Die am wenigsten schlechte Option

Iran Erneut wird an der Iran-Sanktionsspirale gedreht, anstatt nach einem Weg zu suchen, der Teheran eine kontrollierte zivile Nutzung der Kernenergie ermöglicht

Die Europäische Union sekundiert den USA und das vorbehaltlos. Russland dreht bei und will Sanktionen. China verzichtet auf ein Veto, scheint aber von einer forcierten Konfrontation mit Teheran nicht überzeugt. Ist das der große Schulterschluss, den der UN-Sicherheitsrat mit den neuen Iran-Sanktionen feiert? Zweifel sind angebracht. Es sind kaum überraschend die beiden Regionalmächte Brasilien und Türkei, denen die erneute Maßregelung Teherans zu weit geht und die im Sicherheitsrat den Sanktionsbeschluss nicht mittragen. Mitte Mai hatten Präsident Lula das Silva und Premier Erdogan mit dem iranischen Staatschef Mahmud Ahmadinedschad einen Vertrag ausgehandelt, nach dem in der Türkei 1.200 Kilogramm iranisches Uran mit einem niedrigen Anreicherungsgrad von 3,5 Prozent gelagert und im Gegenzug mindestens ein Jahr später 120 Kilogramm mit einem Anreicherungsgrad von 20 Prozent für den Forschungsreaktor in Teheran zurückgeschickt werden. Vom Prinzip her ein ähnliches Modell, wie es die Internationale Atomenergiebehörde IAEA in Oktober 2009 angeregt hatte: iranisches Uran in Russland anreichern und in Frankreich zu Brennstäben verarbeiten.

Es sei bei all der überspitzten Polemik gegen Iran erwähnt, dass Uran mit einem Reinheitsgrad von 80, normalerweise 90 Prozent gebraucht wird, um Atomwaffen bauen zu können. Von solcher Leistungsfähigkeit sind die iranischen Anlagen weit entfernt. Sie ermöglichten nach Angaben der IAEA Ende 2009 einen Uran-Bestand von 1.800 Kilogramm mit einem Reinheitsgrad von 3,5 Prozent. Es ist also alles andere als akute Gefahr im Verzug. Was den UN-Sicherheitsrat auf Wunsch der Amerikaner gerade jetzt zum Handeln treibt, erscheint nicht völlig nachvollziehbar. Zumal die Führung in Teheran weder ein Interesse an fortschreitender Isolation noch an sinnlosem Märtyrertum hat. Auch überzeugt die Begründung kaum, harte Sanktionen verhinderten einen militärischen Alleingang Israels, der bei allem notorischen Autismus der Regierung Netanyahu derzeit nicht absehbar ist. Daher läuft das gesamte Sanktionsgebaren wieder auf die übliche politische Zeichensprache hinaus und bedient das Raster Disziplinierung durch Druck von außen. Wann hat es im Fall der iranischen Nuklearambitionen je funktioniert? Es besagt in diesem Fall, ein umfassendes Waffenembargo könnte Mahmud Ahmadinedschad in die Knie zwingen und innenpolitisch weiter demontieren. Obowohl doch ständig suggeriert wird, gerade das sei er bereits. Die zum ersten Jahrestag der manipulierten Präsidentenwahl am 12. Juni angekündigten Demonstrationen würden ihn nicht ungeschoren lassen.

Dabei muss doch jedem halbwegs unvoreingenommenen Beobachter klar sein, nur ein starker Präsident, der den hohen schiitischen Klerus hinter sich weiß, kann im Iran einschneidende Nuklearkompromisse durchsetzen und den Glauben verbreiten, damit werde die nationale Souveränität nicht beschädigt. Teheran wird sich auch von diesen Sanktionen nicht zum Verzicht auf seine Rechte zwingen lassen. Und die bestehen im verbrieften Anspruch auf eine zivile Nutzung der Kernenergie, wie sie jedem anderen Unterzeichnerstaat des Kernwaffensperrvertrages auch zustehen.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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