Wenn Bashar al-Assad bei Präsidentenwahlen Mitte des Jahres kandidieren will, sollte ihn die mit Syrien befasste Staatengemeinde gewähren lassen. Manchmal ist es klüger zu bestärken, was man schwächen will. Etwas mehr machiavellistische Dialektik und weniger moralisierende Inbrunst täte der Syrien-Diplomatie gut. Assads Begehren heißt doch auch, dass sich das Baath-Regime für fähig hält, so viel staatliche Ordnung aufzubieten, dass ein regulärer Wahlverlauf garantiert ist. Wer wollte das a priori bestreiten? Immerhin ist es gelungen, unter Kriegsbedingungen sämtliche Chemiewaffendepots zu orten und zu leeren. Die Inspektoren der Organisation für das Chemiewaffen-Verbot (OPCW) beklagen zwar Verzug, aber kein Scheitern des Vorh
orhabens, die Kampfstoffe außer Landes zu bringen und zu vernichten. Internationale Beobachter müssten das Präsidentenvotum überwachen. Der Konflikt ist längst soweit internationalisiert, dass es anders kaum vorstellbar erscheint.Sollte die UN-Syrien-Konferenz (Genf II) den großen Wurf wagen und der Regierung in Damaskus den Wahlauftrag erteilen? Man hätte Assad in die Verantwortung genommen. Weshalb keinen politischen Prozess anstoßen, der mit dem Bürgerkrieg konkurriert? Warum nicht ein Votum gutheißen, dem sich alle stellen, die vorgeben, im Namen des syrischen Volkes zu handeln? Jeder lässt sich bescheinigen, wie viel davon stimmt.Genf II bleibt eine solche Perspektive vorerst schuldig, weil es im Westen als Niederlage und Desaster empfunden würde, das Ancien Regime derart gewähren zu lassen. Überdies hat dieses diplomatische Forum mit einem Defizit zu kämpfen – es spiegelt alle bisherigen Phasen des Bürgerkrieges, nicht aber sein jetziges Stadium. Um das am Personal des Auftaktes von Montreux zu verdeutlichen: Die offizielle Delegation aus Damaskus und der Exilverbund Nationale Koalition reflektieren das Jahr 2011, als die Arabellion Syrien erfasste und seit Jahrzehnten schwelende Konflikte in eine bewaffnete Konfrontation übergingen. Die Präsenz von Staaten der Arabischen Liga und der EU verweist auf die Periode von 2011 bis 2012. In diesem Zeitraum offenbarten sich die externen Paten der Schlacht um Syriens Zukunft – die Golfstaaten um Saudi-Arabien ebenso wie Ägypten und die Türkei oder Russland und der Iran, dazu die USA und Frankreich, die mit Waffenlieferungen eingriffen. Schließlich bildet die inoffizielle Schirmherrschaft der USA und Russlands bei Genf II das Jahr 2013 ab, als die Erkenntnis reifte, dass die Dimension des Konflikts einen regionalen Flächenbrand zu entfachen drohte. Desto dringlicher das Gebot, dies zu vermeiden. Die USA holten zwar zum Angriff gegen Assads Streitkräfte aus, hielten aber inne, bevor der Schlag traf. Es fehlte der Mann fürs Grobe, den Washington in vergleichbaren Situationen sonst zu bieten hatte. Man näherte sich stattdessen Genf II und dem Eingeständnis, einen politischen Ausweg aus der syrischen Katastophe finden zu müssen, die nötigen Wegmarken aber (noch) nicht setzen zu können.Historischer KompromissUm dies zu tun, hätte Genf II dem Jahr 2014 gerecht werden und den Iran an den Tisch bitten sollen. Dazu kam es bekanntlich nicht. Weil Genf II längst durch Genf II-plus flankiert wird? Ein informelles Verhandlungsforum, das sich öffentlicher Prozeduren à la Montreux enthält, weil es als „back channel“ funktioniert? Den könnten amerikanische und iranische Emissäre mit dem Ziel betreiben, jene bilaterale Normalität auszuhandeln, die sich nicht im Austausch von Botschaftern erschöpft, sondern in einen historischen Kompromiss mündet: Teheran kappt sein Atomprogramm um das Vermögen zum Waffenbau, kontrolliert und für immer. Im Gegenzug erkennen die USA die Islamische Republik als Regionalmacht an, die als Vektor für eine Geometrie der Kräfte im Nahen Osten zugelassen ist und Amerikas Rückzug als ordnungspolitisches Nonplusultra der Region erleichtert.Sollte sich Washington und Teheran derart abgleichen, würde ein Fall des Baath-Regimes in Syrien einen durch das Agreement mit den USA gestärkten Iran nicht mehr bis ins Mark erschüttern. Es entfiele ein außersyrisches Motiv, Assad zu stürzen, während die innersyrischen Kombattanten in einen – längst begonnenen – Abnutzungskrieg gerieten, bei dem die Erschöpfung der Politik wieder mehr Rechte einräumt. Präsidentenwahlen 2014 könnten da hilfreich sein.Die Vereinten Nationen mussten den undankbaren Part übernehmen, dafürzu sorgen, dass Genf II-plus nicht durch den Krach ums iranische Erscheinen bei Genf II gestört wurde. Die diplomatische Wünschelrute ist UN-Syrien-Vermittler Lakhdar Brahimi deswegen nicht aus der Hand geschlagen. Er kann humanitäre Korridore aushandeln, um Menschen aus dem belagerten Homs zu retten, und lokale Feuerpausen. Nicht zu unterschätzen nach drei Jahren Bürgerkrieg.