schuldenbremse ist auch deshalb kontraproduktiv, weil sie zu außenwirtschaftlichem Druck und entsprechenden Konsequenzen führt, denn es gibt eine Reihe von EU-Ländern, die inzwischen ähnliche Maßnahmen einführen oder darüber nachdenken. Das wird den Exporteur Deutschland notgedrungen belasten. Möglicherweise sehr.
Dem Exporteur Deutschland wird es ohnehin in Zukunft in Europa schwerer fallen, wenn ringsum in Europa gespart werden muss. Unabhängig von einer gesetzlichen Schuldenbremse, gibt es diese faktisch per Marktdruck über die Spekulanten/Investoren, die erwarten, dass in Europa (und in den USA) kräftig gespart werden muss. An der Stelle ist auch die Begrifflichkeit "Schutzwall" an sich falsch, weil man baut einen"Schutzwall" gegen etwas (oder jemanden) auf, zu dem jene zwingen es zu tun, damit der Schutzwall überflüssig wird. Aber auch nur eine Randbemerkung zur Logik des Systems das sich systembedingt gegen sich selber stellt, um als bestehendes System zu überleben.
Die damit einhergehenden Belastungen der privaten Haushalte wird reales Wirtschaftswachstum (aus-)bremsen und Nachfrage von Konsum.- wie Investionsgüter reduzieren. Der Exportmeister wird radikal umdenken/umsteuern müssen. Das EU-Ausland (oder besser Inland) wird unsere Bonität nicht mehr mitfinanzieren können. Wir werden das mehr und mehr selber schaffen und/oder unsere finanzstarken Handelspartner eher ausserhalb der EU suchen. Aber selbst das würde nur neuerliche Zeit kaufen bedeuten.
Die Arbeitslosigkeit hier zu Lande wie im Rest von Europa wird zunehmen und die Transferleistungen sinken müssen, um die Kosten im Griff zu halten. Wie die sich dennoch entwickelnden (in Gänze sicher steigenden) Sozialtransferkosten zu bezahlen sein werden ist dabei völlig offen. Heute schon klamme Kommunen, die an sich nur noch Zinsen zahlen werden pleite gehen. Wer zahlt es? Besser wer zahlt die Zinsen - die Renditeerwartungen zurück?
Die fetten (auf Kredit gekauften) Jahre sind vorbei. Das gilt für Privatpersonen, Unternehmen, Kommunen und Staaten. Zumindest letztere sind an sich Zahlungsunfähig.
Vielen Dank für den Hinweis zur in Frage gestellten Logik des Systems, das um seiner selbst willen gegen die eigenen Gesetze handeln muss. Das sollte man gedanklich weiter verfolgen.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf einen sehr interessanten Beitrag von Dani Rodrik hinweisen, der ein grundlegendes Dilemma der heutigen Weltwirtschaft verdeutlicht.
Wir erinnern uns noch an die immer wieder propagandistisch aufgestellte Behauptung - gerade in Zeiten des "Kalten Krieges" - Markwirtschaft sein nur in einer Demokratie zu verwirklichen. Die Realität zeigt uns etwas anderes.
Nun aber Dani Rodrik, der von einem
"politischen Trilemma der Weltwirtschaft"
spricht und damit die Unvereinbarkeit von
"wirtschaftlicher Globalisierung, politische Demokratie und dem Nationalstaat"
meint. Liest man seinen Beitrag, geht einem unwillkürlich der Begriff vom "magischen Viereck" durch den Kopf. Auch dieser anzustrebende Idealzustand wartet weiterhin auf seine Verwirklichung, denn dieser wird in der Jetztzeit und in der Zukunft noch weniger erreichbar sein, als es in der Vergangenheit schon war.
Aber zurück zu Dani Rodrik und ein kleiner Ausschnitt aus senem Beitrag:
"In ihrem Kern ist die Krise eine weitere Manifestierung des Phänomens, das ich „das politische Trilemma der Weltwirtschaft“ nenne: wirtschaftliche Globalisierung, politische Demokratie und der Nationalstaat sind nicht miteinander vereinbar. Wir können höchstens zwei gleichzeitig haben. Demokratie ist nur dann mit nationaler Souveränität vereinbar, wenn wir die Globalisierung einschränken. Wenn wir die Globalisierung vorantreiben, während wir gleichzeitig den Nationalstaat beibehalten, müssen wir die Demokratie fallen lassen. Und wenn wir Demokratie zusammen mit Globalisierung wollen, müssen wir den Nationalstaat beiseite schieben und eine stärker internationale Regierungsführung anstreben.
Die Geschichte der Weltwirtschaft verdeutlicht die Funktionsweise des Trilemmas. Das erste Zeitalter der Globalisierung, das bis 1914 andauerte, war so lange erfolgreich, wie Wirtschafts- und Geldpolitik vom innenpolitischen Druck isoliert blieben. Diese Politik konnte dann völlig den Anforderungen des Goldstandards und der freien Mobilität des Kapitals unterworfen werden. Doch sobald das politische Stimmrecht ausgeweitet wurde, organisierte sich die Arbeiterklasse, und Massenpolitik wurde zur Norm, wirtschaftliche Ziele im Inland begannen, mit externen Regeln und Beschränkungen zu konkurrieren (und diese zu bezwingen)."
Den Gedanken zu fassen ist leichter als ihn in Worte zu kleiden.
Das System folgt dem Druck des Marktes (Spekulanten/Finanz-Investoren, die ich im Weiteren kurz S/F abkürze), in dem es über drastisches Sparen dafür sorgt, dass die S/F aus ihrer Sicht guten Glaubens ihre Zinsen (Rendite) zu bekommen das Spielen mit erhöhtem Zinsdruck unterlassen und so der Schutz (der aus zusätzlicher Verschuldung besteht) nicht notwendig würde. Die so angegriffen Staaten bauen mit weiterer Verschuldung eine Mauer, um diesem Druck zu widerstehen, um in der Folge dem Willen der S/F zu folgen. Womit allerdings das System (welches auf Wachstum ausgerichtet ist) dafür sorgt zu Schrumpfen und sich damit wiederrum selbst zu schwächen.
Ich bemerke so für mich. Es wird immer schwerer den Markt der S/F mit dem realen Markt in Einklang zu bringen. Nicht nur verbal.
Mir erscheint es als zwei parallele Universen mit gleichen oder sehr ähnlichen Regeln, wo das eine das andere aussaugt...
Ich kann mich noch erinnern:
Die SPD/Grün-Regierung war für ihre "sehr gute Erledigung der Hausaufgaben der Agenda 2010" über den grünen Klee gelobt worden.
Gleichzeitig hatte Griechenland eine schlechte Presse, weil dort die "Hausaufgaben" nicht erledigt wurden. Jetzt wird ein Exempel statuiert: Da können die Griechen protestieren wie sie wollen, ihre Lebenverhälnisse werden drastisch verschlechtert und damit die binnenwirtschaftliche Lage.
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>>an eine Mehrwertsteuer-Erhöhung kann ich aber vorerst nicht glauben, das wäre binnenwirtschaftlicher Wahnsinn.
die Hoffnung stirbt zuletzt, lieber Lutz Herden. Vor gar nicht langer Zeit wurde die MWST ganz still und ohne grosse Worte darüber zu verlieren erhöht.
Und wenn ich mich umschaue, dann lese ich auch von Ökonomen, die eine "Harmonisierung" der eupopäischen MWST bei 25 % als die Erlösung von allen Übeln preisen...
Die "Agenda 2020" wird auf den Weg gebracht, und sie wird uns nichts Besseres bringen als die Version 2010, im Gegenteil.
>>Diese Schuldenbremse ist auch deshalb kontraproduktiv, weil sie zu außenwirtschaftlichem Druck und entsprechenden Konsequenzen führt, denn es gibt eine Reihe von EU-Ländern, die inzwischen ähnliche Maßnahmen einführen oder darüber nachdenken. Das wird den Exporteur Deutschland notgedrungen belasten. Möglicherweise sehr.
Dem wird mit einer weiteren Erhöhung des "working poor"-Anteiles begegnet werden. Das hatten wir schon und es hat sich aus der Perspektive von Konzernvorständen bewährt. Damit wächst natürlich der Anteil der Bürger, die nichts mehr haben, auch kaum noch Einkommen generieren können und keine Steuern mehr für den Schuldendienst aufbringen können.
Als Lohnkonkurrenten können übrigens die endgültig verarmten Griechen eingesetzt werden, die auf den europäischen Arbeitmarkt ausschwärmen werden.
Lutz Herden, Sie haben mich falsch verstanden, ich bin für die Erhaltung
der Sozialverpflichtungen die die europäischen Staaten mehr (noch)
realisieren als z.B. Amerika. Aber genau das ist der Wettbewerbsnach-
teil wenn jetzt immer mehr die Staaten Europas die Bürger zur Kasse
bitten (direkt oder indirekt). Oder heist die Staatsbank , Staatsbank weil
sie eine schwarze Kasse hat, Markt- und Bürgerunabhängige ,aus der
Sie die "Staatsschulden" wie "Pappa/Mamma" begleischen kann ?
Claudia hat hier auch schon mansches klargestellt.
Herr SchmidtH: Der globale Markt stellt sich mir so dar, das er ohne Nationen und politischer Demokratie aggiert, aber viele Nationen, siehe die gegenwärtige Kriese aggieren nicht politisch demokratisch ("alternativlose Entscheidungen") und werden vom globalen Markt "überrannt".
Eine geregelte Sozialversicherung muss kein Wettbewerbsnachteil sein, sie vermittelt zunächst einmal ein gewisses Gefühl, auf Sozialleistungen rechnen zu können - über die Höhe wollen wir nicht reden –, wenn Bedarf besteht. Aus Sicht der Unternehmen schafft das halbwegs stabile Arbeitsverhältnisse und Leistungsbereitschaft, die durch permanente Verunsicherung kaum erreichbar oder nur sehr schwer zu erhalten wäre. Und eine soziale Grundsicherheit hat auf Einfluss auf Tarifverhandlungen und Lohnkämpfe. Ohne diese Hintergrund hätten die Gewerkschaften imn vergangenen Jahrzehnt kaum den Kurs strikter Lohnzurückhaltung fahren können. Und der bringt in der EU - wie sich jetzt zeigt - erhebliche Wettbewerbs- und Vermarktungsvorteile.
Meine Ansicht:
Eine bessere Sozialversicherung stärkt die Verhandlungsposition der Gewerkschaften und Arbeitenden allgemein. Eine höhere Sozialversicherung und höhere Löhne zwingen die Unternehmen produktiver zu werden. Deutschland war und ist noch konkurrenzfähiger als viele andere Länder, weil die deutschen Ingenieure zu den besten der Welt gehören. Wir haben zB im Maschinenbau nie über Preis, sondern immer über Qualität verkauft. Die Chinesen bauen mittlerweile billigere Werkzeugmaschinen, zB Plattenbohrwerke oder Schwerdrehmaschinen. Aber die halten nicht so lange und sind nicht so präzise wie unsere. Die Kunden dafür wissen das natürlich. Niedrige Löhne spielen höchstens in arbeitsintensiven Bereichen eine gewisse Rolle. Die Nordamerikaner bauen auch Werkzeugmaschinen, Druckmaschinen. Sie haben –wie bereits erwähnt wurde- kaum Sozialleistungen zu erwarten. Was ja einen Druck nach unten auf die Löhne auslöst, trotzdem sind deren Druck- und Werkzeugmaschinen im Allgemeinen schlechter als unsere und weniger konkurrenzfähig. Das diese strategischen Bereiche (insbesondere Werkzeugmaschinenbau) jetzt in einer weltweiten Überproduktionskrise stecken, ist nicht schön.
Darauf haben aber die jeweilig geltenden sozialen Standards auch ihren Einfluss.
Nicht völlig von der Hand zu weisen, zumal derzeit der Euro trotz der großen Stützungsaktion schon wieder bei mageren 1,25 Dollar pendelt - schlechter als vor einer Woche, als die Bürgschaften von Ecofin noch gar nicht beschlossen waren.
>>...an eine Mehrwertsteuer-Erhöhung kann ich aber vorerst nicht glauben, das wäre binnenwirtschaftlicher Wahnsinn.
Heute im Radio gehört: Das DIW schlägt Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 25 % vor. Das sei die sicherste Einnahmequelle.
Der Wahnsinn marschiert.