Fehlgeburten sind Totgeburten. Man muss sie nicht sterben lassen, das erledigt sich von selbst. Bei der Europäischen Währungsunion ist das seit jeher anders, weil der Euro trotz irreparabler Schäden zum Überleben verurteilt ist, seit er existiert. Und das vorrangig aus einem Grund – es handelt sich um ein politisches Projekt, das die ökonomischen Gesetze kapitalistischer Marktwirtschaften aussitzen zu können glaubt. Je unterschiedlicher die Leistungskraft daran beteiligter Staaten, desto unerbittlicher macht sich das bemerkbar.
Das Straucheln während der Finanzkrise 2010 bis 2012 war dafür kein Indikator, sondern der schlagende Beweis. Angela Merkels damaliges Diktum „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa“ war nicht Warnung allein, sondern Eingeständnis zugleich. Es enthielt die Botschaft: Der Euro gebietet über ein eigenes Universum, das eigenen Gesetzen gehorcht. Diese Existenzweise ist ihm angeboren. Der Euro stirbt, wird sie ihm verweigert.
Die Aufstockung der Währungszone auf inzwischen 19 Mitglieder, der Verzicht auf einen Rauswurf des Großschuldners Griechenland 2015, die monströsen Rettungsakte durch Kapitalfonds von bis zu 700 Milliarden Euro, mit denen vor zehn Jahren die Eurokrise eingehegt, aber nicht gelöst wurde – stets lagen alldem politische Entscheidungen zugrunde, die ökonomischer Rationalität bestenfalls ein Mitspracherecht einräumten.
Warum wird das ausgerechnet jetzt bei der Debatte über die Finanzierung eines EU-Wiederaufbaufonds für Italien, Spanien, Frankreich und andere ausgeblendet? Wieder einmal wird die deutsche Manie bedient, dass ein solcher Kapitalstock nicht auf gemeinschaftlichen Anleihen am Kapitalmarkt beruhen dürfe. Dadurch würde die Bonität Deutschlands über Gebühr strapaziert. Im Klartext heißt das: Leider wurde in Rom, Madrid oder Paris nicht so solide und sparsam gewirtschaftet wie in Berlin, wo man sich das Rettungsgeld für seine Corona-geschädigte Wirtschaft zu sauer verdient hat, als dass der Euro aus Deutschland in Europa leichtfertig verteilt werden dürfe. Es wird der fatale, weil fatal falsche Eindruck erweckt, römische Finanzminister hätten sich wie Epikureer ausgetobt.
Tatsächlich schwankt Italiens Neuverschuldung seit 2016 zwischen 2,1 und 2,5 Prozent. Sie liegt damit klar unter der vorgeschriebenen Defizitgrenze von drei Prozent. Sicher, das Vorbild Deutschland mit Haushaltsüberschüssen von gut einem Prozent im gleichen Zeitraum wird nicht erreicht. Was sich jetzt in Schulen und Pflegeheimen, die minimalen, Covid-19-gemäßen Desinfektions- wie Hygienestandards nicht genügen, eindrucksvoll auszahlt.
Und was würden eigentlich deutsche Bonität und Wirtschaftsmacht in der momentanen Lage ohne Euro anrichten? Wäre nicht damit zu rechnen, dass der D-Mark-Kurs in schwindelerregende Höhen schießt, weil an den Devisenmärkten alles in sichere Häfen drängt? Durch extrem verteuerte Ausfuhren gingen nicht nur Märkte in Asien, besonders in China, verloren, genauso träfe das auf Süd- und Osteuropa zu. In einer Krise wie dieser ist der Euro für den Makroexporteur Deutschland ein Lebenselixier.
Würde die Eurozone kollabieren, weil unter sehr viel prekäreren Umständen als im Jahr 2010 Eurostaaten mit der Kreditwürdigkeit die Zahlungsfähigkeit einbüßen, dann wäre die unausweichliche Rückkehr zur D-Mark verheerend. Scheitert der Euro, dann scheitert Deutschland. Das gilt nicht nur zu Corona-Zeiten.
Kommentare 6
Coronabonds - tja, Solidarität à la d` Artagnan, klingt gut, alle für einen, einer für alle, theoretisch! Konkret heisst das, megagigantische Schuldenübernahme führt ggf. zum Fass ohne Boden, wobei dann eben auch alle untergingen. Modell Musketier, ein Selbstmordkommando!? So wird das nix! Die Epoche des Kaputtalismus ist vorbei, sorry!
>>Die Epoche des Kaputtalismus ist vorbei...<<
Na ja, wer in der Agonie rumzappelt & beisst ist noch nicht tot. Die Frage ist eben: Palliativbehandlung oder einfach abwarten bis die Leiche stinkt?
Ach ja, Herr Herden,
dass hier von Ihnen mit mindestens zweierlei ellen gemessen wird, liegt auf der hand, wenn Sie einerseits forsch arguemntieren "der Verzicht auf einen Rauswurf des Großschuldners Griechenland 2015" wäre eine wirtschaftspolitische inkosequenz und andererseits um die deutsche wirtschaft bangen, die genau davon profitiert, dass es in EURO-land eben länder wie G-land, Italien, Spanien etc. gibt, für die der EURO überbewertet ist, während D-land mit seinem lohndumping von einem unterbewerteten EURO massiv profitiert. Gäbe es nich G-land u.a., dann gäbe es auch keinen exportweltmeister D-land! Auf den "rauswurf" (welche eine imperiale vokabel!) wurde "verzichtet", weil G-land gebraucht wird - und zwar in genau jenem entrechteten und kolonisierten stautus, in den es durch die institutionen gebracht wurde.
Nein, D-land wird nicht die DM wieder einführen, es wird eines tages einfach nur das letzte land sein, das den EURO noch als währung hat, während die anderen längst zum exit aus EURO-land genötigt wurden.
Herr Herden hat leider vergessen kurz zu beleuchten, wie die "Schulden" bestimmter Euroländer mit den Handelsbilanzüberschüssen Deutschlands zusammenhängen! Und was das alles mit der Agenda-Politik und HartzIV zu tun hat.
War leider nicht mehr Platz im Internet? ;)
Jetzt müsste es, um Ihrer Antwort irgendeinen Sinn verleihen zu können, in Herdens Text nur noch um Kapitalismus gehen. Tut es aber nicht. Es kommt das Wort Kapital zwar vier mal vor, aber um jemand als Kapitalismusfeind bezeichnen zu können muss in Texten das Wort "Kapital" mehr als 5 mal vorkommen. Knapp daneben. Wird wohl etwas noch etwas länger dauern, die Sache mit der Dummheit.
Also wenn ich die anderen Länder der EU wäre, ich würde austreten und eine eigene EU aufmachen, ohne Deutschland. :D