Dreht den Geldhahn zu

Ukraine Der Krieg im eigenen Land hätte sich für Kiew schnell erledigt, würden die Staatsfinanzen nicht vom Zustrom westlicher Hilfsgelder profitieren
Ausgabe 04/2015
Poroschenko nutzt den Konflikt, um von der Staatspleite seines Landes abzulenken
Poroschenko nutzt den Konflikt, um von der Staatspleite seines Landes abzulenken

Foto: Sergei Supinsky/AFP/Getty Images

Wenn es für die Regierung von Präsident Petro Poroschenko eine Lebensversicherung gibt, dann ist es der Krieg im Osten. Solange der tobt, kann sie sich zum Opfer einer russischen Intervention erklären. Oder einer „sowjetischen Aggression“, wie es Premier Arsenij Jazenjuk kürzlich entfuhr. Ein Freud’scher Versprecher – er lud dazu ein, der Gedankenwelt eines Spitzenpolitikers in Kiew einen Blick zu gönnen, der Russlands Staatschef Putin als „Drogensüchtigen“ schmäht.

Allerdings könnten weder die ukrainische Armee noch die mit ihr verbündeten Freischärler länger durchhalten, wären sie vom ukrainischen Staat abhängig. Der ist bankrott und ökonomisch ausgelaugt. Im Vorjahr fiel das Bruttoinlandsprodukt um 15 Prozent, so dass die Devisenreserven auf knapp zehn Milliarden Dollar schrumpften, im Gegenzug die Staatsschulden bei 70 Prozent des Bruttoinlandsproduktes ankamen. Ein solches Desaster lässt sich nur mit dem Verweis auf eine Kriegswirtschaft rechtfertigen. Woraus folgt, einen Krieg fortzusetzen, den man sich zwar nicht leisten kann, aber braucht, um daraus Legitimation zu schöpfen und politisch zu überleben. Bliebe die Frage, wer dieses Kalkül duldet, weil finanziert.

Sponsoren des Krieges

Um Antworten zu finden, lohnt die Erinnerung an das Treffen zwischen Arsenij Jazenjuk und Angela Merkel am 7. Januar in Berlin. Der Premier durfte einen Sofort-Kredit von 500 Millionen Euro mitnehmen und bekam die Zusage, die EU-Kommission werde 1,8 Milliarden drauflegen, zusätzlich zu der schon 2014 übernommenen Kreditbürgschaft von 1,6 Milliarden Euro. Um das Bild abzurunden, sollte der 17-Milliarden-Dollar-Transfer nicht unerwähnt bleiben, den der IWF gewährt. Bisher sind davon zwei Tranchen geflossen. Das Griechenland-Prinzip – Vorkasse nur gegen Vorleistungen – hat die EU für die Ukraine offenbar kassiert. Eigentlich schade, es könnte sich lohnen, daran festzuhalten. Forderungen nach strikter Erfüllung des Minsker Abkommens über eine dauerhafte Waffenruhe würden an Schlagkraft gewinnen. Unter Punkt 10 heißt es dort: „Abzug der ungesetzlichen bewaffneten Einheiten – von Kriegsgeräten, Kämpfern und Söldnern aus dem Gebiet der Ukraine“.

Was nicht nur für pro-russische Aufständische, sondern ebenso für die Freiwilligenverbände ukrainischer Nationalisten gilt. Die deutsche Kanzlerin müsste nicht viel tun. Es würde reichen, die Hilfsgelder zu konditionieren und sich zu entscheiden: Will ich Friedens- oder Kriegspatin sein? Es sind nun einmal die externen wie die oligarchischen Geldgeber, die Kiew in die Lage versetzen, den Feldzug gegen einen Teil des eigenen Volkes stets von Neuem aufleben zu lassen. Diese Sponsoren des Krieges tragen keine geringere Verantwortung als die Regierungen in Kiew und Moskau, wenn derzeit im Donbass erneut so viel Blut vergossen wird.

Gemessen an ihren Interessen ist es nachvollziehbar, wenn die ukrainische Führung den Donbass-Konflikt nach Kräften instrumentalisiert und die EU – besonders Deutschland – nach der Devise in Haftung nimmt: Wenn ihr uns den gebotenen Beistand verweigert, werden wir verlieren und ihr mit uns. Es wäre der Beweis erbracht, Russland und seinen Handlangern in der Ostukraine unterlegen zu sein. Könnt ihr euch das leisten? Wir in Kiew glauben – übrigens genauso wie unsere amerikanischen Freunde – ihr könnt es nicht. Sich dieser Vereinnahmung zu entziehen, hilft Menschenleben retten.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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