Feinde unter sich

Syrien Eine stabile Waffen­ruhe kann es nur geben, wenn sich auch alle äußeren Konfliktparteien dazu bekennen. Aber davon sind sie weit entfernt

Was könnte Bashar al-Assad unternehmen, um seine Gegner zu besänftigen? Eine Antwort darauf gibt die politische Logik. Der syrische Präsident brauchte nichts weiter zu tun, als sich von der Hisbollah im Libanon loszusagen und sie als Monstrum des Terrors zu geißeln. Er müsste die befreundete Regierung in Bagdad als Autokratie verurteilen; die iranische Theokratie als Reich des Bösen verfluchen; die russische Flotte aus dem Hafen von Tartus werfen; die seit Jahrzehnten besetzten Golan-Höhen bis in alle Ewigkeit Israel überschreiben und sich zu guter Letzt von den alewitischen Clans befreien, die in seinem Land den Staat verkörpern, wie er mit der Unabhängigkeit von 1946 entstanden ist.

Mit einem Wort: Assad müsste die politische Identität Syriens aufgeben. Allein das würde seine Gegner überzeugen. Eine neue Verfassung, die der Baath-Partei das Machtmonopol entzieht, hat sie nicht überzeugt. Sie gilt als Täuschungsmanöver. Es bleibt also nur die ganz große Kapitulation. Weil Assad die verweigert und seine Armee nicht auseinanderläuft, sondern kämpft, wird die Schlacht um den einzigen säkularen Staat im Nahen Osten so bald kein Ende finden. Ein Waffenstillstand ändert daran wenig, ob er nun zwei Stunden dauert oder zwei Wochen oder gar nicht erst zustandekommt – es ist egal. Assads innere Gegner haben zu viele Opfer gebracht und seine äußeren wollen zu viel, als dass sie mit weniger als dem Regimewechsel zufrieden wären.

Ohnehin wird der Bürgerkrieg in Teilen Syriens inzwischen mit solcher Härte und Grausamkeit geführt, dass es auf absehbare Zeit nur um Leben oder Tod, Sieg oder Niederlage gehen kann. Unter diesen Umständen ist eine Waffenruhe keine Vorstufe zum Frieden, sondern eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln.

Doch verkennt die Lage, wer das syrische Desaster beklagt, ohne dessen äußere Triebkräfte zu nennen. Sicher hat sich im Sog des Arabischen Frühlings in den Regionen um Hama, Homs oder Daara legitimer Widerstand formiert, der einem autoritären, auf Privilegien und Pfründe versessenen Regime das Existenzrecht bestreitet. Längst jedoch operiert die Freie Syrische Armee – ob sie will oder nicht – auch als Vortrupp einer regionalen Neuordnung, deren Schirmherren Saudi-Arabien, Katar und andere Golfemirate, ebenso die Türkei und die westlichen Staaten sind.


Öl ins Feuer

Dafür gibt es einen entscheidenden Grund: Auch ohne Atomwaffen ist der Iran zur Regionalmacht aufgestiegen, weil die USA und ihre willigen Koalitionäre mit einem törichten Krieg die einstige regionale Macht des Irak zerstört haben. Und das auf lange Zeit. Wie also Teheran zügeln? Zunächst einmal, indem mit Syrien das Mittelstück einer Landbrücke herausgebrochen wird, die vom Libanon mit seiner schiitischen Hisbollah über den Irak mit seiner schiitischen Regierung bis zur schiitischen Macht im Iran einen beeindruckenden Bogen spannt. Auch an anderen Vorkehrungen, Teheran in die Schranken zu weisen, fehlt es bekanntlich nicht.

Es geschah jüngst auf dem Istanbuler Treffen der westlichen und arabischen „Freunde des syrischen Volkes“, dass die Golfherrscher erklärten, sie würden das Anti-Assad-Lager in Syrien weiter großzügig alimentieren. Beklage die Flammen – aber gieße Öl ins Feuer. Rede vom Frieden – aber rüste zum Krieg. Dieses Credo verbürgt eine zu hohe Erfolgsgarantie, als dass Syrien davon verschont bleiben könnte. Doch lässt die regionale Aufladung des Konflikts die Interventionisten zaudern. Wer Gewalt gegen Gewalt setzen will, muss an die Konsequenzen denken. Weder die NATO noch die Arabische Liga sind derzeit verstiegen genug, eine libysche Lösung des syrischen Konflikts in Betracht zu ziehen. Ganz abgesehen davon, dass es dafür kein UN-Mandat gäbe, seit die Libyen-Resolution vom März 2011 als Freifahrtschein zum Regimewechsel missbraucht wurde.

Die politische Achillesferse der Interventionisten ist ohnedies ihr Begründungsdefizit: Warum durch Eingreifen von außen Assad stürzen und nach dem Prinzip – die Feinde meiner Feinde sind meine Freunde – der saudischen Despotie zu Gefallen sein? Deren Panzer haben im Vorjahr den Aufruhr in Bahrain ebenso erstickt wie die Panzer Assads den Aufstand in Homs. Von den inneren Verhältnissen im Reich der Wahhabiten ganz zu schweigen.

Es braucht daher Vermittler der Vereinten Nationen oder der Arabischen Liga, die in dem Bewusstsein handeln, dass sich an den inneren Fronten Syriens auch äußere Machtblöcke reiben. UN-Emissär Kofi Annan kann nur dann vermitteln, wenn er sein diplomatisches gleichsam als politisches Mandat begreift, um der Dimension einer solchen Konfrontation gerecht zu werden. Sonst wird es bei Friedensplänen bleiben, bei denen die Weltorgansation Tatkraft simuliert, in Wirklichkeit aber ohnmächtig ist.

Erinnern wir uns der jüngsten Ereignisse: Vor dem vereinbarten Rückzug der syrischen Armee verlangte die Regierung in Damaskus, die Aufständischen müssten sich schriftlich verpflichten, die Waffen niederzulegen. Zugleich sollten deren externe Unterstützer erklären, ihre Hilfsdienste einzustellen. Ein Waffenstillstand kann nur dann sinnvoll sein, wenn alle Kriegsbeteiligten zu Friedensbeteiligten werden. Es handelt fahrlässig, wer das ignoriert.

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