Es hat sich eingespielt, den Normalbürger für die Eurokrise büßen zu lassen. Und Oskar Lafontaine ist im Recht, wenn er die Gemeinschaftswährung auch deshalb kritisch sieht. Mit den Rettungsauflagen für die an der Abbruchkante zur Insolvenz dahin stolpernden Euroländern Griechenland, Irland und Portugal wurde der Anfang gemacht. Dort dekretierter sozialer Aderlass hat Ausmaße erreicht, wie er Gesellschaften sonst nur nach Kriegen oder desaströsen Naturkatastrophen heimsucht. Dann kam Zypern und steuerte die Erfahrung bei, dass Bankkunden für kollabierende Finanzinstitute und strauchelnde Staaten haften dürfen. Seither wissen Sparer in der Eurozone, Bankkonten taugen nur noch sehr bedingt zur Altersvorsorge oder als Notdepots für Notlagen.
Die jetzige Entscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB), den Leitzins von 0,75 auf 0,5 Prozent zu drücken, sollte sie zusätzlich alarmieren. Europas Geldhäuser werden diesen Phantom-Zins unversehens an Anleger und Einleger weitergeben, auf dass Sparzinsen mehr denn je unter die Teuerungsrate fallen. Wer hier auf eine schleichende und fortgesetzte Enteignung erkennt, der irrt sich nicht. Die EZB tritt den Beweis an, wie man Geld auch ohne nennenswerte Inflation entwerten kann. Sie kann sich gar zugute halten, damit ein indirektes Konjunkturprogramm aufzulegen, weil die private Nachfrage stimuliert wird.
Wie die Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) soeben in ihrer monatlichen Verbraucherumfrage mitteilt, fiel in Deutschland die Sparneigung im April auf einen historischen Tiefstand. Konsumieren statt Geld anlegen, gelte als vernünftig. Die Zwangsabgabe in Zypern habe das Vertrauen der Sparer schwer erschüttert, lautet die Begründung. Die EZB tut mit ihrer Zinspolitik, was in ihrer Macht steht, damit diese Erschütterung nicht allzu schnell verebbt.
Solange Draghi am Geldhahn dreht
Dabei gilt das Prinzip, was die Zentralbank den einen nimmt, gibt sie den anderen. Parallel zur Zinsentscheidung wurde das Angebot an private Geldinstitute in der Eurozone verlängert, bei der EZB weiterhin unbegrenzt Geld leihen zu können, vorerst bis Juli 2014. Ob diese Quelle dann tatsächlich versiegt, ist nicht gesagt. Es handelt sich um einen so absurden wie bezeichnenden Vorgang für das geltende Finanzregime: Die Verursacher der Finanzkrise werden einmal mehr zu deren Nutznießern, solange EZB-Präsident Mario Draghi am Geldhahn dreht und dabei nur eine Richtung kennt – erst mit seinen Mitte 2012 verkündeten Aufkauf-Garantien für Staatsanleihen angeschlagener Euro-Staaten, nun mit einem gegen null tendierenden Leitzins, um der Konjunktur doch endlich die Kreditbremse zu lösen.
Diesse Vorgehen erinnert an den Dezember 2011, als die EZB mit der enormen Summe von einer halben Billion Euro zu einem sagenhaft niedrigen Zinssatz den Finanzinstituten der Währungsunion schon einmal die Angstkassen füllte und schon einmal vergeblich auf einen vitalen Interbanken-Verkehr und boomende Investitionskredite für bedürftige Unternehmen hoffte. Was seinerzeit – wie zu erwarten – ausblieb, wird auch im Mai 2013 nicht zu haben sein. Wofür es vor allem einen Grund gibt. Die besonders in Deutschland eifrig beschworene Frühjahrskonjunktur bleibt eine Schimäre. Für 2013 rechnet die EU-Kommission für die Euro-Gemeinschaft mit einer um 0,4 Prozent schrumpfenden Wirtschaftskraft. Für die Banken ein Anlass, um der Realwirtschaft zu zeigen, wer wen zur Strecke bringen kann.
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