Durch Waffen Frieden schaffen

Fatales Signal Der G8-Gipfel ist mit einem Minimalkompromiss beim Thema Syrien zu Ende gegangen. Nur in einem waren sich die Teilnehmer einig: die Kriegsparteien weiter aufzurüsten
Ausgabe 25/2013
Das gegenseitige Verständnis schien noch ausbaufähig beim Treffen zwischen Obama und Putin
Das gegenseitige Verständnis schien noch ausbaufähig beim Treffen zwischen Obama und Putin

Foto: Jewel Samad / AFP - Getty Images

Die Präsidenten Barack Obama, Wladimir Putin und Francois Hollande wie auch der britische Premier David Cameron lassen sich durch inzwischen 93.000 Kriegstote nicht beirren. Sie haben auf dem G8-Treffen in Nordirland klar zu verstehen gegeben:
Frieden schaffen mit noch mehr Waffen, das ist und bleibt der Königsweg ihrer Syrien-Politik. Wie damit einer politischen Lösung Vorschub geleistet werden soll, erscheint rätselhaft. Braucht eine internationale Syrien-Konferenz waffenstarrenden Geleitschutz? Die syrischen Konfliktparteien werden durch modernes Kriegsgerät kriegsfähiger statt friedenswilliger. Wie können unter diesen Umständen Verhandlungen mehr sein als ein totes Geschäft?

Offenbar sollen einige Rebellenformationen mit Luftabwehrraketen bestückt werden, die ihnen Saudi-Arabien und damit indirekt die USA zukommen lassen. Das Motiv liegt auf der Hand: die Lufthoheit der Regierungsarmee brechen und so der momentanen strategischen Defensive entkommen, in die das Anti-Assad-Lager nach dem Verlust der Stadt al-Kusair und den Kämpfen um Aleppo geraten ist. Die US-Regierung muss dem bislang eher tatenlos zusehen, obwohl sie sich von Anfang an vehement für die Gegner Assads exponiert hat.

In Washington wurde Syriens Staatschef – wie zuvor die Diktatoren Saddam Hussein im Irak und Mummar al-Gaddafi in Libyen – zum Auslaufmodell erklärt. Solange aber die USA – zu recht – den militärischen Eingriff scheuen, lässt die Ausmusterung auf sich warten. Die Aufständischen scheinen dazu momentan weniger denn je in der Lage zu sein. Also wird durch Waffennachschub von außen nachgeholfen und die Hemmungen lösende „rote Linie“ bemüht: der mutmaßlich erbrachte Beweis für den Einsatz von Giftgas durch die Streitkräfte Assads.

Mit Risiken behaftet

Bisher fällt dieser Beweis augenscheinlich nicht so überzeugend aus, dass er einer öffentlichen Präsentation für wert befunden wird. Sehr schade für Obama, Hollande und Cameron. Eine solche Aktion würde ihrem Wunsch nach der radikalen Flurbereinigung in Syrien mehr weltpolitischen Beistand bescheren, allerdings auch Risiken heraufbeschwören. Entweder sind die Beweise nicht so schlagend wie versprochen oder so erschlagend, dass man sich damit unter einen fatalen Interventionsdruck setzt. Die bellizistischen Trommler des Guten wollen Taten und Assads Präsidentenresidenz durch einen präzisen Raketenangriff in die Luft fliegen sehen.

Dabei verharrt die Bundesrepublik in Gestalt von Angela Merkel in einer vergleichsweise gelassenen Position. Die Kanzlerin gibt sich wieder einmal als Parteigängerin einer postheroischen Politik zu erkennen, die Deutschland ruhigstellt, wo immer Beunruhigung droht.
So gilt bei Syrien – unausgesprochen, versteht sich – das Libyen-Prinzip. Was am 17. März 2011 im UN-Sicherheitsrat die Enthaltung bei der Libyen-Resolution 1973 war – damit wurde später bekanntlich die Luftintervention einiger NATO-Staaten gerechtfertigt –, ist diesmal die Absage an direkte Waffenhilfen für die Rebellen. Natürlich kann nicht ausgeschlossen werden, dass es diesen Transfer dank der florierenden deutschen Waffenexporte in etliche Golfstaaten indirekt gibt. Darauf aber habe die Bundesregierung leider keinen Einfluss, wird Merkel die
Wogen glätten, noch bevor sich das Wasser kräuselt. Syrien ist damit nicht geholfen. Aber darum ging es ja beim G8-Gipfel wohl auch nicht wirklich.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen.

Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zur Wochenzeitung Freitag. Dort arbeitete es von 1996-2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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