Man sollte es einen zweiten Versuch nennen. Schon einmal in diesem Jahr – am 7. Mai – hatten sich John Kerry und Sergej Lawrow, die Außenminister der USA und Russlands, darauf verständigt, eine internationale Konferenz zum syrischen Bürgerkrieg abzuhalten. Es blieb ein frommer Wunsch. Über ein imaginäres Planungsstadium kam das Vorhaben nie hinaus. Wird einer Neuauflage mehr Erfolg beschieden sein?
Zweifel scheinen angebracht. Noch bleiben die Konturen eines solchen Forums unscharf. Wird freilich mit dem 23. November schon ein konkreter Termin für einen Auftakt in Genf genannt, deutet das auf Sondierungen mit potenziellen Teilnehmern, deren Zusage vorliegt. Von denen also die USA und Russland mit einiger Sicherheit wissen dürften, dass sie ant
en dürften, dass sie antreten. Da sich beide Staaten als diplomatisches Zweigespann der Konferenz widmen, werden sie notgedrungen als Schirmherren wahrgenommen und müssen bei der Auswahl der Beteiligten einen ersten Eignungstest bestehen. Wer wird nach Genf gebeten, wer nicht? Wer könnte sich verweigern und warum? Konkret: Bittet man die Nationale Syrische Koalition als Dachverband der Exilopposition, kommt das einer Anerkennung gleich und verlangt von der Regierung Assad den Willen zu Verzicht und Kompromiss. Sie betrachtet sich als legitimer Vertreter Syriens und pocht – nicht zuletzt gegenüber Moskau – darauf, dass die Souveränität des syrischen Staates völkerrechtlich verbrieft ist. Niemand dürfe ihn willkürlich aus dem Staatenregister streichen und durch einen von der Opposition ausgerufenen Phantom-Staat ersetzen. Im Laufrad des Sisyphos Diese Position tangiert rechtlich brisante Kernfragen eines jeden durch Aufruhr und bewaffneten Widerstand angebahnten oder auslösten Regimewechsels: Wann ist staatliche Macht soweit delegitimiert, dass ihr das Recht auf Selbstverteidigung bestritten werden darf, dass sie als Verhandlungspartner obsolet ist und international geächtet werden darf? Zur Erinnerung: Nach dem Sturz der Pol-Pot-Diktatur in Kambodscha 1979 saß – trotz des durch dieses Regime zu verantwortenden Völkermords – die Delegation des „Demokratischen Kampuchea“, wie sich der Pol-Pot-Staat nannte, noch jahrelang als Mitglied in der UN-Vollversammlung. Eine Mehrheit der Vereinten Nationen wollte die Nachfolger nicht aufnehmen, da sie ihr Amt einer vietnamesischen Intervention verdankten. Es erschien zweitrangig oder irrelevant, dass dieser Einmarsch eine Herrschaft des Grauens beendet hatte. Sehr im Unterschied dazu galt gegen das Assad-Regime im Westen wie einem Teil der Arabischen Welt seit März 2011 der moralische Imperativ: Wer sich gegen Assad ausspricht, schützt das syrische Volk vor Völkermord – wer das nicht tut, begünstigt einen Völkermörder und diskreditiert sich. Das war das Ende jeder Diplomatie. Sie wurde ins Laufrad eines Sisyphos verbannt.In Erwartung einer WaffenruheDie Entscheidung, wie künftig der syrische Staat beschaffen ist, und wer ihn regiert, kann nur das syrische Volk an der Wahlurne treffen. Eine Genfer Friedenskonferenz sollte dafür die nötigen Bedingungen schaffen, indem sie einen Waffenstillstand vermittelt. Mehr wird kaum möglich sein. Wurden in der Vergangenheit Nachkriegsordnungen am grünen Tisch ausgehandelt, scheiterten sie regelmäßig an den Nachkriegsrealitäten im Konfliktgebiet. Auch die USA und Russland werden das (hoffentlich) wissen und sich ganz auf Konditionen und internationale Garantien einer Waffenruhe konzentrieren. Dabei ist Vorsicht geboten. Kontrollrechte münden leicht in Besatzungsmacht. Völlig offen bleibt im Augenblick, ob die Nationale Koalition auch nur ansatzweise in der Lage wäre, ihrerseits einen Waffenstillstand zu garantieren und durchzusetzen. Die Freie Syrische Armee (FSA) hat sich nie als bewaffneter Arm dieses Gremiums definiert. Noch weniger trifft das für die in Syrien stehenden islamistischen Kampfverbände, vor allem etliche Al-Qaida-Filialen zu, die mit dem Honoratioren-Klub arrivierter Exilgrößen nichts zu tun haben wollen.Jedenfalls wird die Teilnehmerliste für Genf erkennen lassen, ob die Konferenz den großen Wurf wagt und den Syrien-Konflikt als komplexe, bürgerkriegsähnliche Konfrontation begreift, deren regionale Dimension enorm ist. Wenn das gelingt, wird eine Präsenz der wichtigsten regionalen Mitspieler unumgänglich sein. Das heißt, dann darf Saudi-Arabien als Pate des Anti-Assad-Lagers ebenso wenig fehlen wie der Iran als Schutzmacht der von Assad reklamierten syrischen Staatlichkeit. Dass sich daran die Geister scheiden, ist zu erwarten. Ob das für Washington und Moskau zutrifft, wird sich zeigen.