Der DFB und der Mut zur Metapher

Ultimo Franz Beckenbauer hat die Verantwortung übernommen. Nicht für Niersbachs Sprachbilder, aber fürs große Ganze und einen denkwürdigen Merksatz
Ausgabe 45/2015

Es ist ein Tanz auf dem Hochseil der intellektuellen Leidenschaft. „Unser Schiff hat Schlagseite. Es lässt sich nur wieder aufrichten, wenn wir alle auf einer Seite stehen“, hat Präsident Niersbach (wenn auch sprachlich nicht so flüssig wie hier aufgeschrieben) die Lösung der DFB-Krise angedeutet. Eine Fachwelt ist gerührt und fühlt sich von diesem Mut zur Metapher aus der Sprachlosigkeit gerissen. „Ich gehe mit ihm völlig chloroform“, lässt sich Ex-Nationalspieler Olaf Thon zitieren. „Man darf ihn jetzt nicht übers Knie brechen“, meditiert Rudi Völler über die Zukunft des DFB-Chefs. Otto Rehhagel meldet sich aus der Seniorenresidenz Taverna Magica und vergleicht die Lage des DFB mit einem Fußballspiel: „Mal verliert man, und mal gewinnen die anderen.“

„Es ist wunderbar, wie er seinen Geist zwischen sich und die schwarzen Kassen schiebt“, so Horst Hrubesch. Aber auch Kritiker fackeln nicht lange. „Das darf in der Türkei passieren, nicht in der zivilisierten Welt“, mosert Ex-Torwartlegende Toni Schumacher, relativiert aber seinen Verriss, als ihm das Zischeln von Jens Lehmann zu Ohren kommt. „Meine Aussage bezog sich auf den Ausfall der Flutlichtanlage beim DFB-Pokalspiel 1. FC Köln gegen Viktoria Idar-Oberstein vor 56 Jahren.“

Was soll’s. Franz Beckenbauer hat die Verantwortung übernommen. Nicht für Niersbachs Sprachbilder, aber fürs große Ganze und den Merksatz: „Ich bin nicht Jesus. Aber wer kann das schon mit letzter Gewissheit von sich sagen?“ Aha! Es bringt ihn eine grauenhafte Vermutung fast um den Verstand: Die 6,7 Millionen könnten nicht für alle in der FIFA Darbenden gereicht haben. Jesus, so wissen wir aus dem Evangelium des Matthäus, hatte nur sieben Brote und ein paar Fische für die Notleidenden, „auf dass sie nicht verschmachten auf dem Wege“. Und auf dem Weg nach Deutschland verschmachten gerade so viele. Warum soll das nicht auch „auf dem Wege“ zur WM 2006 passiert sein?

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Die Satirekolumne Ultimo gab es im Freitag zwischen 1997 und 2009

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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