God bless America

US-Haushaltsstreit Die Republikaner weisen mit ihrem irrwitzigen Hang zur Blockade daraufhin, dass sie immer noch nicht verstanden haben, weshalb die Präsidentenwahl verloren ging
Den Präsidenten hielt es nicht länger im Weihnachtsurlaub
Den Präsidenten hielt es nicht länger im Weihnachtsurlaub

Foto: Mandel Ngan / AFP - Getty Images

Man erinnert sich noch recht gut, wie US-Politiker herablassend auf das kriselnde Europa blickten und dazu aufforderten, durch entschlossenes Handeln endlich die kontinentale Finanzkrise in den Griff zu bekommen. Es dürfe daraus kein weltökonomisches Fiasko werde. Um so mehr löst es Erstaunen aus, wenn derzeit Senatoren und Kongressabgeordnete ungerührt im Weihnachtsurlaub bleiben, während das Staatsschiff dem großen Riff entgegen schaukelt, dem sich desto weniger ausweichen lässt, je näher man ihm kommt.

Offenkundig ist die Brüskierung des Präsidenten Obama wichtiger als das Schicksal des Landes, geben führende Republikaner durch ihr Verhalten zu verstehen, die sich sonst gern als glühende Patrioten in Szene setzen und "God bless America" singen. Die Führung des republikanischen Establishments will die Niederlage bei der Präsidentenwahl bisher weder verstehen noch verarbeiten. Sie handelt weiter nach dem Prinzip – alles, was dem Demokraten Obama schadet, kann uns nur von Nutzen sein. Ein fatales, um nicht zu sagen irrwitziges Kalkül, das den Verlierern vom November garantiert keinen Aufschwung beschert, sondern nur dazu gut ist, den gesamten politischen Betrieb in einer kritischen Phase des Landes gründlich zu diskreditieren.

Längst ein Skandal

Verantwortungsbewusstes Handeln im Namen einer Weltmacht sieht anders aus. Muss anders aussehen! Die Sucht nach der Blockade des politischen Gegners um fast jeden Preis ist ein Indikator für den Verfall einer politischen Kultur, die sich vielen anderen Nationen und Gesellschaften außerhalb Nordamerikas oft und ungestüm als Muster und Vorbild angeboten hat. Es freiwillig anzunehmen, konnte jahrzehntelang bedeuten, sich gewaltsamer Indoktrination zu entziehen. Die USA waren so sehr von sich überzeugt, dass sie dies gern all denen einbläuten, denen eine solche Überzeugung fremd war.

Was wir derzeit erleben, zeigt insofern nicht nur, wie eine Weltmacht vor sich selbst kapituliert. Oder anders ausgedrückt: sich nicht mehr zu bewältigen versteht. Die Politik und das politische System der USA bleiben schuldig, was ein ökonomischer Notstand von ihnen verlangt. Wahrscheinlich muss es erst zum militärische Ausnahmezustand kommen, also ein Krieg ausbrechen, um dieses Versagen zu korrigieren – oder zu überspielen. Was heißt das für die bürgerliche Demokratie in ihrer amerikanischen Spielart? Sie ist unfähig, sich gegen einen Missbrauch aus machtpolitischem Interesse zu schützen – sie ist nicht dagegen immun, pervertiert zu werden. Nicht einmal der US-Präsident als ihr oberster Schutzpatron kann sie aus diesem Dilemma befreien.

Wie dieser Haushaltsstreit, der längst ein Haushaltsskandal ist, auch immer endet – er bietet viel Stoff, um zu lernen, dass die herrschenden politischen Verhältnisse ein ums andere Mal den Beweis ihrer Existenzberechtigung schuldig bleiben

Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Geschrieben von

Lutz Herden

Redakteur „Politik“, zuständig für „Ausland“ und „Zeitgeschichte“

Lutz Herden studierte nach einem Volontariat beim Studio Halle bis Ende der 1970er Jahre Journalistik in Leipzig, war dann Redakteur und Auslandskorrespondent des Deutschen Fernsehfunks (DFF) in Berlin, moderierte das Nachrichtenjournal „AK zwo“ und wurde 1990/91 zum Hauptabteilungsleiter Nachrichten/Journale berufen. Nach Anstellungen beim damaligen ORB in Babelsberg und dem Sender Vox in Köln kam er Mitte 1994 als Auslandsredakteur zum Freitag. Dort arbeitete es von 1996 bis 2008 als Redaktionsleiter Politik, war dann bis 2010 Ressortleiter und danach als Redakteur für den Auslandsteil und die Zeitgeschichte verantwortlich.

Lutz Herden

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden