Das Kriegsschiff "USS Porter" feuert Tomahawk-Raketen Richtung Syrien
Foto: Ford Williams/AFP/Getty Images
Das Ganze erinnert in fataler Weise an das Jahr 2003, als die USA unter dem Präsidenten George W. Bush in totalitärer Selbstermächtigung Angriffsvorkehrungen gegen den Irak des Diktators Saddam Hussein vorantrieben. Am 20. März 2003 wurde zur Aggression übergegangen, erst ein Luftkrieg geführt, dann mit Bodentruppen nachgesetzt. „Es war wie die Jagd auf Heringe im Fass“, ließ sich ein US-Militär bei CNN zitieren.
Wer das seinerzeit als barbarischen Akt und Rechtsbruch verurteilte, durfte das nicht ohne weiteres tun. Es mussten zuvor die Gessler-Hüte gegrüßt und versichert werden: Selbstverständlich halte man Saddam Hussein für einen brutalen Herrscher. Selbstverständlich sei die Annahme richtig, dass er mit h
nnahme richtig, dass er mit hoher Wahrscheinlichkeit Massenvernichtungswaffen besitze. Selbstverständlich müssten sie ihm aus den Händen gerissen werden. Sollten das die damals im Irak tätigen UN-Inspektoren nicht zu Wege bringen, müsse selbstverständlich auch über „andere Lösungen“ nachgedacht werden und so weiter.Wochen später, als das Land überrannt und Saddam gestürzt war, stellte sich heraus, dass es keine derartigen Vernichtungsarsenale gab. Die US-Regierung hatte die Welt mit einer dreisten Lüge getäuscht. Und die ließ sich täuschen und wollte nicht wissen, was sie wusste. Mit einer Lüge – dem von den Amerikanern erfundenen "Tonking-Zwischenfall" – begann 1964 der Vietnam-Krieg. Mit Lügen über die Lage im Kosovo wurde die Stimmung erzeugt, damit 1999 die NATO die Bundesrepublik Jugoslawien, speziell Serbien, aus der Luft angreifen konnte. Mit einer nie wirklich nachgewiesenen Verstrickung der Taliban in die 9/11-Anschläge wurde 2001 in Afghanistan interveniert. Die USA haben mit 4.600 Gefallenen und über 8.000 teils schwer geschädigten, oft traumatisierten eigenen Soldaten bitter dafür bezahlt, sich für acht Jahre im irakischen Hexenkessel niederzulassen und dem Irrglauben anzuhängen, sie würden ihn beherrschen. Deshalb sollte nicht nur, sondern musste Ende 2011 Schluss sein, wurde die Exit-Option gezogen. Die Aussteiger hinterließen ein halb zerstörtes, innerlich zerrüttetes Land und als Langzeitfolge den IS. Hat die UNO versagt?Und nun der Aufguss, das gleiche Szenario – der Einsatz von Giftgas, zivile Opfer im Norden Syriens, die Schuldzuweisung an die Assad-Armee und die Vereinten Nationen, die nichts unternehmen würden. Dabei hat die Weltorganisation ab September 2013 mit ihren Inspektoren-Teams dafür gesorgt, dass die Chemie- und Biowaffenbestände der syrischen Armee vernichtet wurden, und das ausdrücklich bestätigt. Wer das ignoriert, dem wüsste wenigstens die zeitliche Koinzidenz der Ereignisse und der sich darin spiegelnde logische Bruch auffallen. Am vergangenen Wochenende hat US-Außenminister Tillerson durchblicken lassen, der Sturz des syrische Präsidenten sei für die USA kein naheliegendes Ziel mehr. Was konnte sich Assad mehr wünschen? Die Amerikaner würden ihn dulden oder ertragen. Und dann befiehlt er einen Angriff mit Giftstoffen, um sich quasi für den Abschuss freizugeben? Einen Luftschlag zu provozieren? Seine Armee zu dezimieren, eine Flugbasis zu verlieren? Warum fragt niemand nach diesem Widerspruch, dieser offenkundigen Absurdität? Zählt allein, dass Trump einen Stützpunkt bei Homs angreifen lässt und so dem syrischen Regime, Russland und dem Iran einen Schlag versetzt? Man muss schon verblendet sein, um diesen „Irrsinn“ (Jan van Aken) mit Genugtuung zu quittieren, weil das eigener Parteilichkeit schmeichelt. Der US-Präsident hat Außenpolitik bisher vorwiegend über verbalexhibitionistische Eskapaden betrieben. Dies wird nun durch die Erfahrung angereichert, dass er so unberechenbar handelt, wie er redet. Und zu allem Überfluss noch manipulierbar ist. Trump und seine Entourage schrecken nicht davor zurück, einen Krieg zu riskieren, der das Zeug hat, weder auf Syrien noch den Nahen Osten beschränkt zu bleiben. Vor aller Augen wird politisch halbwegs verantwortungsvolles Handeln als lächerlicher Anachronismus und verzichtbares Minimum vorgeführt. Wenn die Welt aus den Fugen ist und immer weniger beherrschbar, dann wegen einer Geltungssucht, an der nichts entschuldbar ist. Auch nicht der Umstand, dass sie sich ihrer destruktiven Verve nicht bewusst ist.Hundertprozentig hat sich Trump von seinen Militärs vor dem Angriff versichern lassen, dass keine russischen Einrichtungen und Truppen in Mitleidenschaft gezogen werden. Eine Eskalation ungeahnten Ausmaßes will er gewiss nicht riskieren. Aber eine Pflock einschlagen, das schon? Dass damit den Beziehungen mit Moskau schwerer Schaden zugefügt wird, erscheint zweitrangig. Präsident Putin wird nicht so schnell zur Tagesordnung übergehen. Dazu sind die Interessen in Syrien zu elementar und der dort betriebene Aufwand zu groß. Es steht völlig außer Frage, dass ohne Russland keine politische Lösung für Syrien möglich sein kann, also weiter Menschen sterben, zu Tausenden oder Zehntausenden, weil Trump es für geboten hält, sich in Szene zu setzen und einen Vorgang auszunutzen, dessen Ursachen und Hintergründe unklar sind. Was sagt die deutsche Regierung? Er halte Trumps Intervention „für nachvollziehbar“, sagt Außenminister Gabriel und will selbstredend ebenso zum Ausdruck bringen, dass es ungeachtet des Vorgehens der USA eine diplomatische, keine militärische Lösung des Syrien-Konflikt geben müsse. Der Offenbarungseid für diese ambivalente Doppelzüngigkeit wäre fällig, würde die US-Regierung fordern, dass sich Deutschland in Syrien militärisch mehr engagiert als mit Tornado-Aufklärern, die u.a. Ziele für tödliche Luftschläge gegen Zivilisten wie jüngst im nordsyrischen Al-Mansura (es gab 33 Tote) vermitteln. Für wie „nachvollziehbar“ würde es in Berlin gehalten, wenn Trump insistiert, dass der Westen doch mit vereinter militärischer Macht Assad aus dem Weg räumen und Russland in die Schranken weisen sollte. Wie würde man damit umgehen, fünf Monate für der Bundestagswahl? Als Obama im Spätsommer 2013 an der Schwelle stand, die Trump jetzt überschritten hat, fuhr Angela Merkel einen Zick-Zack-Kurs, redete von Konsequenzen, die es wegen des Assad angelasteten Giftgas-Angriffs von Al-Ghuta geben müsse, war aber peinlich bemüht, stets offen zu lassen – welche.Sie wollte kurz vor der damaligen Bundestagswahl um Gottes willen nicht den Eindruck erwecken, Deutschland in ein Nahost-Abenteuer zu manövrieren, sondern wiedergewählt werden. Um das zu garantieren, hätte sie bloß zu erklären brauchen: Interventionen lösen keine Probleme, sondern schaffen nur neue. Aber das ging natürlich nicht.
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