Wenn Präsident Obama beim G20-Treffen von Seoul an der deutschen Kanzlerin damit scheitert, Handelsobergrenzen zu fixieren und Weichen hin zu einer neuen monetären Weltordnung zu stellen, lässt das auch um Zustand und Zukunft der Europäische Währungsunion (EWU) fürchten. Vom Prinzip her ist die in kontinentaler Hinsicht genau das, was ein Weltwährungsregime in globaler Hinsicht sein sollte. Warum winkt Merkel ab? Man könnte es sich einfach machen und sagen: Weil zum Beispiel der real drohende, aber eben auch herbei geredete Staatsbankrott Irlands ein Beleg dafür ist, wie die EWU funktioniert. Oder eben nicht funktioniert.
Wenn seit Tagen kolportiert wird, für Dublin müsse unter Umständen der 750-Milliarden-Euro-Rettungsfonds einspringen, hat das für die Kreditwürdigkeit auf den Bondmärkten fatale Folgen. Für irische Staatspapiere steigen die Zinssätze auf Rekordwerte von über neun Prozent. Nicht zuletzt auch deshalb, weil für den Rettungsfonds nach dem Willen Deutschlands und Frankreichs auch die privaten Gläubiger bemüht werden müssen, was im Fall einer sich abzeichnenden Zahlungsschwäche oder -unfähigkeit zinstreibend wirkt. Davon abgesehen leistete sich EU-Kommissionspräsident Barroso eine seltene Dummheit, als er ausgerechnet am Rande des G20-Forums von Seoul versicherte, Irland könne mit Bürgschaften aus dem Rettungsfonds rechnen. Was die Krise der irischen Staatsfinanzen erst richtig öffentlich und dringlich machte. Wer gibt da noch Kredite für Staatspapiere, ohne das Feld sicherer Zinsen gebührend auszureizen?
Der Fall Irland wirkt symptomatisch. In Krisenzeiten wie den gegenwärtigen sollten alle Euroländer die Chance haben, ihre von der Bankenkrise verschuldete finanzielle Last durch realwirtschaftliche Leistung abzubauen. Nur müssen dazu auf dem europäischen Markt alle annähernd gleiche Chance haben, doch das wird Staaten wie Irland, Portugal oder auch Griechenland verwehrt.
Merkel argumentiert falsch, wenn sie Leistungsbilanzen als Leistungszeugnisse deutet. Welchen Leistungsnachweis tritt eine deutsche Wirtschaftspolitik an, die durch Lohndruck, Lohndumping und Reallohnentzug den Binnenmarkt schröpft, um außenwirtschaftlich unschlagbar zu sein? Sie leistet es sich, Exportchancen von Handelspartnern zu deckeln, während sich die eigene Exportmaschine durch die EU-Wettbewerbsgemeinde fräst. Man erlebt nationalstaatliche Egozentrik, die dem europäischen Gedanken das letzte Hemd raubt. So nackt war er selten. Es ist nun einmal der objektive Zwang einer einheitlichen Währung, eine in Maßen synchronisierte Wirtschafts- und Lohnpolitik zu verfolgen. Wenn sich die Wettbewerbsposition von EU-Mitgliedsstaaten verschlechtert, weil in Deutschland die Gewerkschaften mit dem Beschäftigungsargument seit Jahren den Lohndrücker geben, sind ihnen die Hände gebunden. Diese Länder können ihre prekäre Lage nicht mehr durch den Kurs ihrer Währung beeinflussen. Ihre Schwäche wird mit dem Euro noch verstärkt, während die Stärke Deutschlands den Euro und den Euroraum schwächt.
Aber Freihandel ist kein Naturgesetz. Und ein Recht schon gar nicht. Es lässt sich vor keinem Gericht der Welt einklagen. Wer glaubt, Freihandel und Protektionismus seien entfernte Pole, der irrt – es handelt sich um zwei Seiten einer Medaille. Warum sonst beginnen derzeit ausgerechnet die USA, die in der Ära Clinton große Wirtschaftsnationen wie Brasilien oder Argentinien drängten, einer Freihandelszone von Alaska bis Feuerland zuzustimmen, ihren Markt abzuschotten. Die hoch verschuldeten EU-Länder tun genau genommen nichts anderes. Ihr ausgelaugter Binnenmarkt wirkt wie eine Handelsbarriere, die den besten und billigsten Exporteur straucheln lässt. Merkel wird für ihre verkürzte Sicht auf den eigenen Exportboom politisch drauf zahlen, vermutlich schon in den kommenden Monaten. Die irische Malaise erinnert zu sehr an die Turbulenzen dieses Frühjahrs.
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