Sind die Ostdeutschen gekränkt? Ist maulfurzige Bockigkeit, in die Gesichter gefräster Frust, die Hinwendung zur AfD Folge von Gekränktheit? Wer soll das wissen? Denkbar wäre es. Zu wünschen ist, dass möglichst vielen Zeitgenossen der paternalistische Westblick auffällt, der sich mit dieser Frage Geltung verschafft. Ungehaltene Verstimmtheit und bürgerlicher Anstand empören sich über den Osten wie über eine nächtliche Ruhestörung. Wir ertragen euch, und nun das. Wenn es ihn gibt, dann schreit der Gekränkte ob dieser Zumutung hoffentlich laut in sich hinein und bleibt dabei stumm, da er sich der Vergeblichkeit seines notorischen Reflexes bewusst ist. Und geht am Sonntag einfach wählen? Entscheidet sich für die AfD? Möglich. Die Arroganz des Westens ist die unverdiente Stärke dieser Partei, die aus dem Westen stammt und einem Teil des Ostens gelegen kommt, um auf Revanche, wenn nicht Rache bedacht zu sein bei diesen mit Bedeutung überfrachteten Landtagswahlen. Trifft das zu, und Anzeichen gibt es, ist dafür Vorgeschichte in die Verantwortung zu nehmen, in der sich Betrug und Selbstbetrug wenig schenken.
Ende 1989 tauchte zuerst bei Demonstrationen im Süden der DDR die verstümmelte Staatsflagge auf – Hammer, Zirkel und Ährenkranz waren herausgeschnitten aus dem Schwarz-Rot-Gold, das ebenso übrig blieb wie ein großes Loch mittendrin, welches gefüllt sein wollte. Die damals auf die Straße gingen und Deutschland, einig Vaterland riefen, kamen aus dem Mittelbau der Mitläufer, die Gesellschaften erhalten oder erschüttern. Sie waren der Straße bis dahin eher ferngeblieben. Doch nun tourte Helmut Kohl durch die moribunde DDR, als sei die bereits sein Land, und umgab sich mit der Aura des Wohltäters. Hielt man sich an das in der BRD vorherrschende DDR-Bild, lief das auf geistige Unzucht mit Unmündigen hinaus, war nicht ohne Risiko, sollte sich aber erst einmal lohnen. Am 18. März 1990 zur letzten DDR-Parlamentswahl bescherten die Kohl-Wähler der Allianz für Deutschland, geführt von der Ost-CDU als Kohl-Filiale, mit 48 Prozent einen erschlagenden Wahlsieg. Da konnte die Einheit kaum mehr als ein Anschluss sein. Und das zu Bedingungen, die von der DDR nichts groß zurückließen. Deren Bewohner ausgenommen, an denen das geschichtsübliche Exempel statuiert wurde: Wer verloren hat, der ist verloren. Wird an die Marktwirtschaft geglaubt wie an den Weihnachtsmann, dann erst recht. Volker Braun vergleicht die Entlassung fast der gesamten ostdeutschen Arbeiterklasse aus ihren Betrieben mit der Degradierung der deutschen Bauern im Bauernkrieg. Nun waren sie Hammer und Zirkel endgültig los. In das Loch fiel man nun selbst. Die Fahnenschneider hatten sich als Propheten in eigener Sache erwiesen.
Es liegt in der menschlichen Natur, dass Selbstbetrug, den man spürt, ohne ihn sich eingestehen zu wollen, zum Selbsthass führt. Den mit sich herumzutragen, ist kein Vergnügen. Er muss kompensiert werden. Durch Hass gegen andere. Auch durch eine ins Narzisstische greifende Selbstgerechtigkeit, wie uns die Feuilletons gerade wissen lassen, wenn sie über wohlstandsaffine SUV-Fahrer räsonieren, die von den Parkdecks ostdeutscher Shopping-Malls rollen? Damit das Setting stimmt, wäre noch der Hinweis angebracht, dass die vom Westen mit in die Einheit gebrachte Demokratie verdorben, weil verostet wurde. Hat man Brandenburg, Sachsen usw. nicht zu gutgläubig das Wahlrecht eingeräumt? Wir wissen schließlich dank Ines Geipel, dass im Ostler der Nazi seit 1945 wunderbar überwintern konnte, weil dies den SED-Bonzen vorzüglich in den Kram passte. Das ist kein Spleen, damit wird seit 30 Jahren Politik gemacht. Es zahlt sich aus, wie man sieht.
Kommentare 28
Wie lange dauert diese unleidige Ost/West-Debatte des deutschen Boulevard eigentlich schon an? Mich stört die Arroganz manchen Beitrages, der so gar keine Empathie für die DDR-Bürgerinnen und -bürger aufbringt.
Ich habe mich an diesen Diskussionen aus Respekt vor den 16 Millionen DDR-Lebensläufen nicht beteiligt. Ich halte mich für in dieser Hinsicht nicht prädestiniert.
Niemand der DDR-Bürgerinnen und -bürger hat sich das politische System, in dem er sich nach dem Zweiten Weltkrieg wiederfand, aussuchen können, ebenso wenig wie ihre Pendanten in der BRD. Also Bescheidenheit im Auftreten, gerade was dieses Thema angeht, sollte oberstes Gebot sein.
Beten wir Westler doch nur zu gerne die Vorteile eines Systems herunter, das für seine Welteroberung nach wie vor die größten Menschheitsverbrechen begeht.
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Ich möchte dieses Blog ausdrücklich dafür nutzen, um mich mit den Ostlern in dieser dFC zu solidarisieren, ganz sicher mit Lutz Herden.
Na, das geht doch alle fünf Jahre so. Ich laste das den "Westdeutschen" auch gar nicht mehr an,die können einfach nicht alles wissen und beurteilen. Und zunehmend werden die Debatten auch ein bisschen offener und nicht mehr so kanonisiert.
Trotzdem werde ich nicht begreifen, dass Ossis die komplett westlich strukturierte AfD wählen.
Ines Geipel - also über die würde ich mich nun nicht mehr aufregen. Die ist sowas von daneben. Noch ist sie eine Art dienstbarer Geist, aber durchschaut wird sie zunehmend. Wenn ich an das Theater um diese Doping-Opferhilfe denke, da wird deutlich, dass die einen krankhaften Tunnelblick hat.
https://www.sportschau.de/doping/ruecktritt-geipel-doping-hilfe-verein-100.html
Mir gehts eher so, dass ich mein eigenes Leben - sowohl in der DDR als auch danach - als absolut bereichernd und spannend betrachte. Das kann niemand sich vorstellen, wie das alles sich wandelte. Gestern scherzte der Christian Ehring von extra 3, die Westdeutschen hätten es doch gut gehabt, bei denen hätte sich nur eine Sache geändert: Aus RAIDER WURDE TWIX. Naja.
Tschuldigung, Herr Flegel, das sollte nach ganz unten. ABer, ich freue mich über Ihre Solidarität mit uns Ossis. :-)
Ach ja, es ist schon ein graus, was in der ostzone nach 1989 passiert ist, aber 95 % davon ist selbstverschuldet, durch die ossis!
Die westdt. brüder und schwestern hatten zwar ein dt.-dt. ministerium, das regelmässig "studien" erstellte, wie es sein würde, wenn die wiedervereinigung anstünde. Nur diese fake-papers waren nicht ernst gemeint und waren schlicht hochbezahlter müll. Der rest der bdr-gesellschaft hatte den osten längst vergessen.
Dann machen die ossis gegen Erich & co in der zone mobil - und wollen auch noch angeschlossen werden; im westen herrscht konfusion und irgnoranz. Aber nach dem die ossis ein halbes jahr später immer noch angeschlossen werden wollen, machen die mobil, die im kapitalismus die mobilasten sind: glücksritter, betrüger, verbrecher und gutmenschen. Denen lieferten die neuen regierenden in der ddr (die aus den wahlen im März 1990 hervorgegangenen wahlsieger, die weder regieren wollten noch konnten) den ganzen leidigen kram kurzerhand aus.
Es kam, was kommen musste, die verbrecher und glücksritter, demagogen und gutmenschen übernahmen den laden und bereicherten sich, ob als oberarzt ohne medizindiplom oder "politiker" ohne handwerkliche kenntnisse, aber mit willen zur macht (Kohl & co). So läuft das im kapitalismus, wer freiwillig alles hergibt, wird am ende auch noch über den tisch gezogen.
Der höhepunkt ist dann die AfD - als westdt. professorenpartei mit EURO-aversion gestartet, verarschen ihre westdt. demagogen, die ossi-versager und erzählen ihnen, wie das mit der wende wirklich war, und dass diese jetzt "vollendet" werden müsse. Dabei besteht die vollendung der kehre schlicht darin, dass die ossi-blindgänger jetzt sogar schon glauben, die wende wurde im westen für sie gemacht, um die ossis zu beglücken und Putin zu bestrafen, der so wie so an allem schuld ist.
Fazit - wer seine eigene führung überwältigt, sich dann vor den konsequenzen drückt und sich weigert, sich selbst zu regieren, wird regiert und kujoniert - und zwar zu recht.
Also der Betreiber dieser Website argumentiert auch mehr nach innerer Stimmung und "parteilicher" Bosheit.
Wenn er z. B. über Ulrike Poppe meint:
++ Einige besaßen keine abgeschlossene Berufsausbildung. So z.B. die hochstilisierten „Bürgerrechtlerin“ Ulrike Poppe. Sie, die der absoluten Minderheit der jüngeren DDR-Frauen ohne Berufsabschluß angehörte, spielt sich als Expertin über das Bildungswesen der DDR auf.
Diese Poppe, die für ihre gesetzwidrige Tätigkeit sechs Monate inhaftiert war, steht heute an der Spitze von DDR-Gegnern, die gemeinsam mit Thierse eine Konzeption für die Bundesregierung erarbeitet hat, mit dem Ziel der anwachsenden DDR-Nostalgie Einhalt zu gebieten.++
https://www.nzz.ch/feuilleton/ddr-buergerrechtler-der-glaube-an-die-reformierbarkeit-des-systems-war-intakt-ld.1503552
Ulrike Poppe gehörte aber zu den Unterzeichnern des "Appells für unser Land" , der kurz nach dem Mauerfall veröffentlicht wurde.
Die NZZ schreibt und ich erinnere mich selbst auch noch gut
++Zu den Erstunterzeichnern des fast drei Wochen nach dem Fall der Mauer veröffentlichten Appells zählten bekannte Bürgerrechtler wie Ulrike Poppe, Friedrich Schorlemmer und Konrad Weiss. Der Kernsatz: «Noch können wir uns besinnen auf die antifaschistischen und humanistischen Ideale, von denen wir einst ausgegangen waren.++
Wenn also zu den Instrumenten der Aufklärung gehört, Menschen zu verleumden, dann tut der Herr Sascha aber wirklich sein Bestes. Und ist selbst ziemlich schlichten Gemütes.
Ich selbst bin auch keine Poppe-Anhängerin, aber sie war kein "Werkzeug der Konterrevolution". Und sie muss mindestens Abitur gemacht haben, denn sie hat ein Studium angefangen, das sie aber nicht beendete.
Warum denn so bitter, Herr Herden? Ich habe schon damals die Deutschlandfahnen schwingenden Gröler gesehen und dachte mir: Ihr werdet Euch schon noch umgucken! Und jetzt sind diese Herren und Damen eingeschnappt, weil sie sich betrogen fühlen und die ihnen versprochene westliche Demokratie ziemliche Ähnlichkeit hat mit dem, was sie darüber im Stabü-Unterricht gehört haben. Wer da enttäuscht ist, ist selber schuld. Und wer dann auch noch auf Hilfe von der AfD hofft, zeigt dass er es offenbar nicht besser verdient. Karl Kraus sagte mal. "Österreich ist das einzige Land, das aus Erfahrung dümmer wird," Ich fürchte da ist Österreich nicht alleine.
danke für den link zum guten NZZ-text.
"volkstriumpfliche erscheinungen"(fontane)
stehen meist vor ent-täuschungen/betrogenheits-gefühlen.
das volk, "der große lümmel"(h.heine), sieht sich selten auf der sieger-seite.
und wenn ihm vor glück die tränen kommen, wird es auch nicht klarsichtiger.
Ich weiß jetzt nicht, wieso Sie auf die CDU kommen?? Hat die doch den Schlamassel maßgeblich zu verantworten. Gibt es nur CDU vs. AfD? Das wäre mir neu.
...ganz so ist es ja nun auch nicht, bis 13.08.1961 hatte jeder Ossi die Wahl ob er bleibt oder geht. Das sind immerhin 16 Jahre seit Kriegsende gewesen. Keine Wahl hatten die Kinder von damals!
der Osten war eine Diktatur und hat Kinder erschossen, der Vergleich mit dem Westen ist eine weitere Verhöhnung der Opfer!!!
...der Osten war eine Diktatur und hat Kinder erschossen, was gibts da noch zu verstehen?!
Zonendödel...echt geil...LOL...aber der Westdödel ist genauso!
welche Demokratie meinen Sie(und nein ich bin kein Ossi sondern Westberliner!)?
Als Angehöriger jener Wertegemeinschaft, die Flüchtlinge und deren Kinder zuhauf im Mittelmehr ersaufen lässt, statt sie in der EU aufzunehmen, fällt es mir schwer, Ihren Einwand als ein Argument zu werten, zumal nahezu alle Nationen dieser EG daran beteiligt waren und sind, diese Menschen zu Flüchtlingen zu bomben. – Ich finde, Sie spielen sich mit dieser Replik pampig auf. Damit will ich die Vorkommnisse in der DDR nicht entschuldigen, kann sie im Vergleich aber nicht als etwas besonders Unanständiges bewerten. Meinen Sie, während des völkerrechtswidrigen Zerstörungskrieges Jugoslawiens, an der die Westler Schröder, Fischer und Scharping maßgeblich mitgewirkt haben, seien keine Kinder getötet worden. Die „Verhöhnung der Opfer“ besteht nicht im Erschießen von Kindern, sondern im Erschießen überhaupt.
Also bitte verschonen Sie mich mit Ihrer unsäglichen Polemik, die nichts anderes als die Wiederholung bekannter Vorurteile ist. Und tun Sie bitte nicht so, als sei die Demokratie á la westlicher Wertegemeinschaft der Diktatur per se überlegen.
Korrektur:
Die „Verhöhnung der Opfer“ besteht nicht im Erschießen von Kindern, sondern im Erschießen von Menschen überhaupt.
Da sind ja auch Millionen gegangen. Und im Westen wurden sie dadurch auch ziemlich ängstlich. Die wollten da unter sich bleiben wie jetzt auch.
Ich nicht - ich war zu klein- und meine Mutter schon gar nicht. Die hat damals den durchaus berechtigten Eindruck, dass im Westen ein dumpfbackenfreundliches Klima herrscht. Es kamen dann mit der 68er Bewegung durchaus liberalere Zeiten, die Demokratie wurde kritisch befragt. Aber Sie sind davon ganz bestimmt nicht geprägt worden. An ihnen scheint das alles vorbeigegangen zu sein.
Frontstadt-Städterin hätte heroischen geklungen! Und konnten Sie was dafür oder haben die Welt besser gemacht? Wenn der Ami mich nicht gegen Westberlin getauscht hätte, wären Sie was!!! wohl geworden?
...Sie haben ein schräges Geschichtsbild, Die DDR war ne Diktatur und an mir ist die Realität sicher nicht vorbei gezogen!!!
Unrecht mit Unrecht aufzurechnen ist Dumm und Unreflektiert!
nee, meine Großeltern sind in der Frankurter Allee(Osten) ausgebommt worden, aber sie wären sicher nicht im Osten geblieben. Ich bin 61 geboren und ja wir haben in Westberlin ne Klasse linke Politszene gehabt, wir haben 1976 den Spandauer Forst vorm abholzen gerettet. Und klar ich bin Westberlinerin und kein Deutsche, das werden Ihnen viele Westberliner sagen, aber ich denke sie können damit e nix anfangen. Der 2. Satz ist mir n Rätsel was hier gemeint sein soll.
Wenn man die Vasallenstaaten des Südens mit zum Westen zählt...
Was soll das heißen?
Das ist die neuere Geschichte, die heute vor 80 Jahren begann. Im Potsdamer Abkommen wurden amerikanisch besetzte Gebiete an die sowjetische Besatzungszone gegen Westberlin getauscht, ich wurde zum Ossi gemacht. Ohne die Geschichte zu beachten, sind jegliche Schuldzuweisungen immer problematisch. Ich habe manchmal den Eindruck, als wüßten die Bürger und Politiker nicht mehr, warum der "böse Russe" am Brandenburger Tor stand.
Wenn es hier heißt: "Im Potsdamer Abkommen wurden amerikanisch besetzte Gebiete an die sowjetische Besatzungszone gegen Westberlin getauscht ..." ist das historisch falsch. Größe und Grenzen der vier Besatzungszonen standen vor Potsdam schon fest, ein Ergebnis der Konferenz von Jalta. Wenn die letzten Frontverläufe bis zum 8. Mai dem nicht entsprachen, wurde das bereits vor der Potsdamer Konferenz korrigiert.
Ich habe manchmal den Eindruck, als wüßten die Bürger und Politiker nicht mehr, warum der "böse Russe" am Brandenburger Tor stand.
...da ist was dran! Aber der Ami, der Franzos und der Engländer stand auch da!
...ich weiß tatsächlich nicht was Sie meinen, aber Ihre Beleidigung habe ich erst mal gemeldet!
...sind wir hier im Kindergarten?! Wenn Sie statt zu erklären beleidigen, dann ist das Ihre Verantwortung und Sie müssen mit Konsequenzen rechnen. So ist das im Leben Schatzi, Ursache und Wirkung!!!
...die anderen 3 Mächte standen natürlich auch da indirekt aber wer war von den Vieren Berlin am nächsten und wer hat am meisten unter den Deutschen gelitten ...Washington, London, Paris???Nee der Russ!