Die Billionen der Schattenbanken

G20-Gipfel Das Treffen der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in Russland kann sich der Syrien-Frage kaum entziehen, hat aber auch andere explosive Themen zu verhandeln
Die Stadt an der Newa ist ganz auf Gipfel eingestellt
Die Stadt an der Newa ist ganz auf Gipfel eingestellt

Foto: Olga Maltseva / AFP - Getty Images

Gibt es in St. Petersburg noch einmal so etwas wie den letzten diplomatischen Kraftakt, um einen Angriff auf Syrien abzuwenden? Diese Frage überlagert den Gipfel in Russland und drängt vieles von dem in den Hintergrund, womit sich die 20 Staats- und Regierungschefs eigentlich beschäftigen sollten. Die russische G20-Präsidentschaft wollte dem Thema Wachstum und Beschäftigung Priorität einräumen und erstmals bei einem derart hochkarätigen Treffen einen Bericht über verbindliche Ziele der Entwicklungspolitik aller G20-Staaten hören. Es gab dafür Kriterien wie: Wo wird in die Infrastruktur investiert? Welche langfristigen Projekte gibt es – welche Wirkungen hinterlässt eine protektionistische Handelspolitik? Indonesien – selbst G20-Mitglied – sollte quasi zum Referenzland erhoben sein.

Auf die Schuldenbremse treten

Von Syrien abgesehen, dürften vor allen die deutschen Vorstellungen zu einigen weltökonomischen Themen in St. Petersburg für Zündstoff sorgen. Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble möchten an der Newa gern hören, wie es um die sogenannten Toronto-Ziele steht – sprich: die Konsolidierungsstrategien für die Haushalte der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Ursprünglich sollten schon 2016 die Schuldenstände stabilisiert sein – das heißt, die Gesamtverschuldung gemessen an der wirtschaftlichen Jahresleistung nicht weiter steigen. Frankreich, Japan, aber auch den USA ist es zu verdanken, dass man sich ein Jahr mehr Zeit gibt. Frühestens 2017 wird energisch auf die Schuldenbremse getreten. Oder auch nicht. Wie viel bis dahin passieren kann, wird ahnen, wer sich nur die Lage in der Eurozone vor Augen hält.

Möglicherweise kommt der deutsche Delegation der abgeschwächte Anti-Schuldenkurs nicht ungelegen, sollte sie die Frage beantworten müssen, wie es mit der europäischen Bankenunion vorangeht. Noch nicht wie gewünscht, wäre einzugestehen, und nicht so schnell, wie außerhalb der EU erhofft. Weiterhin gebricht es den Europäern an einer definitiven Verständigung über die Frage, wie können systemrelevante Institute abgewickelt werden und lassen sich dafür Regeln finden, die G20-kompatibel sein könnten?

Das Thema Bankenregulierung hat auch deshalb Gewicht, weil es nicht zuletzt den Umgang mit den sogenannten Schattenbanken tangiert. Gemeint sind Hegdefonds oder Wertpapierdepots, Versicherungen oder Geldmarktfonds, die im internationalen Kreditgeschäft höchst aktiv sind, aber keine klassische Banklizenz brauchen und sich daher nicht an Regeln halten müssen wie normale Geschäftsbanken. Dies betrifft besonders die Ausstattung mit Eigenkapital, welches bei akuten Notlagen (Kredit- und Einlageausfällen, Kurstürzen ect.) eingesetzt werden kann. Durch die Basel-III-Vorgaben – jenem Kompendium der Bankenregulierung, das der G20-Gipfel vom September 2010 in Südkorea verabschiedet hat – soll das sogenannte „harte Kernkapital“ der Banken um das Dreieinhalbfache erhöht werden. Hinzu kommen neu eingeführte Kapitalpuffer, wonach Finanzinstitute verpflichtet werden, zusätzliches Kapital aufzubauen, um für Konjunkturschwankungen besser vorzusorgen.

Der Lehman-Crash

Inwieweit sollen Schattenbanken all dem gleichfalls unterworfen werden? Dieser Frage wird man in St. Peters unbedingt näher treten müssen. Denn Schattenbanken sind nicht nur in einer Grauzone der Finanzwelt ansässig, sondern gelten auch als potenzieller Nährboden einer nächsten Weltfinanzkrise.

Die von 2008/2009 jährt sich gerade zum fünften Mal. Es war am 15. September 2008, als die US-Investmentbank Lehman Brothers gezwungen war, sich auszuloggen, und eine Kettenreaktion diesen Crash gehörig potenzierte. Welch explosive Finanzkraft Schattenbanken bündeln, kann der Tatsache entnommen werden, dass dieser Sektor inzwischen 67 Billionen Dollar (ausgeschrieben: 67.000.000.000.000 Dollar) akkumuliert hat. Wovon etwa 31 Billionen auf die EU-Staaten entfallen.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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