Worauf gründet sich Emmanuel Macrons Draufgängertum in Syrien, das ihn zum Kompagnon von Donald Trump bestellt? Als Erklärung bietet sich an: Wenn es für Frankreich mit dem Label „Führender Reformstaat“ nichts wird, weil Macrons Reformideen in der EU wenig fruchten, soll es wenigstens mit dem Status „Führende und interventionsfreudigste Militärmacht in Europa“ etwas werden. Womit eine Brücke zur Politik des Vorvorgängers Nicolas Sarkozy geschlagen wäre. Der hatte sich im Frühjahr 2011 ähnlich exponiert, als die Armee des libyschen Diktators Gaddafi durch gezielte Luftschläge einiger NATO-Staaten außer Gefecht gesetzt wurde, um einen Regimewechsel voranzutreiben. Wie das gelungen ist, lässt sich dem heutigen Zustand Libyens entnehmen, das nun über mehrere Regierungen verfügt, in vielen Regionen an islamistische Milizen fiel und als Staat ausgedient hat.
Noch im Dezember 2007 war Gaddafi zu einem pompösen Besuch in Paris empfangen und mit der Ehre bedacht worden, sein Beduinenzelt im Garten des Élysée aufschlagen zu dürfen. Dass der Exzentriker derart hofiert wurde, hatte offenkundig viel mit seiner Spendierfreude zu tun. Derzeit wird gegen Sarkozy ermittelt, weil er sich für den Wahlkampf 2007 mutmaßlich mit fünf Millionen Euro aus Libyen verproviantieren ließ. Seiner Selbsternennung zum Warlord tat das 2011 keinen Abbruch, der Willkür eines Opportunisten, der Gaddafi eiskalt fallen ließ, ebenso wenig.
Insofern ist es französischer Nahostpolitik nicht gar so fremd, dass sich Macron gegen Assads Syrien ins Zeug legt, auch wenn dabei eine „gaullistische Tradition“ abhandenkommt. In ihrer Anfangszeit suchten Regierungen der V. Republik die Nähe zu arabischen Staaten mehr als die zu Israel. Was besonders nach dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 zwischen Ägypten, Syrien und Jordanien auf der einen und Israel auf der anderen Seite erkennbar wurde. Für Präsident de Gaulle gab es ein Einvernehmen mit Kairo und Damaskus, dass Israel die besetzten Territorien wieder zu räumen habe. Bald darauf wurde Frankreich zu einem der wichtigsten Wirtschaftspartner des irakischen Diktators Saddam Hussein. Es konnte den Lieferverträgen über Öl aus dem Irak nichts anhaben, als der sozialistische Staatschef François Mitterrand Ende 1990 einer US-geführten Militärallianz beitrat, die nach dem irakischen Einmarsch in Kuwait zum Gegenschlag ausholte und Anfang 1991 intervenierte.
Dann freilich verweigerte der neogaullistische Nachfolger Jacques Chirac den USA die Gefolgschaft, als George W. Bush im März 2003 mit einer „Koalition der Willigen“ erneut zum Angriff auf den Irak antrat. Wie Deutschland und Russland ging Frankreich auf Distanz zu Krieg und Besatzung. Es gab am 13. April 2003 einen erstaunlichen Dreier-Gipfel in St. Petersburg, auf dem Chirac an der Seite Gerhard Schröders und Wladimir Putins dazu aufrief, eine Welt zu verhindern, „in der ein Land einem anderen seinen Willen aufzwingt“.
Angesichts der bellizistischen Attitüde Macrons kaum zu glauben, dass damals ein französischer Präsident in Russland formulierte, „ein von manchen Zeitgenossen proklamiertes Ende der Geschichte darf nicht zur Rückkehr des Krieges als Mittel der Konfliktlösung führen“. 2003 wurde der Irak bekanntlich unter die Kriegswalze genommen, um Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen zu entziehen, deren Bestände sich nach der Invasion als frei erfunden herausstellten. Doch kollidierten Washington und Paris nicht nur im Streit über die interventionistische Hoffart von Nahostpolitik, es entzweite sie ebenso das Verhältnis zu Israel und seinem Besatzungsgebaren. Frankreich stellte sich 2002 hinter den Plan des damaligen saudischen Königs Abdullah, der versprach, Israel anzuerkennen, sollte es seinerseits das staatliche Existenzrecht der Palästinenser respektieren und die 1967 besetzten Gebiete inklusive Ostjerusalem räumen. Während man in Paris daraufhin eine Friedensinitiative des Westens forderte, befanden die USA, darüber müssten die israelischen Sicherheitsinteressen entscheiden.
Da sich Riad und Tel Aviv derzeit annähern, um eine Front gegen Iran zu bilden und auf die syrische Nachkriegsordnung Einfluss zu nehmen, überwiegen zwischen den USA und Frankreich mehr denn je Gemeinsamkeiten. Wozu das führt, hat die Nacht zum 14. April gezeigt. Macron gab sich markig entschlossen. Schon das wirkte peinlich, wurde aber von seiner Ansicht überboten, die Raketen hätten der Syrien-Diplomatie eine Bresche geschlagen.
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