Des Pudels Kern

Gipfel Donald Trump hat nach seinem Termin in Helsinki keine gute Presse. Von allen Seiten wird ihm bescheinigt, Wladimir Putin nicht gewachsen zu sein
Die Verkrampfung sollte sich noch lösen
Die Verkrampfung sollte sich noch lösen

Foto Brendan Smialowski / AFP - Getty Images

Es gab in der Vergangenheit angemessenere Anlässe für die Verbündeten, zu US-Regierungen auf Distanz zu gehen, als jetzt den Gipfel in Helsinki. Das Jahrzehnt des Vietnam-Krieges (1965 - 1975) und die dabei waltende Kanonenboot-Ideologie etwa. Oder die von der Reagan-Administration Anfang der 1980er Jahre forcierte Dislozierung von US-Mittelstreckenraketen in Westeuropa. Da war nicht nur die höhere Gewalt der Bündnisräson im Spiel, sondern auch viel Sinn für Irrsinn, wenn quasi das eigene Territorium als atomares Gefechtsfeld zur Verfügung gestellt wurde.

Ein anderes Beispiel: Als im Frühjahr 1999 die Regierung von Präsident Clinton eine Luftintervention gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien für unumgänglich hielt, wurden erstmals seit 1945 Grenzen in Europa wieder durch Gewalt verändert (Ergebnis war schließlich die Abtrennung des Kosovo von Serbien). Keine Regierung irgendeines NATO-Staates, schon gar nicht die aus SPD und Grünen in Deutschland, hatte etwas dagegen einzuwenden, durch Bruch von Völkerrecht ein Exempel zu statuieren und so zum Vorläufer heutiger Verhältnisse zu werden, bei denen die internationale Rechtsordnung gegen die Schlachtordnungen vieler regionaler Kriege nichts mehr ausrichten kann.

Zuviel Trump-Bashing

Insofern sollte die Scham der Erinnerung all jene verstummen lassen, die suggerieren, mit Trump sei in Helsinki ein verantwortungsloser Flaneur der internationalen Politik am Werk gewesen, bei dem nicht auszuschließen sei, dass er dem Westen schade. Oder dessen Werte verrate. Das haben dessen Politiker schon zur Genüge besorgt.

Wenn das Treffen von Helsinki in Deutschland wie anderen EU-Staaten mit viel Skepsis bedacht wird, kann daraus nur geschlossen werden: Ein normalisiertes Verhältnis zwischen den beiden Mächten mit den schlagkräftigsten, zerstörerischsten Atomwaffenpotenzialen ist nicht sonderlich erwünscht. Dabei glaubte man immer, Regierungen seien darauf vereidigt, Schaden von ihren Ländern abzuwenden. Und warum wird übersehen, dass die beklagte transatlantische Erosion durch übermäßiges Trump-Bashing Fahrt aufnehmen dürfte? Wenn der US-Präsident die EU zum Gegner erklärt, sollte die sich nicht so verhalten, dass er sich bestätigt fühlt.

Zumal im Verlauf der Gespräche in der finnischen Hauptstadt einiges berührt wurde, was nicht leichtfertig verrissen werden kann. So hat Wladimir Putin angeregt, künftig einseitige Schuldzuweisungen wegen des Umgangs mit dem INF-Vertrag über den Verzicht auf Kernwaffen mittlerer Reichweite zu unterlassen. Statt wechselseitiger Anschuldigungen sollte der Vertrag durch entsprechende Erklärungen beider Regierungen bekräftigt werden. Bei einem ähnlichen Verfahren könnte man sich auch zu einem Neubeginn bei der konventionellen Rüstungskontrolle aufraffen (Russland ist 2015 aus dem KSE-Vertrag ausgestiegen, als es wegen des Ukraine-Konflikts eine florierende Stationierung von NATO-Truppen an seinen Grenzen gab.)

Sicher gibt es zu diesen wie all den anderen in Helsinki behandelten Themen keine Gipfelerklärung. Doch ist es verwegen – um nicht zu sagen: infam –, das Treffen deshalb als „Nullnummer“ zu bezeichnen? Als sich in der zweiten Hälfte der 1980er Jahre Michail Gorbatschow und Ronald Reagan – im November 1985 in Genf und knapp ein Jahr später in Reykjavik – trafen, um eine durch nukleare Hochrüstung verursachte heikle Weltlage beherrschbar zu halten, gab es nie „konkrete Ergebnisse“. Bald jedoch begannen die START- und INF-Verhandlungen, um Jahre der Sprachlosigkeit hinter sich zu lassen und lange unterbrochene Rüstungskontrollgespräche wieder aufzunehmen. Sie führten zu „konkreten“ Verträgen, um die Gefahr einer thermonuklearen Konfrontation einzudämmen. Käme man heute wieder soweit, wäre viel gewonnen.

Provokation als Raison d'être

Soviel dürfte unstrittig sein: Solange Donald Trump regiert, werden die USA Wert auf eine eigenmächtige Russland-Politik legen. Nicht allein, weil diesen Präsidenten der Wille antreibt, sich von den schwer gestörten Beziehungen mit Moskau in der Zeit der Obama-Regierung abzusetzen. Trump dürfte vor allem der Drang motivieren, die amerikanisch-russischen Beziehungen als Druckmittel gegenüber Staaten wie Deutschland zu gebrauchen, die er nicht nur wie Gegenspieler behandelt, sondern auch dafür hält. Sein Credo: Provokation als Raison d'être einer auf Prestigegewinn und sichtbare außenpolitische Effekte bedachten Amtsführung, sei es durch die Iran-Politik, die Nordkorea-Diplomatie oder den Kontakt zu Wladimir Putin. Dies vorzuführen, dient als Nachweis von Unbeirrbarkeit oder Handlungskraft gegenüber jedermann. Im Unterschied zum künstlichen Erschrecken unter den Europäern über diesen "New Deal" ist der berechenbarer als suggeriert wird.

Die Zeitung The Boston Globe sieht in ihrer Gipfelnachlese Donald Trump als Putins Pudel“, schreibt aber nicht, ob der weiß oder schwarz ist. Träfe Letzteres zu, wäre das eine Erinnerung an Fausts Pudel wert, der ihn nach einem Spaziergang bis ins Studierzimmer begleitet, um sich dort in Mephisto zu verwandeln. Unterschätzen sollte man diesen Präsidenten also nicht.

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