Eine Kulturgeschichte

CIA Die aktuellen Praktiken des Geheimdiensts erinnern ans „Phoenix“-Programm während des Vietnamkriegs
Ausgabe 51/2014
Nordvietnamesische Gefangene der US-Truppen in Kambodscha 1970
Nordvietnamesische Gefangene der US-Truppen in Kambodscha 1970

Foto: William Lovelace/Getty Images

Der „Krieg gegen den Terror“ nach 9/11 dauert knapp ein Jahr, als das US-Justizministerium im August 2002 per Gutachten befindet, bei Verhören von Terrorverdächtigen auftretende „einfache Schmerzen“ seien nicht als Folge von Folter zu bewerten. Viele der üblichen Vernehmungsmethoden würden „nicht Schmerz in der notwendigen Intensität produzieren, um als Folter bezeichnet werden zu können“.

Ein zynisches Urteil. Der vom damaligen Präsidenten George W. Bush ausgerufene Feldzug gegen „das Böse“ lässt Humanität und Menschenrechte zu Floskeln verkommen. Die Legitimität der Misshandlung von Menschen, um Aussagen zu erhalten, zu quälen und zu töten, steht über der Legalität solchen Verhaltens. Man handle schließlich aus Notwehr, um das Leben anderer Menschen zu retten, so die Rechtfertigung. Folter wird zur Waffe im Anti-Terror-Krieg wie Drohnen oder Tomahawk-Raketen. Wer sie gebraucht und körperliche oder seelische Krüppel produziert, gibt Gebote der abendländischen Zivilisation ans Barbarische preis – im Namen dieser Zivilisation. Eine moralische Überlegenheit des Westens schrumpft zur Fiktion.

Es reicht die Erinnerung an amerikanische Verhörmethoden aus der Zeit des Vietnamkriegs (1965 – 1975), um zu erkennen, wie sich Folter schon früher als Werkzeug der Kriegführung emanzipiert hat. Im August 1968 startete die CIA das „Phoenix“-Programm und ließ in Südvietnam unter dem Schutz der US-Truppen mehrere Verhörzentren einrichten. Dorthin kamen sowohl gefangene Vietcong, wie die kommunistischen Guerillakämpfer in der Army genannt wurden, wie auch jede Menge Verdächtige, die als „Informanten abgeschöpft“ werden sollten. Es müsse jeder erfasst und notfalls „neutralisiert“ werden, hieß es bei Phoenix, der „vietcong-verdächtig“ sei. Eine Vorgabe, die zu zügelloser Brutalität, teils gezieltem Mord führte.

Der seinerzeit in Indochina eingesetzte CIA-Agent Barton Osborn sagte 1980 in einem Filminterview, „dass von einem gewissen Zeitpunkt des Kriegs an alle wie Tiere abgeschossen werden konnten“. Die Vernehmungspraktiken waren entsprechend. Osborn schilderte den Brauch, Gefangenen beim Verhör einen Holzpflock in den Gehörgang zu treiben. „Ich erinnere mich eines speziellen Falles, wo ich ein Individuum vorfand, das von mir als verdächtig gemeldet worden war. Ein Team der Abwehr hatte die Praxis, einen Holzpflock reinzustoßen oder irgendetwas anderes aus Holz (…), direkt ins Ohr des Individuums. Im Verlaufe der Befragung schlugen sie es immer weiter und weiter ins Ohr. Und an einem Punkt wurde jemand leider dabei getötet, obwohl es gar nicht die Absicht gewesen sein mag, ihn umzubringen.“ Frage: „Waren die Männer erschrocken, die diese Vernehmung durchführten, als der Gefangene tot war?“ Antwort: „Ich denke verärgert, das trifft es besser.“

Damals kamen vietnamesische Gefangene häufig in sogenannte Tigerkäfige, in denen sie – mit Handschellen gefesselt und in geduckter Stellung – oft tagelang eingesperrt blieben. Jetzt zitiert der Folterreport des US-Senats den Fall des 2002 in Pakistan festgenommenen Abu Zubaida, der in CIA-Arrest 300 Stunden in einer engen Kiste verbringen musste. Insofern ist Phoenix ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie systematisch von US-Diensten gefoltert wurde, lange bevor George W. Bushs nach 9/11 das Böse aus der Welt schaffen wollte. Man kann von einer Art Folterkultur sprechen, die auf viele Anregungen zurückgriff, ob es sich um Verhörpraktiken des NS-Staates, der französischen Kolonialmacht in Algerien oder stalinistischer Straflager handelte.

Im Mai 2004, als die Bilder von geschundenen Gefangenen aus dem irakischen Zuchthaus Abu Ghraib schockierten, sorgte das in den USA für eine leidenschaftliche Debatte, ohne dass groß auffiel, wie sich wiederholte, was gut 30 Jahre zuvor in Vietnam schon einmal passiert war. Allein der Feind hatte sich geändert, ganz und gar nicht aber das Phänomen, dass der eigene Tabubruch den der anderen, der gegnerischen Seite schürt. Bei den Exzessen des Islamischen Staats nimmt das derzeit im Irak und in Syrien barbarische Formen an.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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