Das Beste, was man diesem Votum wünschen konnte, wäre ein erfolgreicher Abschluss der Gespräche zwischen der US-Regierung und den Taliban gewesen. Dies hätte dazu geführt, diese Präsidentenwahl entweder abzusagen – oder wenigstens zu relativieren. In diesem Fall hätte der Hinweis genügt: Wer sich auch immer zum Sieger erklärt und zum Staatschef schlägt, weiß um die Endlichkeit seines politischen Daseins. Irgendwann, vermutlich bald, läuft das Mandat aus. Mit welcher demokratischen Legitimation es zustande kam, ist dann sekundär. Dank einer Machtteilhabe der Taliban, auf die sich deren Führer in Camp David mit Donald Trump einigen wollten, hätte es eine neue Administration geben müssen, in welcher Konfiguration auch immer.
Stattdessen hat die gescheiterte Diplomatie einem gescheiterten Staat zu einem Offenbarungseid verholfen, der entlarvender kaum sein kann. Weder eine Wahlbeteiligung unter 20 Prozent noch aus Sicherheits- und anderen Gründen flächendeckend geschlossene Wahllokale noch das fragwürdige Prozedere, wochenlang auszuzählen und Manipulationen regelrecht herauszufordern, noch die Alternativlosigkeit zwischen den maßgebenden Bewerbern wie dem bisherigen Staatschef Aschraf Ghani und seinem Herausforderer Abdullah Abdullah befördern diese Wahl zur Wahl. Was sich stattdessen abgespielt hat, wurde zum untrüglichen Indikator für eine Doppelherrschaft am Hindukusch. Indem die Taliban so viele Wähler (über sieben Millionen registrierte Bürger) dazu zwangen oder davon überzeugten, von ihrem Stimmrecht keinen Gebrauch zu machen, nahmen sie nicht nur Einfluss auf den Urnengang an sich. Sie entschieden darüber, über welchen Leumund ein Präsident in Kabul verfügt, dem weniger als zehn Prozent aller Wahlberechtigten ihre Stimme gaben. Gewöhnlich reicht das nirgendwo zum Amt, in Afghanistan vermutlich schon. Womit jede künftige Regierung in Kabul eine Karikatur ihrer selbst ist – ohne wirklichen Rückhalt in der Bevölkerung, von den Amerikanern mehr geduldet als gebraucht, durch ihre afghanischen Gegner verachtet und verfemt.
Wer das hinnehmen muss, braucht so viel Kraft für sein politisches und physisches Überleben, dass diese notgedrungen zum Regieren fehlt.
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