Diese Konfrontation zwischen den USA und Iran beansprucht ein anderes Kaliber als im Oktober das Nachspiel zum mutmaßlichen Komplott gegen den saudischen Botschafter in Washington. Seinerzeit galt der iranische Geheimdienst als möglicher Drahtzieher eines Attentatsversuch. Präsident Barack Obama wollte sich alle Optionen offenhalten, auch die militärische. Stattdessen kam es zu härteren Sanktionen.
Diesmal geht es um nicht mehr und nicht weniger als die strategische Verwundbarkeit des Westens, besonders der USA, sollte der Öltransfer von der Arabischen Halbinsel nach Europa und Nordamerika unterbrochen oder verzögert werden. Erkennen lassen sich zwei Eskalationsstränge, die miteinander verschlungen sind – je enger, desto gefährlicher wird e
her wird es.Wenn die Regierung in Teheran eine Blockade der Straße von Hormuz androht, um sich gegen einen möglichen Einfuhrstopp der EU für iranisches Öl zu wehren, dürfte die Annahme im Spiel sein: Wir werden nie zu diesem äußersten Mittel greifen müssen, weil es unsere Gegner nicht riskieren wollen, dass wir soweit gehen. Denn die Gegenseite hätten dann wohl keine andere Wahl, als militärisch zu reagieren. Einmal vom Zaun gebrochen, wäre mit einem Krieg am Persischen Golf möglicherweise ein Flächenbrand entfacht, der sich so schnell nicht eindämmen lässt. Will ein US-Präsident, der gerade einen Irak-Abzug hinter sich hat, riskieren, was dann passiert?Die Obama-Administration knüpft den anderen Eskalationsstrang, indem sie zu verstehen gibt: Ihr habt Recht – wer die Straße von Hormuz blockiert, schickt uns eine Kriegserklärung. Nach wie vor gilt die Carter-Doktrin vom Januar 1980, wonach jeder Versuch einer auswärtigen Macht, die Kontrolle über den Persischen Golf zu erlangen, als Angriff auf die elementaren Interessen der Vereinigten Staaten betrachtet und mit allen Mitteln zurückgeschlagen wird. Weil das so ist, wird Teheran nicht bis zum Äußersten gehen. Will das Mullah-Regime riskieren, was dann passiert?Schlimmstmögliche Wendung Die absurde Logik dieser Eskalation lautet, den Krieg nicht ausschließen, um ihn letzten Endes doch auszuschließen. Allerdings besagt die Erfahrung, dass der sich irgendwann nicht mehr ausschließen lässt. Derartige Konflikte entwickeln eine Eigendynamik, die in einem fortgeschrittenen Stadium kaum mehr beherrschbar ist. Man wird unwillkürlich an Friedrich Dürrenmatts 21 Thesen zu seinem Drama Die Physiker erinnert. Dort heißt es unter Punkt drei: „Eine Geschichte ist dann zu Ende gedacht, wenn sie ihre schlimmstmögliche Wendung genommen hat.“Worin besteht eine solche "Wendung" im Konflikt USA-Iran? Ist sie schon eingetreten, wenn sich die iranische Regierung unter Zugzwang setzt und sagt, weitere Sanktionen würden mit einer Blockade von Seewegen beantwortet? Oder tritt sie erst dann ein, wenn die US-Regierung mitteilt, sie werde das niemals zulassen, also militärisch reagieren? Weil die Antworten auf beide Fragen auf die „schlimmstmögliche Wendung“ hinauslaufen, um glaubwürdig zu sein, kann es nur einen Ausweg gegen: Die Eskalationsstränge kappen, bevor sie untrennbar miteinander verwoben sind. Kappen! Besser gestern als morgen. Nur wer einem Krieg in den schon gedrehten Strick greift, dem wird der Krieg keinen Strick mehr drehen. Als George W. Bush 2003 in den Irak einmarschierte, war es für diesen Griff zu spät. So spät, dass der jetzige Abzug letzten Endes zu früh kommt, weil der Irak die Folgen von Krieg und Besatzung nicht verkraften kann. Achse Washington-Riad Wie sich zeigt, sind die USA entschlossen, Iran nichts zu schenken. Die gerade geschlossenen Abkommen mit Riad und den Vereinigten Arabischen Emiraten, wonach unter anderem US-Kampfjets vom Typ F15 nach Saudi-Arabien geliefert werden, gilt einem Alliierten, dessen Feindschaft zu Teheran schon aus religiösen Gründen wie ein Monument in der Landschaft steht. Es sind die Wahhabiten mit ihrem salafitischen Islam, denen die schiitische Theokratie in Qom und Teheran seit jeher ein Dorn im Auge ist. Während des achtjährigen Golfkrieges zwischen Irak und Iran von 1980 bis 1988 unterstützte die saudische Monarchie den damaligen irakischen Präsidenten Saddam Hussein. Was König Abdullah nicht daran hinderte, sich 2003 der von den Amerikanern geführten „Koalition der Willigen“ anzuschließen, deren erklärtes Ziel der Sturz des Diktators in Bagdad war, auch wenn es keine direkte Kriegsbeteiligung saudischer Truppen gab.Dass der Schulterschluss zwischen Washington und Riad das iranische Regime zusätzlich unter Druck setzt, steht außer Frage. Diese Liaison verhilft nicht zur Deeskalation. Zwar soll sie wohl – unabhänig vom Konflikt um die Straße von Hormuz – auch dazu dienen, mehr iranische Regionalmacht, die sich durch einen wachsenden Einfluss Teherans im schiitisch regierten Irak herstellt, kompensieren. Nur ändert das nichts an einer möglichen Versuchung der USA (und Israels?), eine Konfrontation um die Seewege für einen Schlag gegen ausgesuchte iranische Ziele wie die Atomanlagen in Bushehr zu nutzen. Dies wäre die "schlimmstmögliche Wendung" und nährt die Hoffnung, sie werde deshalb nicht eintreten.