Furor des Wahns

Trumps Nordkorea-Rede Wie dünn die Glasur unserer Zivilisation tatsächlich ist, zeigt der Auftritt, den der US-Präsident gerade vor der UN-Generalversammlung hingelegt hat
Es war ein unübertrefflicher Auftritt
Es war ein unübertrefflicher Auftritt

Foto: Drew Angerer / Getty Images

Auf Anstiftung zum Massenmord lief hinaus, was Donald Trump in seiner Brandrede vor der diesjährigen UN-Generalversammlung verkündet hat. Einen solchen Auftritt gab es vor diesem Forum bisher wohl noch nie. Der Redner schien auf vorsätzlichen Tabubruch erpicht, um zivilisatorische Normen zu verhöhnen, wie sie menschlicher Kriegs- und Leiderfahrung über die Jahrhunderte hinweg zu verdanken sind.

Die Weltorganisation wie ihre Charta sind 1945 unter dem Eindruck eines Weltkrieges entstanden, der zu menschlichen Verlusten und einer Vernichtung materieller Werte geführt hatte wie nie zuvor in der Geschichte. Wer das mit ignorantem Hass bedenkt, um es demonstrativ zu missachten, hätte es verdient, unterbrochen und des Saals verwiesen zu werden. Die Vollversammlung – die Vereinten Nationen als Instanz des Friedens und des Rechts – wären dem gerecht geworden, was ganz am Anfang ihrer Magna Charta zu lesen ist: „künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren … Duldsamkeit zu üben und als gute Nachbarn in Frieden miteinander zu leben, unsere Kräfte zu vereinen, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren“.

Overkill-Mentalität

Dass die weltweit stärkste Militärmacht diesen Prinzipien am besten genügt, indem sich ihr Anführer einer Overkill-Mentalität hingibt, steht dort nicht. Natürlich lässt sich das vehement und ausführlich verurteilen. Letztlich bleibt nur resignatives Entsetzen. Allerdings versehen mit dem Hinweis: Der US-Präsident hat seine Tiraden nicht nur im Namen des eigenen Landes ausgestoßen, er stand auch für eine westliche Führungsmacht am Rednerpult, die immerhin nicht ausschließt, mit Nordkorea einen ganzen Staat und 24 Millionen Menschen einfach austilgen zu wollen.

Man kann nur zutiefst erschrocken sein, vor dieser Anmaßung und dem selbstgerechten Niedertreten jedes Anflugs von Menschlichkeit in der Botschaft eines Staatschefs, der nach Gewalt, Rache und Vergeltung schreit, als sei das die Raison d'être politischen Handelns in unserer Zeit. Hoffentlich nicht, doch vielleicht ist es tatsächlich bald soweit.

Öffentlich herbeigesehnt

Nur in Maßen werden Trumps Ausfälle durch die Vermutung relativiert, das dazu gewiss auch innenpolitische Erwägungen antreiben. Trump hat sich mit seiner Nordkorea-Politik selbst unter Druck und Erfolgszwang gesetzt und kann dem nicht mehr entrinnen. Jeder weitere Rakete der Nordkoreaner wird zu seiner Niederlage.

Statt rechtzeitig, ein angemessenes Verhandlungsangebot zu unterbreiten, das Kim Jong-un zu einer Unterbrechung der Testserie zwingt, weil sich die einmalige Chance auf eine Verständigung bietet, hat Trump Drohung auf Drohung getürmt. Genutzt hat es nichts, weil es nichts bringen kann, so dass er sich nun in einen Vernichtungswahn rettet, der Macht suggeriert, um Ohnmacht zu kaschieren. Soll das Problem „aus der Welt geschafft werden“, indem eine ganze Gesellschaft „aus der Welt geschafft“ wird? Und wie irreal und weltfremd ist die Annahme, dass die Führung in Pjöngjang daraufhin kapituliert? Das Gegenteil wird der Fall sein. Die nächsten nordkoreanischen Tests stehen bevor. Trump hat sie vor der UN-Generalversammlung öffentlich herbeigesehnt. Wer wollte es Kim Jong-un ernsthaft bestreiten, nach derart apokalyptischen Drohungen darauf zu bestehen, dass sich sein Land mit allem verteidigt, was es hat?

Deutschland ist gefragt

Mag der Umgang mit der Korea-Frage bei den westlichen Partnern der USA Befremden oder auch Bestürzung auslösen, sollte ein scharfer Dissens fällt sein, wenn Trump seinen Frontalangriff auf den Atomvertrag mit den Iran fortsetzt, wie das den verbalen Attacken vor den Vereinten Nationen ebenfalls zu entnehmen war. Bisher kann der Regierung in Teheran kein Vertragsbruch vorgeworfen werden. Das gilt eher für deren einstige Vertragspartner, die beim Abbau und Verzicht auf Sanktionen säumig sind.

Garantiemächte des Abkommens wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien sollten sich energisch dagegen verwahren, dass Trump zerstört, was mühsam ausgehandelt wurde und offenbar funktioniert. Es dürfte keinen zweiten Anlauf dieser Art geben. Iran wird dann mit Sicherheit den nordkoreanischen Weg einschlagen.

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Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

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