Gegen die Wand

Drohnen-Skandal Direkt vor der Anhörung in zwei Bundestagsausschüssen bescheinigt der Bundesrechnungshof dem Verteidigungsministerium spektakuläre Versäumnisse beim Euro Hawk Projekt
Der Minister zeigt an, dass ihm das Wasser nicht bis zum Hals steht, wie böse Zungen behaupten
Der Minister zeigt an, dass ihm das Wasser nicht bis zum Hals steht, wie böse Zungen behaupten

Foto: Johannes Eisele / AFP - Getty Images

Sehr vollmundig und unumstößlich klangen die Treuebekenntnisse aus dem eigenen Lager für den Verteidigungsminister zuletzt nicht mehr. Eine Geldverschwendung ungeahnten Ausmaßes bei einem Rüstungsvorhaben lässt sich eben schwer rechtfertigen. Noch schwerer wird es, wenn gerade der Wahlkampf grassiert und hoch geschätzte Bundesbehörden wie der Bundesrechnungshof ihr Urteil abgegeben haben und dasselbe niederschmetternd ausfällt.

Die Erkenntnisse, wie sie im Bericht dieses Instituts „Zur Entwicklung des Euro Hawk Systems“ vom 3. Juni niederlegt sind, bescheinigen Thomas de Maizière erstaunliche und erstaunlich peinliche Schwächen bei seiner Amtsführung.

Teilweise wirken die Versäumnisse so gravierend, dass es kaum mehr nachvollziehbar erscheint, weshalb das ehrgeizige Drohnen-Projekt nicht entschieden früher gestoppt wurde als im Mai 2013. Wieder einmal wird der Nachweis geliefert, wie sich derartige Unternehmungen verselbständigen und Kontrollgremien im dafür zuständigen Bundesressorts versagen können. Damit sind sowohl das Verteidigungsministerium als auch das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung gemeint.

Im Gutachten des Bundesrechnungshofes heißt es, beide Institute hätten nicht untersucht, „ob die im US-amerikanischen Zulassungsverfahren zu erbringenden Nachweise und vorzulegenden Unterlagen für das deutsche Musterzulassungsverfahren ausreichten und welche Risiken sich aus unterschiedlichen Herangehensweisen ergeben könnten“. Auch sei während des gesamten Projekts für das Ministerium stets ersichtlich gewesen, wie die Kosten in einen Steigflug übergingen und den ursprünglich vorgesehenen Rahmen sprengten. Der Bundesrechnungshof vermerkt in seinem Report: „Bis Ende April 2013 lagen elf Änderungsverträge zum Entwicklungsvertrag vor, die das Vertragsvolumen von 431 Mio. Euro auf 552 Mio. Euro erhöhten.“

Staatssekretär ins Bild gesetzt

Es verwundert und befremdet schon, dass trotz dieser Signale und der wachsenden Skepsis, ob die erstrebte Musterzulassung für den europäischen Luftraum überhaupt möglich sei, weitergemacht wurde, als sei nichts passiert. Bereits im Jahr 2011, so der Rechnungshof, habe sich abgezeichnet, „dass die aufgetretenen Probleme bei der Musterzulassung nicht mit vertretbarem Aufwand lösbar waren“. Anfang 2012 sei der zuständige Staatssekretär darüber ins Bild gesetzt worden, man habe keinen Zweifel gelassen, „dass die Musterzulassung zwischen 250 und 600 Mio. Euro zusätzliche Ausgaben verursachen könne und trotz dieser Ausgaben ungewiss sei“.

Die Frage muss erlaubt sein, wann sonst, als zu diesem Zeitpunkt hätte durch den verantwortlichen Minister alles zur Disposition gestellt werden müssen? War de Maizière nicht im Bilde oder von der Hoffnung beseelt, es werde schon gut gehen. Oder haben ihn seine Obsessionen übermannt, gerade bei diesem Projekt voranzukommen, damit Deutschland im globalen Ranking als Weltordnungsmacht einen Part spielen kann?

Allerdings sind auch Überzeugungstäter nicht von fachlicher Qualifikation befreit. Um die war es in der Drohnen-Frage offenkundig sehr zum Schlechten bestellt. Bei allen erschreckenden Offenbarungen, die der Bundesrechnungshof präsentiert, ist die folgende nicht zu übertreffen: „Dass das Bundesverteidigungsministerium und das Bundesamt über keine fundierten eigenen Erkenntnisse der Unterschiede der Zulassungsverfahren in Deutschland und den USA verfügten, ist ein wesentlicher Grund dafür, dass sie die Zulassungsprobleme in vollem Umfang erst spät erkannten.“

Wenn der Minister einen solchen Dilettanten-Stadl zu verantworten hat und offenkundig Teil desselben war, können die Fragen nicht verwundern, die ihm heute im Verteidigungs- und Haushaltsausschuss des Bundestages gestellt wurden.

Auch andere haben versagt

Doch müssen sich auch parlamentarische Instanzen, nicht zuletzt die beiden angeführten Gremien, fragen lassen, weshalb ausgerechnet bei der Aus- und Aufrüstung mit Drohnen bestenfalls beobachtet, nicht aber energisch nachgefragt und nachgeprüft wurde. Immerhin handelt es sich um einen Waffentyp, über dessen Einsatzkriterien keinerlei Klarheit besteht. Der Bundestag sollte ein von der Verfassung vorgeschriebenes Interesse haben, frühzeitig zu sondieren: Wann, durch wen, wo und warum werden Aufklärungs- und Kampfdrohnen in Marsch gesetzt? Welche Mitwirkungsrecht hat das Parlament? Wann erfährt es was? Wie wird die Öffentlichkeit einbezogen?

Es könnte die erfreuliche Seite des Drohnen-Debakels sein, dass in der saturierten Berliner Politik-Welt beim Pendeln zwischen Sommerfesten und Wahlkampf etwas mehr Sensibilität entsteht für eine sich abzeichnende Revolution der Kriegführung, bei der es Kanzlerin Merkel und ihrem strauchelenden Minister nicht am Willen, wohl aber am gebotenen Vermögen fehlt, daran teilzunehmen.

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