Einmal Partei, immer Partei

Israel Die USA haben sich endgültig als Verhandlungsmacht aus dem Palästina-Konflikt verabschiedet. Jetzt wird auch der Siedlungsbau in der Westbank als rechtskonform goutiert
Außenminister Pompeo tut etwas für die Ein-Staaten-Lösung
Außenminister Pompeo tut etwas für die Ein-Staaten-Lösung

Foto: Jim Watson / AFP - Getty Images

Nach der Anerkennung von Jerusalem als Hauptstadt Israels Ende 2017, dem Zuspruch aus Washington für den israelischen Anspruch auf die syrischen Golan-Höhen, die seit 1981 annektiert sind – nun also die Identifizierung mit der Siedlungspolitik. Außenminister Mike Pompeo sieht die permanente Landnahme in der Westbank keineswegs als Verstoß gegen das Völkerrecht. Eine kategorische Absage an internationale Normen, an die Vereinten Nationen gleich mit, die sich mit ihren Resolutionen seit Jahrzehnten gegen eine seit 1967 andauernde irreguläre Besatzung wenden. Doch nicht nur die Weltorganisation wird brüskiert. Pompeos Statement birgt die klare Negation eines Staates der Palästinenser. Dem wird schließlich durch die Siedlungen schlichtweg das Territorium verweigert, das er braucht, um existieren zu können.

Dabei ist der israelische Bevölkerungstransfer in ein besetztes Gebiet kein statischer Prozess, sondern ein höchst dynamischer, ungemein extensiver. Allein 2019 ist der Bau von mehr als 8.300 Wohnungen in Siedlungsgebieten offiziell genehmigt worden – mehr als im vergangenen Jahr. Die Palästinenser verlieren soviel, dass es absolut nichts mehr zu gewinnen gibt. Sie werden auf Dauer kantonisiert, dominiert und ohne eine internationale Lobby bleiben, die daran etwas ändert.

Die Aussage von Pompeo, Kritik an den Besiedlungspraktiken im Westjordanland habe den Friedensprozess nicht vorangebracht, ist nicht nur demagogisch, sie entbehrt der Logik. Nicht die Benennung von Unrecht blockiert jede Verständigung zwischen Israelis und Palästinensern, sondern jenes Unrecht an sich – die widerrechtliche Aneignung von Land. Präsident Mahmud Abbas und seine Autonomieverwaltung würden sich selbst verleugnen, wollten sie unter diesen Umständen in Verhandlungen eintreten.

Gan(t)z oder gar nicht

Weshalb die US-Regierung Benjamin Netanjahu diesen Gefallen tut, liegt auf der Hand. Die laufenden Sondierungen von Wahlsieger Benny Gantz und der Mitte-Links-Allianz Kachol-Lawan (Weiß-Blau) drohen kurz vor Ablauf der ihm bis zum 20. November zugestandenen Frist zu scheitern. Die Likud-Partei besteht darauf, mit ihrem ganzen Block rechter und religiöser Parteien in ein Regierungsbündnis einzutreten – oder draußen zu bleiben. Devise: Ganz oder gar nicht.

Und Benny Gantz würde an Glaubwürdigkeit einbüßen, wollte er sich darauf einlassen und schon vom Ansatz her die ursprünglich versprochene säkulare Koalition opfern. Mit andern Worten, Israel dürfte der dritten Neuwahl in einem Jahr entgegensehen. Womit sich die Frage erhebt, wer geht mit welchen Aussichten in diese Abstimmung? Für die USA sollen die besten offenbar Benjamin Netanjahu zugeschanzt werden. Den gilt es zu unterstützen, was aus drei Gründen einleuchtet.

Niemand sonst ist bereit, sich derart mit Donald Trumps aggressiver Iran-Politik zu identifizieren wie der gegenwärtige israelische Regierungschef. Auch Netanjahu folgt der Devise, den Druck von außen hochzuhalten, um innerer Erosion Vorschub zu leisten. Was nicht ohne Wirkung bleibt, wie die Proteste gegen erhöhte Benzinpreise in verschiedenen iranischen Städten im Augenblick zeigen. Des weiteren bleibt Netanjahu gegenüber Syrien im Konfrontationsmodus. Er gleicht zum Teil aus, was durch den militärischen und politischen Rückzug der Amerikaner aus diesem Konflikt an Terrainverlust entsteht. Und schließlich ist Netanjahu eine Gewähr dafür, dass sich im Verhältnis zu den Palästinensern nichts oder nicht viel bewegt.

Der Konflikt verschwindet

Für die Regierung in Washington hat das den Vorteil, solange Donald Trump regiert – womöglich bis 2024 – an ihrem seit 2017 eigeschlagenen Kurs einer Missachtung der palästinensischen Seite nichts korrigieren zu müssen. Wer durch seine Entscheidungen und sein Verhalten einen Konflikt schürt, wird von dem offenbar als lästig oder überflüssig empfundenen Gebot entbunden, ihn zu lösen. Es geht sogar soweit, dass der gezielte Verstoß gegen alle bisherigen Regeln neue Spielregeln setzt, die den Konflikt förmlich verschwinden lassen. Es lohnt nicht mehr, ihn lösen zu wollen, wenn nicht nur die Fronten so klar, sondern auch das Verschwinden jeglicher Bewegung dazwischen außer Frage steht. Verhandlungen können dann nur noch als Diktat stattfinden, weil das Übergewicht einer Seite so mächtig ist. Das heißt, sie haben zumindest als Form von Interessenvertretung keinen Sinn mehr.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

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