Ende der Vorstellung

USA Das Amtsenthebungsverfahren zwingt die Republikaner zum Offenbarungseid. Gehen sie auf Abstand zu Donald Trump, den sie noch vor Tagen verteidigt haben?
Hat sich Donald Trump verkalkuliert? Viele, die ihn unterstützten, entsagen dem Mann im Weißen Haus nach den „Capitol Riots“
Hat sich Donald Trump verkalkuliert? Viele, die ihn unterstützten, entsagen dem Mann im Weißen Haus nach den „Capitol Riots“

Foto: Stefani Reynolds/Getty Images

Impeachment ist wieder angesagt: Die Demokraten beschleunigen und folgen dem Prinzip des maximalen Drucks. Er gilt Donald Trump, Vizepräsident Mike Pence, der seinem Chef die Amtsfähigkeit absprechen soll, und republikanischen Kollegen im Kongress. Das kurz vor Trumps Abgang am 20. Januar eingeleitete Verfahren will Trumps Demission erzwingen oder wenigstens dessen künftige Politikversuche verbeugend vereiteln. Und vor allem: Ein Impeachment zwingt die Republikaner zum Offenbarungseid.

Halten sie nach dem von Trump angestifteten und letztendlich gewalttätigen Marsch auf das Kapitol weiter zum Präsidenten, stehen sie auf Seiten eines Mannes im Niedergang, der sich gegen grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien gestellt hat?

Es ist ein Politikum erster Güte, den 6.Januar in Washington nicht auf sich beruhen zu lassen, auch wenn am 20. Januar Nachfolger Joe Biden antritt. Trump soll bestraft werden, er muss bestraft werden, sagen Impeachment-Befürworter.

Vermeintliche Volksnähe

Den letzten unrühmlichen und unausweichlichen Rücktritt eines republikanischen Präsidenten gab es 1974 mit Richard Nixon, dem die „Watergate-Affäre“ mit ihren gesetzwidrigen Machenschaften gegen die Opposition zum Verhängnis wurde. Unstrittig dürfte sein, dass Donald Trump nicht länger nützlich ist. Er erlebt, dass in der Politik manche seiner vermeintlichen Getreuen auf Distanz gehen, um ihr eigenes Image zu wahren. Sie verlassen das schwankende Schiff oder hüllen sich in Schweigen.

Manche Wirtschaftsvertreter fordern seinen Rücktritt und haben sich von Trumps Lügen über das Wahlergebnis distanziert. Die Macht von Washington werde zu „euch, dem Volk“ zurückkehren, hatte Trump vor vier Jahren in seiner Amtsantrittsrede versprochen. Viele seiner Anhänger wollten das glauben. Das Phänomen Trump gründete auf demagogischen Fähigkeiten und wechselseitiger Nutzbarkeit: Trump verlegte sein Reality-Fernsehstudio ins Oval Office, lechzte nach Verehrung und nach Dollars. Es ging ihm um sich selbst und seine Familie.

Viele seiner Gefolgsleute und die sich anbiedernde Wirtschaft haben von Trump profitiert. Mit dem Mann konnte man viel durchsetzen unter dem Schirm der Volksnähe. Wegen des Ansturms auf das Kapitol nimmt diese Vorstellung ein abruptes Ende. Er darf als gezielte Entweihung eines zentralen Ortes des amerikanischen Staatsverständnisse nicht unterschätzt werden.

Sinn für Opfermythen

Akteure im weit rechten Spektrum freuten sich wohl über „ihren Erfolg“, das Establishment unter die Schreibtische gejagt zu haben. Doch die Erstürmer des Parlaments haben sich verkalkuliert. Vielen US-Amerikanern ist das Gebäude ein Heiligtum. Es repräsentiert die vermeintliche Einzigartigkeit der Nation. Schulabschlussklassen besuchen das Kapitol, um die patriotischen Gemälde und die Statuen der Helden zu bestaunen.

Die Fotos von ungehobelten Gesellen mit ihren verwegenen Aufmachungen haben erschreckt. Wahnwitzig war die Idee, ein paar hundert dieser Männer könnten Bidens Wahl rückgängig machen. Trump hatte zum Marsch aufgefordert und den Kapitolstürmern versichert, sie seien etwas Besonders.

Manche Kapitol-Angreifer kamen mit der Fahne der konföderierten Südstaaten, die vor mehr als 150 Jahren die Institution Sklaverei verteidigt und den Bürgerkrieg verloren haben. Impeachment oder keines: Die trumpistische Bewegung verschwindet nicht. Aus Niederlagen können machtvolle Opfermythen werden.

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Geschrieben von

Konrad Ege | Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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