Embargo fürs leichte Kaliber

EU-Außenminister Das verhängte EU-Ausfuhrverbot für eine bestimmte Kategorie von Waffen hätte mit einer klaren Verurteilung der Massaker in Ägypten einher gehen sollen
Guido Westerwelle und Catherine Ashton
Guido Westerwelle und Catherine Ashton

Foto: Georges Gobet / AFP / Getty

Es mag Zufall sein, aber die Ereignissen treffen so aufeinander, dass man gar nicht anders kann, als sie in einen Zusammenhang zu bringen. Am gleichen Tag, da ein Gericht in Kairo dem ehemaligen Präsidenten Hosni Mubarak die Entlassung aus staatlichem Gewahrsam in Aussicht stellt, ringen sich die EU-Außenminister zu windelweichen Sanktionen durch, die den Namen nicht verdienen. Wenn es einen Ausfuhrstopp für Waffen und Güter geben soll, mit denen Proteste niedergeschlagen werden können, gilt das bestenfalls für die ägyptische Polizei.

Davon kaum oder gar nicht berührt wird die Armee und damit das Machtzentrum jener unverhohlenen Restauration, die das Kernland der Arabellion derzeit unter dem Label Anti-Terror-Kampf erfasst und zu repressiven Verhältnissen führt, wie sie für die Spätphase des Mubarak-Regimes charakteristisch waren. U-Boote und Zerstörer, Panzer, Artilleriewaffen und Raketen werden in der Regel nicht gegen Demonstranten, Straßenblockaden, Meetings ect. eingesetzt. Folglich könnten sie theoretisch von europäischen Rüstungskonzernen auch weiter an Abnehmer in Ägypten geliefert werden.

Nur eine taktische Größe

Wen also soll dieses Embargo in Kairo beeindrucken? Da jederzeit der Absturz in einen Bürgerkrieg droht und bürgerkriegsähnliche Zustände schon eingetreten sind, wäre es da nicht sinnvoller gewesen, ein Ausfuhrverbot ohne Wenn und Aber zu verhängen, wie es sich seit längerem gegen Bashar al-Assad und seine Streitkräfte richtet? Sicher, das erscheint politisch brisant, aber die Botschaft wäre eindeutig und dazu geeignet gewesen, die Generalität vielleicht von ihrem konfrontativen Furor zu erlösen.

Es bleibt rätselhaft, weshalb Außenminister Westerwelle glaubt, „ein klares und entschlossenen Signal nach Ägypten“ gesandt zu haben. Das hätte es gegeben, wären die Übergangsregierung und die Armee für den Bruch zivilisatorischer Normen durch die EU verurteilt worden. Man hätte sogar eine Klage gegen die militärisch und politisch Verantwortlichen vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag erwägen können. Es hätte die Zerstörung einer ohnhein fragilen Demokratie beklagt werden sollen. Nichts dergleichen geschah!

Wieder einmal zeigt sich, dass Moral in der Politik eben nicht mehr ist als eine taktische Größe. Man erinnere sich, dass mit Tunesien als dem ersten Land in Nordafrika 1995 ein EU-Assoziierungsabkommen geschlossen wurde, obwohl über die diktatorischen Verhältnisse unter dem damaligen Präsidenten Ben Ali nicht der geringste Zweifel bestehen konnte. Wie es in dessen Staat um Demokratie und Menschenrechte bestellt war, schien für Brüssel irrelevant. Wie damals, so ist auch jetzt wohlfeiler Pragmatismus für die halbherzigen Sanktionen maßgebend, die in Kairo eher beiläufig zur Kenntnis genommen werden. Es stehen schließlich enorme finanzielle Milliarden-Transfers aus Saudi-Arabien, Katar und anderen Golfstaaten in Aussicht. Besonders das Regime in Riad dürfte sich von der rigiden Ordnungspolitik in Kairo bestätigt fühlen.

Nicht zu sehr brüskieren

Die EU musste etwas unternehmen, um die Massaker in Ägypten nicht völlig an sich abtropfen zu lassen. Aber sie wollte dem Macht- und Sicherheitsapparat in Kairo offenbar nicht weh tun. Ein Partner und Verbündeter soll nicht über Gebühr brüskiert werden, wenn er sich so nachdrücklich als Anti-Terror-Kämpfer zu erkennen gibt. Fragt sich nur, ob fundamentalistischer Terror durch eine Militärdiktatur besser einzudämmen ist als in einer funktionierenden Demokratie. Algerien und der Bürgerkrieg mit einer zu allem entschlossenen Guerilla der Islamischen Heilsfront FIS nach 1992 oder die Zustände im Jemen zeigen das Gegenteil.

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