Der Fall Syrien

Gemengelage Zehn Thesen zu Bürgerkrieg und Konfliktdiplomatie
Die Vereinten Nationen beobachten die Lage in Syrien - nicht ohne Eigeninteressen
Die Vereinten Nationen beobachten die Lage in Syrien - nicht ohne Eigeninteressen

Foto: Menahem Kahana/AFP/Getty Images

I.

Durch den US-Abzug aus dem Irak und die Arabellion ist die Kräftebalance im Nahen Osten aus den Fugen geraten. Davon profitiert besonders Saudi-Arabien, das seine Hegemonie als sunnitische Kraft in der Region verstärkt. Siegt der sunnitische Widerstand im säkularen Syrien, wäre das ein Durchbruch für sie.

II.

Insofern handelt es sich in Syrien nur teilweise um einen internen Konflikt. In der ausgebrochenen Konfrontation spiegeln sich regionale Kräfteverhältnisse und Interessen. Unter anderem deshalb wurde der Konflikt zum Gegenstand internationaler Konfliktdiplomatie – und genau deshalb ist diese bisher gescheitert.

III.

Die Akteure dieser Konfliktdiplomatie sind – mit Ausnahme der UN – letztlich auch darum bemüht, diesen Konflikt im Sinne ihrer Interessen zu entscheiden. Das hat in Syrien die innere Konfrontation verschärft und dazu geführt, dass es offenkundig nur noch eine gewaltsame Lösung geben kann.

IV.

Die externe Parteinahme wurde nicht ausgesetzt, als der Annan-Friedensplan zu scheitern drohte. Vielmehr wurde sie forciert, sodass er scheitern musste. Es hätte stattdessen Verhandlungen mit allen in den Konflikt involvierten Staaten geben müssen, auch mit dem Iran. Das jedoch lehnten die USA ab.

V.

Medien im Westen beschreiben diesen Konflikt vorrangig als Krieg des Assad-Regimes gegen das eigene Volk. Das übersieht, dass dieses Volk gespalten ist – dass es neben den Gegnern noch Anhänger des bisherigen Regimes gibt. Die Spaltung ist politisch und sozial, ethnisch und konfessionell geprägt.

VI.

Der Vorwurf des Völkermords gegen das Assad-Regime baut moralischen Druck auf: Wer sich gegen Assad ausspricht, schützt das syrische Volk vor Völkermord – wer das nicht tut, begünstigt einen Völkermörder. Damit schwindet die Möglichkeit, mit dem Regime in Damaskus zu reden. Das ist das Ende jeder Konfliktdiplomatie.

VII.

Wäre Syrien nicht Syrien, und hätte dieser Staat nicht eine Armee, die mit Blick auf die israelische Militärmacht ausgerüstet und ausgebildet ist, würde noch lauter nach Schutzverantwortung und Intervention gerufen. Die aber könnte zum regionalen Flächenbrand führen und erscheint daher als höchst riskant.

VIII.

Primärstadien einer Intervention wie eine Blockade des syrischen Luftraumes sind denkbar, wegen des fortschreitenden Bürgerkrieges, der urbanen Schauplätze, unklarer Frontverläufe und der geografischen Beschaffenheit des Landes aber ebenfalls gewagt. So wird auf eine Erosion des Regimes gesetzt.

IX.

Die Bemühungen, Syrien-Resolutionen im UN-Sicherheitsrat mit Bezug auf Kapitel VII der UN-Charta zu verabschieden, zeigen jedoch, dass die Option zur Intervention zwar nicht als reales, wohl aber als taktisches Moment erwogen wird. Damit wächst der Druck auf Russland und China.

X.

Wie in Libyen könnte es auch in Syrien zu einem Regimewechsel kommen. Nicht nur die interne Opposition und der Bürgerkrieg im Land, sondern auch die westliche Gemeinschaft treiben dies voran. Dabei scheinen die Verfassung eines Staates wie auch seine Souveränität keine große Rolle zu spielen.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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