Es ist ein blamables Armutszeugnis für einen Politiker mit außenpolitischer Ambition und Expertise, ausgerechnet jetzt die UN „als Totalausfall“ zu attackieren. Sie sei „als Weltpolizist eben ein Totalausfall“, gab Philipp Mißfelder als außenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag gerade im DLF-Interview zum Besten. Dies lässt auf ein auffallend schlichtes Verständnis der Weltorganisation schließen. Als „Weltpolizist“ war sie nie gedacht. Eher als „Weltgemeinschaft“, die sich um die „Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit“ bemüht, wie es in Artikel 33 ihrer Charta heißt. Dazu stehen ihr als Mittel zur Verfügung: „Verhandlung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich, Schiedsspruch, gerichtliche Entscheidung, Inanspruchnahme regionaler Einrichtungen oder Abmachungen durch andere friedliche Mittel eigener Wahl“ (ebenfalls zitiert aus Art. 33). Welcher „Polizist“ hat das im Besteckkasten?
Diffuses Gerede
Wenn sich Mißfelder schon an solche Begrifflichkeiten wagt, sollte das Verdikt „Totalausfall“ verantwortungslosen Großmächte wie den USA, Großbritannien und Frankreich gelten, die eine Intervention gegen Syrien ostentativ vorantreiben, bevor es irgendeinen Befund der Waffeninspekteure gibt, die den mutmaßlichen Giftgaseinsatz vom 21. August bei Damaskus untersuchen. Immerhin hat Mißfelders Parteifreund Ruprecht Polenz erklärt, dass „eine Untersuchung der Vereinten Nationen von unabhängiger Seite wichtig“ sei. Daraus müsse hervorgehen, „a), ist Giftgas eingesetzt worden, und vor allen Dingen b), wenn ja, von wem?“ Erst dann sollte man über Reaktionen nachdenken. Der CDU-Außenpolitiker räumt gleichzeitig ein, dass es Situationen gäbe, in denen „von außen keine Möglichkeit bestehe, so zu intervenieren, dass es besser wird“, sondern der Konflikt nur „weiter entgrenzt“ werde.
Leider hat Polenz keinen Sitz im Bundeskabinett. Es gäbe dann wenigstens eine Stimme aus dem Regierungslager, die relativ klar vor den Risiken einer militärischen Selbstermächtigung von Franzosen, Briten und Amerikaner in einer leicht entflammbaren Gegend warnt. Außenminister Westerwelle gefällt sich dagegen bisher in einem diffusen Gerede, das auf einen leicht bellizistischen Sound wert legt, aber ausreichend schwammig bleibt, um jede Festlegung zu vermeiden. Hier eine Kostprobe: „Wenn sich ein solcher Chemiewaffen-Einsatz bestätigen sollte, muss die Weltgemeinschaft handeln. Dann wird Deutschland zu denen gehören, die Konsequenzen für richtig halten.“ Welche sollten das sein? Wird sich die Regierung Merkel angesichts der Gewaltexzesse in Syrien und einer sich intensivierenden Einmischung von außen für eine Friedenskonferenz sowie ein Waffenembargo gegen alle Konfliktparteien und für alle EU-Staaten einsetzen. Oder wird sie Obama und Cameron zur Hand gehen, wenn die losschlagen? Mit den Patriot-Batterien in der Türkei ist man unter Umständen mittendrin im Schlamassel, wenn sich die syrische Armee bei einem Angriff zu Abwehrmaßnahmen oder Gegenschlägen entschließt.
Kultur der Zurückhaltung
Noch einmal aus dem Westerwelle-Statement vom 26. August: „Der Begrenztheit unserer Möglichkeiten kann man nicht dadurch glaubwürdig begegnen, eine interventionistische Politik zu predigen und die damit verbundenen Unwägbarkeiten und Gefahren zu übergehen.“ Bei aller verschlüsselt-verdrucksten Semantik kann man heraushören, dass sich die deutsche Exekutive keinen unnötigen Risiken aussetzen möchte, aber die Ansage scheut, dass sie eine Intervention weder für zwingend, noch für gerechtfertigt, geschweige denn für richtig hält.
Es gäbe gerade jetzt die Chance, eine unter Schwarz-Gelb verschämt vertretene Kultur der militärischen Zurückhaltung zu akzentuieren, wie sie bei der Stimmenthaltung im UN-Sicherheitsrat durchschimmerte, als dort im März 2011 über die Libyen-Resolution votiert wurde. Man könnte ausnahmsweise auf jenen untertänigen Opportunismus verzichten, erst die Gessler-Hüte zu grüßen, indem man Obama, Cameron und Hollande gewähren lässt, um dann hinter vorgehaltener Hand Zweifel zu äußeren.
Wer eine Intervention für ein hochmütiges militärisches Abenteurer hält, kann das durch die Weigerung zum Ausdruck bringen, sich daran zu beteiligen. Besser und international hilfreicher wäre es, einem solchen Unternehmen energisch zu widersprechen. Von der Regierung Merkel ist das freilich nicht zu erwarten.
Kommentare 37
Kein Widerspruch, nur eine ergänzende Bemerkung:
Ein Militärschlag gegen Syrien, wie "chirurgisch" auch immer und angeblich ja gar nicht für einen Regimewechsel", ist nicht nur eine unverantwortliche Aktion und und ein gefährliches Abenteuer, sondern ein das Völkerrecht missachtendes Verbrechen. In dem Zusammenhang sei an einen Text des Staatsrechtler Reinhard Merkel vom 22. März 2011 in der FAZ erinnert, als die NATO gegen Libyen vorging: "Die Militärintervention gegen Gaddafi ist illegitim". Gegen Gaddafi wurde damals vorgebracht er wolle einen "Völkermord" gegen die Aufständischen verüben. Merkel dazu: "Dass Gaddafi keinen Völkermord begonnen oder beabsichtigt hat, ist evident." Das kann jede und jeder für Syrien übersetzen. Reinhard Merkel hat sich auch jüngst zur Rolle des Westens in Syrien geäußert, in der FAZ vom 2. August 2013: "Der Westen ist schuldig"
Ob seine Namensvetterin im Bundeskanzleramt das auch nur mal ansatzweise zur Kenntnis genommen hat und nicht nur überflogen im Pressespiegel des Bundespresseamtes?
Danke für den Beitrag und vor allem für die unbedingt notwendige und richtige Reaktion auf das unsägliche, brandgefährliche Geschwätz von Mißfelder, beim welchem auch mir das Essen aus dem Gesicht fiel.
Polenz als 'Stimme der Vernunft' war leider gestern (wahrscheinlich ein 'Ausrutscher'); heute hört sich das so an:
Polenz: Weltgemeinschaft zu militärischer Reaktion berechtigt
So sieht es auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU). "Wenn der UN-Sicherheitsrat aufgrund einer Blockade von Veto-Mächten solche Konsequenzen nicht zieht, bleibt die internationale Gemeinschaft trotzdem dazu aufgefordert und berechtigt", sagte er "Handelsblatt Online". Polenz sprach sich dafür aus, die deutschen "Patriot"-Luftabwehreinheiten im türkisch-syrischen Grenzgebiet stationiert zu lassen. (Quelle DLF)
MfG-mcmac
Nachtrag: Link zum Original im Handelsblatt (Polenz)
...die 'Koalition der Willigen' steht, auch in Merkel-Land...
Die Großmächte sind die einzigen Akteure, die den Einsatz von C-Waffen verhindern können. Es wäre besser, die EU oder die UNO würde das tun.
Die Intervention ist richtig.
https://www.freitag.de/autoren/marina-g-/eine-intervention-in-syrien-ist-richtig
Die Intervention ist richtig.
Mit Verlaub, nein, ist sie nicht. Auch Ihr Beitrag spiegelt eine gewisse Hilflosigkeit (v.a.in der lückenhaften , bzw., nicht vorhandenen Betrachtung der Chronolgie dieses Konflikts). Aus dieser Hilf-und empfundenen Machtlosigkeit nun den Schluss zu ziehen, es sei richtig, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, ist völlig absurd (und in die Tat umgesetzt: brandgefährlich).
MfG-mcmac
Moin, lieber Hans Springstein,
auch wenn ich sicher viele böse Blicke auf mich ziehen werde, ich halte diese vorgebliche Antikriegshaltung, wie sie seit vielen Monaten zu vernehmen ist, für recht bigott. In Libyen, so hieß es, seien viele Menschen durch die NATO ums Leben gekommen. In Syrien griff man nicht ein, gibt es dadurch weniger Tote? Nein, durch Wegsehen (auf Seiten der Verantwortlichen) und voyeuristisches Begaffen (wir alle) ist der Krieg nicht um ein Jota weniger grausam geworden. Ganz im Gegenteil, es ist eher das Muster des zu lange Zuwartens seitens der Weltgemeinschaft, das tägliche Neuerfinden wichtiger Gründe für die Ignoranz, was die heutige Situation erst möglich gemacht hat. Der richtige Zeitpunkt für eine internationale Intervention (ob bewaffnet, kämpfend oder anders) ist längst verpasst, ein Zeitpunkt, bei dem vielleicht noch andere Maßnahmen als das bewaffnete Eingreifen möglich gewesen sind.
Dieses Versagen reiht sich ein in eine ganze Latte von gleichartigen Situationen, on in Sarajevo, in Srebrenica, in Ruanda, in Kongo, in Somalia. Es folgt die Unfähigkeit der Weltgemeinschaft, solche Brennpunkte zu entschärfen, immer dem gleichen Muster. Oft würde sicher das einfache Zeigen einer wehrhaften Präsenz für Klärung sorgen. In Srebrenica hätte vermutlich die einfache aber glaubhafte Ankündigung ausgereicht, dass ein Angriff gegen die niederländischen Soldaten und deren Schutzbefohlenen einer Kriegshandlung gegen die NATO gleich kommt. Wenn man aber gegen Despoten und Marodeure nichts in der Hand glaubt als Wattebälchen, so werden diese der Weltgemeinschaft eben weiter auf der Nase herum tanzen.
Beste Grüße
Grabert
"Trotz allem Unrecht, das von NATO und Westen ausging und ausgeht. Es ist ein zivilisatorisches Minimum, den Einsatz von C-Waffen zu verhindern, zumal gegen die Zivilbevölkerung."
Was heißt "zumal gegen die Zivilbevölkerung"? Gegen alle! Auch gegen (egal, ob wehrpflichtige oder freiwillige) Soldaten.
Mit zivilisatorischem Minimum hat das WAS zu tun. Nichtzivilisierte "Wilde" besitzen keine Chemiewaffen (nehme ich an).
"Und das geht, bei allem Respekt für adopt-a-revolution und andere zivilgesellschaftlich Engagiert, nur mit Gewalt. .."
Wollen Sie sich dafür aussprechen, dass man den Einsatz von Chemiewaffen durch den Einsatz von Nuklearwaffen verhindern solle?
Wollen Sie eine gewalttätige Intervention gegen das syrische Volk?
Wollen Sie das auch in Anbetracht der Gefahr eines Weltkrieges?
Nehmen Sie auch die Gefährdung der benachbarten Völker, auch der Israels, in Kauf?
Den Einsatz von Waffen jeglicher Art zur vermeintlichen Konfliktlösung verhindert man m.M. am besten dadurch, dass man nicht Menschen sondern Waffen vernichtet (statt Geschäfte damit zu machen).
N'abend, werter Grabert,
Entschuldigung, wenn ich mich einmische aber: Sie werfen in Ihrer von gewissem Super-Realismus (ich will nicht sagen: Bigotterie) geprägten Argumentation aber ganz schön Ihre Wattebällchen durcheinander: Wo bspw. verläuft Ihrer Meinung nach die Grenze zwischen "Weltgemeinschaft" einerseits und "Despoten" und "Marodeuren" anderseits? Vielleicht -Vorschlag, um ein aktuell bekannt gewordenes Beispiel zu nehmen- ungefähr hier (dt. hier)?
MfG-mcmac
Bei SPON wird die Heuchelei auf deutscher Seite trefflich auf den Punkr gebracht:
http://cdn2.spiegel.de/images/image-537325-panoV9free-lwiu.jpg
Und hier die URL http://cdn2.spiegel.de/images/image-537325-panoV9free-lwiu.jpg
Weltgendarm USA! Mark Twain - " Man sollte im Sternenbanner die weißen Streifen der Flagge schwarz färben und die Sterne durch Totenschädel ersetzen"!
Werte/r Grabert,
als Antwort auf Ihre durchaus streitbare Äußerung verweise ich auf meine Texte, in denen ich mich schon mehrfach zu den von Ihnen angesprochenen Fragen geäußert habe. Das können Sie bei Interesse alles nachlesen, u.a. hier. Ich bitte Sie um Verständnis, dass ich nicht immer alles wiederholen will und kann. Ich bin es gelinde gesagt auch leid, mich wiederholen zu müssen ...
Nur so viel dazu: Es ist bei jedem Konflikt zu fragen, was vorher getan wurde, um möglichst zu verhindern, dass aus ihm ein mörderischer Konflikt und Krieg wird. Und da ist die Rolle des Westens eine mindestens fragwürdige, auch bei den Kriegen auf dem Gebiet des zerstörten Jugoslawiens. Auch da wurden frühzeitig alle Warnungen vor den Folgen gerade von jenen ignoriert, die später auch mit Bomben eingriffen mit der Begründung, noch Schlimmeres verhindern zu müssen. Ich bleibe dabei: Es muss verhindert werden, dass überhaupt ein Brand an einen potenziellen Brennpunkt gelegt wird und dass die Brandstifter dann auch noch sich als Feuerwehr anbieten! Krieg, wie auch immer genannt, ob Intervention, Militärschlag oder sonst wie, hat noch keines der zu Grunde liegenden Probleme gelöst. Und das Morden, das angeblich nur damit gestoppt werden könne, hätte vorher verhindert werden können. Deshalb ist es für mich eine schauderhafte und verlogene Argumentation, das sehenden Auges mindestens zugelassene, wenn nicht gar geförderte Morden als Begründung zu nehmen, nun aber doch eingreifen zu müssen und den Barbaren mal zu zeigen, wie Konflikte menschlich gelöst werden ... Entschuldigung, ich rege mich doch auf. Wurde auch doch länger als beabsichtigt. Das muss aber reichen als Antwort auf Ihre Bemerkungen zu meiner "vorgeblichen Antikriegshaltung". "Vergeblich" würde ich ja noch akzeptieren, aber wie stellte Thomas Mann doch einst fest: "Krieg ist nichts als Drückebergerei vor den Aufgaben des Friedens."
(Thomas Mann: Vom kommenden Sieg der Demokratie, in: Zeit und Werk. Tagebücher, Reden und Schriften zum Zeitgeschehen, Berlin 1955, S. 818)
Nachtrag: Ihre Äußerungen lassen im Fall Syrien auch außer acht, worauf ich auch schon hingewiesen habe: Das US-Onlinenachrichtenportal McClatchy hat am 3. Juni 2013 erstmals darauf hingewiesen: Von den bis dahin mindestens gemeldeten 96.431 Toten seit März 2011 seien 24.617Angehörige der syrischen Armee und Sicherheitskräfte sowie 17.031 Mitglieder der Pro-Regierungs-Milizen gewesen. Sie machten danach allein 43,2 Prozent der Kriegsopfer aus. An den Kämpfen unbeteiligte Zivilisten stellten die nächstgrößere Gruppe mit 35.479 Toten (36,8 Prozent). Dem Bericht nach gab es bei den "Rebellen" bis dahin 16.699 Tote (17,3 Prozent), unter ihnen 2.119 Ausländer.
Ausführlich nachlesbar hier. Zuvor hatte ich mich schon über "Das zynische Spiel mit den Opferzahlen" geäußert.
Nun reicht's aber.
Doch noch ein Nachtrag: Ich finde ja viel passender, was Ihr verstorbener Namensvetter, der ehemalige Botschafter Horst Grabert, zum Beispiel zu Jugosalwien gesagt hat, u.a. hier
Da gibt's manche Parallele, nicht nur die: "Es hat sich erwiesen, dass die NATO nicht geeignet ist, eine wirklich krisenbewältigende Politik zu machen. Wenn sich die Politik des Westens unter Führung der Vereinigten Staaten nicht erheblich ändert, wird es sogar immer schwerer werden, regionale Konflikte dieser Art zu lösen. Die eigentlichen Krisen haben wir noch vor uns. Wir sollten nicht der Illusion anhängen, mit dem Kosovo wäre das Schlimmste überstanden."
So kurz vor der Wahl kann man dankend zur Kenntnis nehmen, was diese Regierung von der Regierung Schröder unterscheidet. Er hat dazu gestanden und allen Anfeindungen zum Trotz, uns aus dem Irak-Krieg herausgehalten. Ja, er hat Fehler gemacht. Aber diesen nicht. Er hatte einen Standpunkt und den kannten die Wähler. Und Frau M.?
Was sagt Peer Steinbrück?
"... Von der Regierung Merkel ist das freilich nicht zu erwarten." Das ist doch klar, von einer SPD/Grünen wohl aber auch nicht!
Der ehemalige BRD-Diplomat Horst Grabert im Jahr 2000: "Die Amerikaner sind meines Erachtens auf dem Holzwege wenn sie meinen, durch die Fähigkeit jeden Ort der Welt mit Präzisionswaffen aus der Luft angreifen zu können würde sich ihre Weltmachtstellung verbessern. Ich behaupte es ist der Anfang des Niedergangs dieser Weltmacht. Es gibt kluge Leute in Amerika, die darüber diskutieren und zu ähnlichen Auffassungen kommen. Selbst ein Mann, der nun wirklich Realpolitik betrieben hat wie Henry Kissinger hat erkannt, dass diese Politik zu einer Weltunordnung führt. ...
Außenpolitik die meint, sich v.a. auf militärische Macht stützen zu müssen, führt uns nur näher an den Abgrund." (Quelle)
Horst Grabert war von 1972 bis 1974 Chef des Bundeskanzleramtes, danach Botschafter der BRD, von 1974 bis 1979 in Wien, von 1979 bis 1984 in Belgrad und von 1984 bis 1987 in Dublin. Er verstarb vor zwei Jahren.
Moin, lieber McMac,
die Unterscheidung ist tatsächlich nicht immer einfach und wird dadurch auch noch schwerer, dass man sich weltweit angewöhnt hat, die Despoten aufzuteilen, in "die Guten" und "die Schlechten", was zweifellos im kalten Krieg einfacher war, da gab es die "Guten des Westens" und die "Schlechten des Ostens" aus Westsicht, im Ostblock wurde es genau anders herum gedacht. Heute sind die "guten Bösen" wohl eher jene, mit denen sich gute Geschäfte machen lassen, was allerdings auch vorher schon so war. Wie sehr ein Herrscher als Übel angesehen wird, ist daher in der weltweiten Außenpolitik immer abhängig von eigenen Interessen. Und gerade in dieser Disziplin waren die USA nicht gerade vorbildlich, mussten daher oft jene "Figuren" wegräumen, die sie vorher installiert hatten oder wurden gar überrascht, wenn ihr Schachbrett durch andere Akteure durcheinander gebracht wurde. Gerade im Falle des Iran und Irak ist dies sehr schön zu beobachten.
Aber schauen Sie einmal auf den Kongo, wo seit zwanzig Jahren ein Krieg geführt wird, gespeist mit Waffen aus undurchsichtigen Kanälen, die so undurchsichtig gar nicht sind. Finanziert wird der Kampf aus Geschäften mit den Rohstoffen, um die letztlich der Krieg geführt wird. Es wäre dabei recht einfach, sowohl die Waffentransporte zu unterbinden als auch den Handel auszutrocknen, wenn man denn wirklich wollte. War es im Sudan, dort geht es um Öl, nicht letztlich genau so?
Nein, die Welt ist grausamer, als wir bereit sind, uns einzugestehen.
Beste Grüße
Grabert
Es wäre dabei recht einfach, sowohl die Waffentransporte zu unterbinden als auch den Handel auszutrocknen, wenn man denn wirklich wollte.
Das sehe ich auch so.
Nein, die Welt ist grausamer, als wir bereit sind, uns einzugestehen.
Das mag sein. So wahnsinnig kompliziert aber ist sie daher auch nicht - wie Sie selbst ausführten - siehe 1. Zitat, v.a. wenn man wirklich wollte.
...Wenn man wirklich wollte. Tja, wer will das eigentlich nicht? - möchte ich zurückfragen. Klingt wie ein Floskel. Wird aber konkreter, wenn man es vielleicht so betont:
Wenn man das wirklich wollte - Tja, wer will das eigentlich nicht?
MfG-mcmac
Moin, lieber Hans Springstein,
ja, auch dem Grabert kann ich zustimmen, leider kein direkter Verwandter. Es geht mir auch gar nicht darum, Außenpolitik auf militärische Stärke zu stützen, es geht, wie z.B. in Syrien, doch eher darum, einen blutigen Konflikt zu stoppen. Ohnehin hätte ich große Probleme, mich mit der einen oder der anderen Seite gemein zu machen.
Angefangen hat es in Syrien doch damit, dass ein zunächst kleiner zivilgesellschaftlicher Protest sich seinen Weg bahnte, friedlich und unbewaffnet. Nach und nach kam es zu mehr Gewalt, mutmaßlich zunächst auf der regierungstreuen Seite. Aber genau so scheibchenweise wurde der Protest gekidnapt von Bewegungen, die mit dem zivilgesellschaftlichen Umschwung nicht viel am Hut haben. Parallelen hierzu finden sich auch in Ägypten, Libyen, etc., bisher gibt es außenpolitisch keine vernünftige Antwort darauf.
Eines erscheint mir aber überdeutlich, je länger zugewartet wird, um so mehr Tote gibt es. Und damit noch ein Satz zu den Zahlen, ich befürchte, auch wenn ich es nicht belegen kann, dass zwischen den vielen zivilen Opfern auch Kämpfer befinden, wa ja nie trennscharf zu unterscheiden ist, bei der Quellenlage. Aber schon die schiere Gesamtzahl ist bedenklich.
Fatal sehe ich es auch an, dass es an Konzepten mangelt, solche Konflikte zu entschärfen. Bisher können die Protagonisten aller Seiten immer darauf bauen, die Weltgemeinschaft zu spalten.
Beste Grüße
Grabert
Warum ist das so? Man schaue einmal zur Konkurrenz denn ein Bild sagt mehr als tausend Worte!
...und während die Weltöffentlichkeit gebannt auf die amerikanisch-britisch-französischen Beweise für Assads Giftgaseinsatz wartet, kann man zwischendurch, so quasi zum Zeitvertreib, noch einmal in diesen Bericht des von Moskau ferngesteuerten WDR von vor 2 Monaten hereinschauen. Interessant hierbei, dass die Nummer von vor 2 Monaten höchstwahrscheinlich noch ohne echtes Nervengas auskam (gleichwohl war sich der Westen schon damals absolut und ohen jeden Zweifel sicher, dass es ein Giftgaseinsatz war und dass - natürlich - nur Assad zu so etwas fähig sein könne und mithin der einzige Schuldige sei. Da die Ente seinerzeit ein bisschen verpuffte, hat man nun wohl nachgelegt – mit echtem Giftgas...
Moin, lieber McMac,
grundsätzlich sind alle Quellen in Syrien eher zweifelhaft, jede Seite hat eigene Interessen, um die ursprüngliche Idee (Hoffnung), die hinter den anfänglichen Protesten stand, geht es doch schon lange nicht mehr. Wenn man hätte eingreifen wollen, dann wäre 2011 die richtige Zeit gewesen. Es wäre jene Zeit, in der eine internationale Intervention noch nicht unbedingt der Waffengebrauch gewesen wäre, der es jetzt wohl werden wird.
Ich bin kein Freund Assads, nur habe die Rebellen mich auch nicht wirklich überzeugt, mir scheint unklar, in welche Richtung sie Syrien bringen wollen, würden sie die Oberhand gewinnen. Und noch banger die Frage, wer setzt sich dann an die Spitze, eine Frage, auf die eine Antwort zwingend ist, will man für eine Seite Partei ergreifen.
Ein internationales Eingreifen kann eigentlich jetzt nur noch das Ziel haben, die beiden Seiten zu trennen, die Kämpfe zu stoppen. Einen Plan hierzu sehe ich aber nicht. Es ist einfach Zeit verbummelt worden, eine Lösung zu entwickeln. Diesen Schuh müssen sich die Außenpolitiker in aller Welt anziehen, auch der deutsche Außenminister. Keine Seite hat eine gute Figur gemacht, insbesondere nicht die Veto-Mächte im Sicherheitsrat, einschließlich ausdrücklich auch die russische Regierung, die Schuld trifft nicht (nur) die USA.
Beste Grüße
Grabert
gestern: Nie wieder Krieg!
heute: Krieg ist Frieden!
Philipp Mißfelder ist ein Schwadroneur, eines der künftigen Gesichter der CDU.
Aber gut, das waren vor ihm schon Merz, Koch, Röttgen, Guttenberg, Das macht Mut.
Schon ein Knaller, das Video, so kurz vor der "Aufrüstung"...
Gruss
Da bin ich ja mal ganz bei Ihnen, Herr Herden, na sowas...
Einen schönen Gruss
TL
die Unfähigkeit der Weltgemeinschaft, solche Brennpunkte zu entschärfen
Die Weltgemeinschaft (nein, eigentlich nationale Akteure) beweist aber schon die Fähigkeit, solche Brennpunkte anzuheizen. Durch Waffenlieferungen und Nicht-miteinander-reden etwa. Wenn erstmal USA, Russland und Iran sich an einen Tisch setzen würden, könnten sie gewiss was bringen für Syrien, ohne Tote. Aber über diesen Schatten könne die Amis eben nicht springen. Könnten sie vielleicht einen Stellvertreter schicken?
Warum gibt die sonst so wenig zimperliche Israel-Fraktion in der deutschen Linken plötzlich den Friedensapostel? Dahinter steckt weniger Pazifismus als Islamophobie.
https://www.freitag.de/autoren/marina-g-/syrien-und-die-israelfreundinnen-der-taz
"schlichtes Verständnis" ist wirklich wieder Herdensche Höflichkeit, VERACHTUNG der UNO wäre wohl zutreffender. Schließlich ist das zwingende Gewaltverbot, dieses elementare Statut der UNO nicht dafür geschaffen worden um uns in den Himmel zu bringen, sondern um uns vor der Hölle zu bewahren.Dies scheint dieser Politiker mit seinen Stammtischparolen noch gar nicht kapiert zu haben. Das der Außenminister mit dem Neuen in Teheran per Telefon gesprochen hat hätte ich ihm gar nicht zugetraut. Immerhin. Seine Manöver sind aber nur scheinbar liberal wegen der Wahlen bleibt er vage. Merkel verhält sich aus gleichen Gründen ambivalent. Das wiederum deutet auf ein ganz klare Tatsache: die Bevölkerungen aller westlichen Länder hat, dank GWB, die Nase voll von all diesen "humanitären Kriegen" und sie würde glatt abgewählt wenn sie für einen Einsatz stimmen würde. Der mentale Massenunfall für Hague und Cameron im Unterhaus hat das letzte Nacht klar gemacht. Der Durchschnitts-Franzose denkt vor allem nur ans Essen und überlässt es der Fremdenlegion die Schweinereien zu begehen. Erst danach wird dann lamentiert. Jedenfalls gab es von Fabius bisher noch kein Statement zur Londoner Entscheidung. So, es gibt nun etwas Hoffnung das sich die Leute in St. Peterburg beim G20 an einen Tisch mit einer "Kultur der Zurückhaltung" zusammen setzen. Vorsorglich will ich Euch aber schon einmal darauf einstimmen das das Ergebnis der Waffeninspektoren auf einen Gebrauch von Chemiewaffen durch die syrische Armee hindeuten.
Moin, liebe(r) Dersu Usala,
mit Mladic und Milosowic wurde auch geredet und geredet und geredet und geredet ..., dabei haben beide brav vollendete Tatsachen geschaffen und die Weltgemeinschaft (z.B. die UN) dumm aus der Wäsche geschaut.
Vielleicht erinnern Sie sich an die tragischte Form dieser Politik, die Münchner Konferenz, bei der Chamberlain eine ziemlich bescheidene Figur machte, aber dennoch half, den folgenden Weltkrieg zu gewinnen. Er erkaufte damit die Zeit für die Briten, nachzurüsten, nachdem man jahrelang dem bunten Treiben der Nazis taten- und folgenlos zugesehen hatte.
Im Falle Iran könnte sich die Sache tatsächlich entspannen, in erster Linie dadurch, dass es im Iran selbst einen neuen Akteur gibt. Bezogen auf Syrien, hier macht gerade Russland eine mindestens so schlechte Figur wie die USA.
Frieden hat man übrigens nur, wenn alle Seiten ihn wollen, für Krieg reicht eine Partei, die keinen Frieden will.
Beste Grüße
Grabert
Direkt erinnern kann ich mich an die Münchner Konferenz nicht, da war ich noch zu jung… Aber es gibt ja das Netz, das war die Sache mit dem Zwangsabtritt des Sudetenlands. Bei der Konferenz wurden keine tschechischen Vertreter eingeladen. In meiner Liste habe ich Syrien nicht erwähnt, okay, die Parallele ist zu sehen.
Grundsatz meines Argumentierens ist die Lebenslage der Leute vor Ort, also dass sie in Ruhe über die Strasse, zur Schule und zur Arbeit gehen können. Das Problem ´38 zielte auf Nationen und Staatsgebiet, die Parallele sehe ich nicht. Assad 2013 ist keineswegs in der Stellung von Hitler 1938. Die Lebenslage der Leute vor Ort wäre natürlich noch besser, wenn sie sagen könnten was sie wollen, das ist durch Assad eingeschränkt, aber das obige wird den allermeisten wichtiger sein.
Klar, wenn man meint, den Giftgasmörder so oder so später oder früher wegbomben zu müssen, dann wäre heute besser als morgen. Aber es gibt nun mal die jüngeren Vergleichsfälle Libyen, Irak und Afghanistan, und ich sehe nicht, dass Teil 1 der Lebenslage sich dort verbessert hat.
Wenn sich USA, Russland und Iran darauf verständigen würden, dass Assad gehen muss aber der Regimebau bleiben darf (nur ein anderes Gesicht bekommt), wäre der Gesichtsverlust für Obama ertragbar und die Einflusssphären gewahrt. Ich kann nicht wirklich wissen, wohin das führt, aber ich schätze den Effekt auf die Lebenslage vor Ort als besser ein als das Bombenszenario und denke, dass es positive Weiterentwicklung ermöglicht. Punkt 1 dieses Weges wäre das Treffen USA, Russland und Iran, und das scheitert an Amerika.
Moin nochmal, liebe(r) Dersu Usala,
zunächst einmal hat es ja den Gesichtswechsel, den Sie ins Gespräch gebracht haben, ja schon einmal gegeben, es kam: Baschar al-Assad [!]; sein Vorgänger: Abd al-Halim Chaddam. Davor: Hafiz al-Assad (Vater von Baschar). Baschar al-Assad war angetreten, die Reformen in die Wege zu leiten, die von ihm in den zunächst friedlichen Protesten gegen ihn eingefordert wurden, weil die Reformen ausblieben.
Sie erinnern sich daran, was ich zu Mladic und Milosevic geschrieben hatte?
Zu München, nicht die Ausgangslage war gemeint, sondern die ewig gleiche Art und Weise, nicht das Problem zu lösen. In Syrien sind dazu drei Jahre nutzlos aber mit hohem Blutzoll verplempert worden.
Durch zu langes Zuwarten, Afghanistan mag hier die Ausnahme sein, wird meist jede Chance vertan, robust [!] durch andere Mittel als durch Waffeneinsatz einzugreifen. Das war auch mit München gemeint, es trifft bis in die heutige Zeit auf so gut wie alle Konflikte zu. Es sind übrigens längst nicht nur die USA, die hier ein unlauteres Spiel spielen.
Beste Grüße
Grabert
Moin auch again, wie es scheint, beklagen wir verschieden stark verschiedene unnötige Blutzölle. Alle sind bedauerlich, auch die nötigen. Die letzten Invasionen haben eben nicht zu wirklich positiven Entwicklungen geführt, sorry. Nun könnte man sagen, in Ruanda war es noch schlimmer, weil ohne Invasion. Aber ethnische Säuberungen sind nicht das aktuelle Problem in Syrien.
Unlautere Spiele spielen verschiedene Seiten, ja. Aber der stärksten Seite kann man am meisten vorwerfen, weil sie die meisten Möglichkeiten hätte.
Moin, liebe(r) Dersu Usala,
Ruanda ist ein schönes Beispiel, Srebrenica wäre vergleichbar. Ich will mich hier einmal auf Ruanda beschränken, dort standen modern bewaffneten (kanadischen) Marodeure gegenüber, meist bewaffnet mit Hieb- und Stichwaffen. Statt diese aber mit gezieltem Feuer vor die Füße oder über die Köpfe in die Flucht zu schlagen oder zur Aufgabe zu zwingen und anschließend zu entwaffnen. Statt dessen wurde unter den Blicken der UN-Truppen munter gemordet, die eigentlich zum Schutz derer dort waren, die niedergemetzelt wurden. Für einige Leute mag diese Sicht zynisch sein, für viel zynischer halte ich allerdings, im Namen des Friedens nicht einzuschreiten und das Morden tatenlos zuzulassen oder bestenfalls zu dokumentieren.
Beste Grüße
Grabert
Ebenfalls sehr zynisch finde ich, im Namen des Völkerrechts militärisch einzuschreiten, obwohl a) das Völkerrecht anderes besagt und noch wichtiger b) gewaltfreie Optionen nicht versucht werden. Das Eingreifen erfolgte doch dann, wenn mindestens auch amerikanische Interessen verfolgt wurden. In Ruanda gab es keine.
Eine nicht zynische Lösung würde ich begrüßen, keine zynische nach Art "das geringere Übel".
Moin, liebe(r) Dersu Usala,
gewaltfreie Operationen, die nicht begleitet sind von dem Risiko jeglicher Konsequenzen, sind zum Scheitern verurteilt. Unter diesen Bedingungen ist Frieden nur dann möglich, wenn eine Seite unumstößlich gewonnen hat oder die Beteiligten so zermürbt sind, dass der Wille zur Gewalt erlahmt. Beides sehe ich in Syrien derzeit nicht, ersteres hätte auch den gravierenden Makel, dass einer breiten Bevölkerungsschicht weiter Unterdrückung und Verfolgung droht, unabhängig davon, welche Seite obsiegt. Irak und in gewisser Weise auch Afghanistan sind hier traurige Beispiele. Wie mühsam ein Friedensprozess sein kann, lässt sich in Nordirland sehen, wo auch noch längst nicht alles in trockenen Tüchern ist.
Unbestritten dürfte aber sicher sein, dass Luftschläge, wie jetzt als drohende Idee im Raum, nur kontraproduktiv sein können.
Beste Grüße
Grabert